Economists4Future. Группа авторов

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Economists4Future - Группа авторов страница 10

Economists4Future - Группа авторов

Скачать книгу

behandelt. Für sie zahlt niemand oder leistet einen Ausgleich, obwohl die Entscheider*innen doch gleichzeitig die Verursacher*innen sind. In den meisten Fällen, in denen die Auswirkungen nicht ausgeblendet werden, werden sie einzig wieder zu Verwertungszwecken in die Ökonomie integriert, nachzuvollziehen etwa an den Emissionsmärkten. Diese, schon im wörtlichen Sinne verantwortungslose, Grunddefinition der Ökonomie ist mit den immer bedrohlicheren Umweltschäden nicht mehr durchhaltbar. Wer darauf hinweist, oder gar die Forderung nach der Begrenzung von Wirtschaftswachstum erhebt, erlebt geradezu erpresserische Abwiegelungen, die nur möglich sind, weil zwischen Bewirtschaftung und Ökonomie nicht unterschieden wird: Es werden Drohszenarien zu deflationären Entwicklungen entworfen, Krisen und Arbeitslosigkeit prognostiziert, Kollapsdystopien ausgemalt und too-big-to-fail-Ansprüche gestellt. Aber Wirtschaftswachstum ist nicht gleichzusetzen mit ökonomischem Wachstum. Auch dies wird an der Corona-Pandemie wie durch ein Brennglas deutlich, wenn auf einmal in Erwägung gezogen wird, dass es Wirtschaftsbereiche geben kann, welche der Konkurrenzökonomie entzogen werden. Dies zeigt: Ob und welche wirtschaftlichen und hier insbesondere physischen Ressourcen der derzeit praktizierten ökonomischen Verwertungspraxis unterliegen, ist letztlich eine Frage politischer Entscheidungen und keine unausweichliche Gegebenheit ökonomischer Zwangsgesetze.

       ZUM PROBLEM DER WIRTSCHAFTSAKTEURE

      Auch die verzwickte Situation der Wirtschaftsakteure wird als eine quasinatürliche behauptet. Die Kernargumentation ist hier doppelt gelagert: Erstens wird unterstellt, dass eine Begrenzung von Bedürfnissen »natürliche« Ursachen hätte. Und zweitens seien Wirtschaftsakteure auch in ihrer Verwendung ihrer Mittel eingeschränkt, da die Ressourcen des Planeten nun einmal endlich seien. Hier werden die persönliche und die gesellschaftliche Ebene ganz gezielt vermischt und darüber hinaus mit physischen Vorgängen kombiniert: Bei der ersten Argumentationslinie – dass eine Begrenzung der Bedürfnisse eine »natürliche« Ursache hätte – wird auf ernährungsphysiologische Vorgänge insistiert, welche für alle Lebewesen gelten, und daraus ein »Gesetz« postuliert. Dieses »Sättigungsgesetz« wird den Studierenden mit dem Verspeisen von Schwarzwälder Kirschtorte oder dem Trinken von Bier eingetrichtert – ein Magen lasse nun einmal nur eine begrenzte Bedürfnisbefriedigung zu. Und für das zweite Argument – eine quasinatürliche Begrenzung der Mittel – werden die Student*innen sprichwörtlich in die Wüste geschickt, damit sie am sogenannten »Wasser-Diamant-Paradox« einsehen, dass Knappheit situativ als »natürliche« und gleichzeitig »persönliche« hinzunehmen sei – Diamanten seien nun mal selten, und je nach persönlicher Situation könne es auch Wasser sein. Beide Vermengungen – gepaart mit fragwürdiger Personifizierung – sollen gleichzeitig erforderliche Grenzziehungen begründen. Sowohl die Minimum-Grenze (»Sättigung«) wie die Maximum-Grenze (»begrenzte Mittel«) sind Voraussetzung für die mathematische Umsetzung dieses Konzepts – als Grenzwertberechnung.

      Wählt man jedoch Wasser statt Bier als Beispiel in der Sättigungsfrage, würde die Frage sofort in die einer notwendigen Versorgung in der Zeit umschlagen. Es würde auf einen der Bereiche rekurriert werden, die man vor ihrer Einverleibung in die Verwertungsökonomie noch als »Versorgungswirtschaften« behandelte. Diese wurden in der Corona-Pandemie zwangsläufig wieder neu »entdeckt«, womit wiederum das gleichmachende Reflexionsproblem angedeutet wird, dem die Wirtschaftsakteure unterliegen: Ob Pflegekraft, Chirurg*in, Diamantschleifer*in oder Börsenmakler*in – es findet keine Differenzierung statt. Es wird weder zwischen Versorgungswirtschaft und übriger Realwirtschaft unterschieden noch zwischen Realökonomie und Finanzökonomie. Diese Gleichstellung unterschiedlicher Bereiche geschieht durch die Konstruktion einer raum- und zeitlosen Allokationstheorie. Die Pandemie verdeutlichte diese Fiktion einmal mehr, weil sie offenbar macht, dass zwischen der Versorgungsökonomie, der darauf aufbauenden Realwirtschaftsökonomie und der Finanzökonomie ein hierarchisches Verhältnis besteht.

      Doch selbst jetzt, während wir die Auswirkungen von Corona zu fassen versuchen, wird dies nach wie vor nicht problematisiert und die damit einhergehenden Verwerfungen kaum thematisiert: Neben dem Gesundheitssystem, das Teil der Versorgungsökonomie ist und dem wegen existenziell sichtbarer Mängel nachdrücklich Besserung versprochen wurde, geriet auch die Landwirtschaft in die Schlagzeilen. Die sichtbar gewordenen Missstände und Schräglagen wurden dabei aber kaum infrage gestellt. Der Laie erfuhr im März 2020, dass es für die Ernte in Deutschland genauso viele Arbeitsmigrant*innen braucht, wie es überhaupt Landwirt*innen mit über zehn Hektar Fläche in Deutschland gibt – circa 200 000. Statt Fragen dazu aufzuwerfen, galt es stur, die »deutsche Ernte« zu retten, wozu Mitte März beschlossen wurde, die vom Bundesinnenministerium verhängte Einreisesperre für Arbeitsmigrant*innen wieder aufzuheben – die verhängt worden war, obwohl diese aus Ländern wie Rumänien kamen, die zu diesem Zeitpunkt nur sehr geringe Corona-Fallzahlen aufwiesen. Arbeitsmigrant*innen wurden also in das von der Virus-Pandemie erfasste Deutschland rekrutiert und arbeiteten – in Massenunterkünften oder gar Containern untergebracht – zum üblichen Mindestlohn, nur um den Deutschen den sonntäglichen Spargel zu ernten. Der politische Wille, ökonomische Prozesse zum Wohle der Gesundheit zeitweilig anzuhalten, wurde hier nicht nur nicht an den Tag gelegt, er wurde den osteuropäischen Arbeitsmigrant*innen aktiv verweigert, ihnen wurde sogar das Gegenteil zugemutet: Ökonomische Vernutzung trotz des Wissens um die gesundheitlichen Gefahren.

      Kaum jemand stellte zudem die Frage, warum und auf welcher Basis Deutschland viertgrößter (!) Spargelproduzent der Welt ist. Es waren weder Politiker*innen noch Ökonom*innen, sondern zum Beispiel der Pfarrer Peter Kossen, der am 2. März an das hier bestehende System voller politischer, ökonomischer und sozialer Verwerfungen erinnerte, das in der Landwirtschaft nicht nur für Spargel und Erdbeeren gilt, sondern ebenso auch für Schlachthöfe. In Kirche+Leben startete er daher den Aufruf:

       »›Will man einfach zusehen, wie Lücken geschlossen werden und die Ausbeutungsmaschinerie für billiges Fleisch weiterläuft oder ist jetzt nicht der Zeitpunkt, die Räder anzuhalten und den Systemwechsel herbeizuführen?‹, fragt Kossen. Das System einer Wertschöpfung, die weitgehend auf der Ausbeutung von Arbeitsmigranten aufgebaut ist, sei krank und mache krank. ›Die Abkehr von diesem kranken System ist längst überfällig!‹«

      Ebenso wenig wurden und werden die umweltbezogenen Folgeschäden solcher landwirtschaftlicher Praxis thematisiert. Diese waren während der Corona-Pandemie keineswegs verschwunden, nur spielte die Ausnahmesituation im März 2020 der Bundesregierung in die Hände: Zwei Wochen nach Beginn der Pandemie verabschiedete der Deutsche Bundesrat am 27. März die neue Düngeverordnung, wegen der Landwirt*innen noch im Herbst 2019 mit ihren Trecker-Demos für Schlagzeilen gesorgt hatten. Was hat die Bundesregierung – nun ganz ohne Demonstrationswiderstand – da verabschiedet?

      In der intensiven Landwirtschaft sind die Landwirt*innen das unterste Glied in der Hierarchie der Konkurrenzökonomie. Für ein Kilogramm Schweinefleisch bekamen sie 2018 etwa 1,50 Euro. Das entspricht circa drei Euro Gewinn pro Schwein nach Abzug aller Kosten, was zu immer größerer Massenproduktion verleitet, einfach um die geringen Einnahmen durch erhöhte Mengen auszugleichen. Damit steigt auch die Menge der anfallenden Fäkalien, deren Ausbringung zu höheren Nitratbelastungen führen. Zwar hatte die EU Deutschland wiederholt verwarnt, aber die Bundesregierung hat gestellte Fristen immer wieder verstreichen lassen. Also hieß es Ende 2019 seitens der EU: Sollte die Düngeverordnung nicht den Forderungen angepasst werden, drohen Deutschland Strafzahlungen von bis zu 860 000 Euro – pro Tag! Das entspricht über 300 Millionen Euro im Jahr.

      Das Ausmaß struktureller Verwerfungen ist hier also noch verheerender als im Spargel-Beispiel: Deutschland ist, nach China und den USA, der drittgrößte (!) Schweinefleischproduzent der Welt und weltweit sogar der größte Schweinefleischexporteur. Mit über 27 Millionen Schweinen fallen so im Jahr – zusammen mit den anderen Tierbeständen – über 200 Millionen Kubikmeter Gülle und Jauche an, die irgendwo hinmüssen. Die landwirtschaftliche Nutzfläche beträgt in Deutschland aber nur 16 Millionen Hektar (in China 520 und in den USA 406 Millionen Hektar).

      Von

Скачать книгу