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      1 Eisbergmetapher / Verhaltensökonomik

      Was damit gemeint ist, beschreibt etwa der Psychologe und Verhaltensökonom Daniel Kahneman im Bestseller Schnelles Denken, langsames Denken: Bewusst soll nur das rationale Erkennen ablaufen, wie es der Homo oeconomicus symbolisiert. Gemeint ist damit ein kühl berechnendes Zweck-Mittel-Denken. Dessen Funktionsweise lässt sich am ehesten mit der eines Computers vergleichen, dessen Regeln nach der Logik der Mathematik, genauer gesagt nach den Gesetzmäßigkeiten des Optimierungskalküls programmiert sind. Eine (Selbst-)Reflexion dieses Programms kann es nicht geben; die rational Erkennenden haben schlicht nicht die Wahl, wenn es darum geht auszuleuchten, nach welchen Regeln sie ihre Entscheidungen treffen.

      Kahneman geht wie andere Verhaltensökonom*innen davon aus, dass sich das rationale Erkennen nur mühevoll und langsam vollziehen kann. Zum Lohn wird es dafür vom strahlenden Licht der abstrakten Vernunft beschienen. Kein Wunder also, dass die weltweit herrschende ökonomische Standardlehre gerade diesen Bereich des Erkennens fokussiert. Ganz gleich, was Studierende zu berechnen haben, es gilt in jedem Falle, dass sie rechnen müssen: Als Erkenntnissubjekte haben sie sich auf frappierende Weise ihrem Erkenntnisobjekt – dem Homo oeconomicus – anzugleichen.

      Unterhalb der Schwelle bewusst kalkulierender Wahrnehmung liegt der Eisbergmetapher zufolge ausschließlich das dunkle Reich der Irrationalität. Hier, so Kahneman, treffen Menschen ihre Entscheidungen zwar blitzschnell und mühelos, zugleich aber nicht zu ihrem Besten – zumindest sofern kalkulatorische Maßstäbe angelegt werden. George Akerlof und Robert Shiller, ebenfalls Verhaltensökonomen, sprechen gar von »Affen auf den Schultern«, die den Menschen einflüstern, was sie zu tun hätten – stets ohne bemerkt zu werden und zumeist gegen deren wohl kalkulierte Interessen. Diese im Dunkeln liegende Masse unbewusster Weisen des Erkennens soll vornehmlich aus stillschweigend verinnerlichten Gewohnheiten bestehen, gespeist etwa durch das nahezu reflexhafte Verarbeiten von Sprache, das seinerseits quasiautomatisch durch ebenfalls unbewusste Vorlieben, Emotionen und weltanschauliche Überzeugungen getriggert sein soll.

       ELITENGESTEUERT STATT BILDUNGSFÄHIG

      Da das Unbewusste als prinzipiell der Reflexion unzugänglich gilt, scheint in seinem Bereich keinerlei aufklärerische Bildung möglich. Ein neues Verständnis sprachlich gefasster Konzepte ebenso wie Reaktionen darauf können etwa, so formulieren es Gregory Mankiw und Mark Taylor als Autoren eines der wichtigsten ökonomischen Standardlehrbücher weltweit, lediglich in einer Art »epistemischem Hürdenlauf« antrainiert werden, der von Studierenden freilich unbewusst zu absolvieren ist. Auch etwa das Change Management spricht davon, Denk- und Verhaltensänderungen bei anderen Menschen dadurch zu bewirken, dass der vermeintliche Eisberg des Unbewussten durch unterschwellige Methoden gelenkt und dadurch aufgetaut, verflüssigt und dann bewegt wird, bevor er in den neuen – gewünschten – Strukturen und Mustern wieder eingefroren wird. Wie dies in der ökonomischen Standardlehre funktioniert, habe ich an anderer Stelle gezeigt.

      Abseits solcher Bemühungen erscheint gerade der Verhaltensökonomik eine Bildung der allermeisten Menschen schlicht als sinnloses Unterfangen – nicht nur zu langwierig und zu aufwendig, sondern aufgrund der vermeintlichen Herrschaft des Unbewussten auch systematisch unmöglich. Vielmehr imaginiert sie eine Elite, welche die »Affen auf den Schultern« anderer Menschen in Form von Reiz-Reaktionen (die Verhaltensökonomik spricht von »nudges«) unbemerkt in die »richtige« Richtung dressiert – wobei über die »Richtigkeit« auch nur sie selbst entscheiden können soll. Cass Sunstein und Richard Thaler sprechen offen von einem »libertären Paternalismus«, in dem sogenannte »Entscheidungsarchitekt*innen« den Rahmen für das Verhalten der Masse setzen sollen. Woher die Kreativität und die Moral jener Elite kommen sollen, um all die »Affen auf den Schultern« zu dressieren, bleibt dabei geheimnisvoll. In den Standardlehrbüchern jedenfalls findet sich dazu nichts.

       EIN GRUNDLEGENDER METAPHERNWECHSEL

      Meines Erachtens ist die Standardökonomik hier in eine Sackgasse geraten. Denn ihre erkenntnisleitende Metapher des Eisbergs ist schlicht irreführend. Stattdessen schlage ich vor, menschliches Erkennen und Entscheiden nicht mehr wie einen massiven, erstarrten Block zu beschreiben, der sich kategorisch nur in einen sichtbaren, bewussten und einen unsichtbaren, unbewussten Teil zweiteilen lässt. Menschliche Erkenntnis mag tatsächlich manchmal starr sein, aber ihre grundsätzliche Natur ist dies nicht: Wir Menschen sind dazu in der Lage, unser Erkennen von innen heraus und damit freiwillig immer wieder zu verflüssigen, um es in steten Wechselbeziehungen zu unseren Erfahrungen des konkreten Lebens und seinen Anforderungen aktiv umzugestalten. Richtig ist, dass es uns zumeist vorkommt, als vollzögen sich solche dynamischen und kreativen Prozesse wie unterhalb des rationalen Erkennens. Doch sie sind deswegen nicht unbewusst und damit gänzlich unzugänglich, sondern lediglich anders-bewusst: Sie kennzeichnen vollständig neue Habitate eines vielfältigen Erkenntnisbiotops. Diese Habitate gemeinsam mit jungen Menschen zu erkunden und zu kultivieren, sehe ich als zentrale Aufgabe einer neuen reflexiven ökonomischen »Bildung for Future«.

       EINE NEUE GEOLOGIE DES ERKENNENS

      Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, schlage ich vor, die verschiedenen Schichten des Erkennens nicht mehr in Ähnlichkeit zu einem Eisberg, sondern zum geologischen Aufbau der Erde zu imaginieren, und so eine Geologie des Erkennens zu entwerfen. Die Abbildung unten zeigt, wie dies erlaubt, sich das Erkennen in seiner Tiefe als fundamental dynamisches Geschehen vorzustellen, das immer flüssiger wird: Ganz oben befindet sich eine äußerst dünne, wie vollkommen versteinerte und erstarrte Erkenntniskruste. Diese sieht sich von einem etwas dickeren, aber ebenfalls noch sehr schmalen, äußerst zähflüssigen oberen Erkenntnismantel getragen. Unterhalb von diesem nun befindet sich nicht einfach Nichts, sondern die mächtige Schicht eines unteren Erkenntnismantels, der tragfähig und zugleich plastisch gestaltbar ist. Nach unten hin grenzt dieser Mantel an einen flüssigen Kern, der aus einem lebendigen Erfahrungsschatz der gegenwärtigen Welt und ihren Möglichkeiten und damit aus allem noch nicht Erkannten, aber potenziell Erkennbaren besteht. Hier versammeln sich alle Chancen wie Risiken der wirklichen Welt und ihrer Möglichkeiten. Diese sind nur einem radikal-imaginären Erkennen zugänglich, das sich seinerseits aus einem inneren Kern reiner Kreativität speist. Dieser Kern lässt sich in keiner Weise vergegenständlichen und kann deswegen nur widersprüchlich als eine »Bestimmtes ohne Bestimmendes« oder als ein »schöpferisches Nichts« charakterisiert werden. Er ist reich an Potenzial, aber leer an bereits Erkanntem und Begriffenem. Cornelius Castoriadis etwa bezeichnet ihn als »Magma« und verweist auf dessen gesellschaftlichgeschichtliche Dynamik als »unerschöpfliche Quelle von Neuem in der Geschichte und nie erlahmende Triebkraft der Selbstveränderung der Gesellschaft«.

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      2 Geologie des Erkennens

       DER PREKÄRE STATUS DER STANDARDÖKONOMIE

      Überträgt man das Zwei-Schichten-Paradigma der Eisbergmetapher auf jene der Vier-Schichten-Imagination der Geologie des Erkennens, so wird deutlich, dass ersteres nur auf die äußersten und dünnsten Schichten menschlichen Erkennens abstellt. Darunter hingegen befindet sich Terra incognita: ebenso unerforschte wie unentwickelte, weil verschüttete Habitate des Erkennens. Zugleich wird der grundsätzlich prekäre Status dieser beiden Schichten deutlich: Solange sie wie versteinerte und verkruste Strukturen den gesamten Erkenntniskörper umschließen, kann sich die Dynamik des Magmas in dessen Tiefe nur in Form fundamentaler Erschütterungen oder explosionsartiger Ausbrüche ihren Weg an die Oberfläche bahnen. Denn weder können diese

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