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Silja Graupe ist Ökonomin wie Philosophin und Gründungsmitglied der die Wirtschaftswissenschaften vom Kopf auf die Füße stellenden Cusanus Hochschule für Gesellschaftsgestaltung.

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      »Weit wesentlicher für die Zukunft aber wird sein, diese ›reine Lehre‹ endlich umzustellen auf eine realistische Ökonomik, in der die ökonomischen Entwicklungen und deren Folgen und die eigene Gestaltungskraft reflektiert werden. Hierin stehen Ökonom*innen in der Verantwortung, der sie sich nicht entziehen können.«

      Katrin Hirte

image DAS DOPPELTE REFLEXIONSPROBLEM

      Wie die Ökonomik ihren Gegenstand verfehlt und sich ihrer Wirkung auf ihn entzieht

      In diesem Beitrag wird die These vertreten, dass in den Wirtschaftswissenschaften ein grundsätzliches und zugleich doppeltes Reflexionsproblem besteht. Es ist mitverantwortlich für die mittlerweile desaströsen Folgen des Wirtschaftens – fatal für den Großteil der Menschen auf der Erde und katastrophal für den Zustand des Planeten.

      Dieses Reflexionsproblem besteht zuerst in einer unreflektierten Gleichsetzung: Die Bewirtschaftung der Erde als Sphäre des Ressourcenumgangs wird mit der Sphäre der Ökonomie als Organisations- und Regulationsstruktur dieses Umgangs gleichgesetzt. Dies ermöglicht es, ökonomische Verhältnisse als quasinatürliche zu vermitteln. Nichts signalisiert dieses Problem so deutlich wie der beliebte Begriff »Marktwirtschaft«: »Wirtschaft« steht für die Sphäre des Bewirtschaftens und »Markt« für die Sphäre der ökonomischen Regelung dieses Wirtschaftens – wobei »Markt« im heutigen Ökonomieverständnis sogar synonym für eine angebliche Selbstregelung dieser Sphäre steht. Aber Bewirtschaftung gleicht eben nicht automatisch einer Marktökonomie, genau wie Produktionsmittel nicht automatisch Kapital sein müssen und Arbeit nicht Lohnarbeit sein muss. Vielmehr wurde die Bewirtschaftung der Ressourcen der Erde durch die Menschen in eine Marktökonomie umgewandelt. Die Regelungen dazu haben hauptsächlich Ökonom*innen geschaffen.

      Hierin besteht das zweite Reflexionsproblem der Ökonomik: Sie blendet ihre eigene aktiv mitgestaltende Rolle in diesem Prozess aus – sei es hinsichtlich der Bestimmung dessen, was ein Bruttosozialprodukt ist, der Festlegung, welche Regeln für Unternehmen gelten, oder der Entwicklung von Berechnungsformeln für Finanzmarktprodukte. Durch all diese Bestimmungen werden sowohl die Bewirtschaftungssphäre als auch die ökonomische Sphäre mitgestaltet, denn Wissen webt sich beständig in das Geschehen der Gesellschaft ein. Dass darin eine gestaltende Kraft liegt, nimmt die Ökonomik nicht zur Kenntnis.

      Die Vorstellungen zur Organisations- und Regulationsstruktur des Wirtschaftens gehören zu einer zweiten Reflexionsebene, die in der Soziologie als »Konzepte zweiter Ordnung« bezeichnet werden. Solche Konzepte werden seitens der Wissenschaften entwickelt, werden aber zu »Konzepten erster Ordnung«, wenn sie, so Anthony Giddens, »innerhalb des gesellschaftlichen Lebens angeeignet werden«. Dann bilden diese Konzepte erster Ordnung die Sphäre der Ökonomie als den Bereich, der über die Art und Weise der Bewirtschaftungsvorgänge entscheidet. Sie entscheiden somit über den Umgang mit Ressourcen, über Verteilung, über Verantwortlichkeiten und ähnliches mehr und tun dies mittels eigener dafür geschaffener Institutionen – ob Organisationen, Ämter oder Gesetze.

      Bei dieser Differenzierung geht es weder um Spitzfindigkeiten bei der Wortwahl noch um eine Suggestion, dass es einfache Antworten auf die drängenden Probleme gäbe, die aus den Folgen einer derzeit fast ungezügelten Ökonomisierung auf der Erde entstanden sind – und aktuell durch die Corona-Pandemie noch verschärft werden. Sondern es geht darum, den Unterschied zu verdeutlichen: Bewirtschaftungssphäre und ökonomische Sphäre sind nicht deckungsgleich. Und gerade die Auswirkungen der Pandemie machen überdeutlich, dass zwischen diesen Bereichen unterschieden werden muss. Denn ausgerechnet in dieser Krisensituation wird das praktiziert, was in »Normalsituationen« undenkbar erscheint: Per politischem Beschluss werden geltende ökonomische Regularien, die bislang als keinesfalls veränderbar galten – einfach geändert. Gleichzeitig tritt dadurch zutage, wie stark diejenigen Bewirtschaftungsbereiche, die der direkten Versorgung des Menschen dienen, bereits in die ökonomische Sphäre involviert worden sind – mit negativen Folgen, wie aktuell angezeigt am Bereich Gesundheit und Pflege.

      Diese missliche Gemengelage hat mit der nicht vollzogenen Grundunterscheidung zwischen Bewirtschaften und Ökonomie zu tun. Denn mit der stillschweigenden Identifikation von Bewirtschaftungs- und ökonomischer Sphäre änderte sich auch die Zielsetzung in jener erstgenannten Sphäre. Dies ist schon an der Wortherkunft erkennbar: Be-wirt-schaften bezeichnet den Vorgang, bei dem Menschen mit dem haushalten, was sie in die »Bewirtung« ihrer selbst und ihrer Umwelt einbeziehen. Schon die griechische Auffassung von Oikonomia umfasst das Behüten beziehungsweise Regeln (nemein) des Haushaltes (Oikos). Die Chrematistik, also der Gelderwerb, wurde davon unterschieden. Heute umfasst Ökonomie hingegen alles, was Menschen institutionalisiert haben, um dieses Wirtschaften regelgeleitet und mit dem Ziel des Gelderwerbes umzusetzen. Es basiert auf Kapital, dem Privateigentum an allen Ressourcen, mit dem es gelingt, aus dem Bestehenden ein Mehr zu schaffen. Daher ist die heute so gerne herangezogene »Marktwirtschaft« nichts anderes als eine Kapitalwirtschaft beziehungsweise – in klassischer Ausdrucksweise – ein Kapitalismus. Bereiche der sozialen Versorgung, wie Gesundheit, Energie, Verkehr und dergleichen, sind in dieser Ökonomie nur dann interessant, wenn sie auch ökonomisch interessant sind, also wenn sie in das Regelwerk des Kapitalismus einverleibt werden, was gerade in den letzten Jahrzehnten gelang.

      Eine Abkehr von dieser Herangehensweise bedeutet daher eine Abkehr von dem grundsätzlichen Denken, das mit der heutigen Ökonomik transportiert wird und bei dem die Vermischung von Bewirtschaften und Ökonomie eine zentrale Rolle spielt. Erschwert wird eine Lossagung von dieser Vermengung durch eine apodiktische und noch dazu unhaltbare Wissenschaftsauffassung in der Ökonomik: In der Einbildung, dass in den Sozialwissenschaften ebenso wie in den Naturwissenschaften unumstößliche Gesetze gelten würden, wird einem Phantom nachgejagt. Dabei ist man gerade in den Naturwissenschaften bereit, zuvor angenommene Auffassungen mit wachsenden Einsichten aufzugeben – ob es um einen geobasierten Bezug in der Astronomie geht oder einen feststehenden Raum-Zeit-Bezug in der Physik. Mit diesem Vorgehen werden in den Naturwissenschaften sukzessive neue Zusammenhänge entdeckt. In den Sozialwissenschaften besteht die Herausforderung darin, dass sich geltende Auffassungen mit dem gesellschaftlichen Fortkommen mitentwickeln müssen. Beiden Arbeitsweisen verweigert sich die Ökonomik seit Jahrzehnten. Wie dies erfolgt und welche verheerenden Auswirkungen daraus resultieren, wird nachstehend zu drei Schwerpunkten verdeutlicht: Zuerst wird die Grundauffassung der Ökonomie beleuchtet, dann die Position der Wirtschaftsakteure problematisiert und schließlich die Rolle des Staates befragt.

       ZUR GRUNDAUFFASSUNG DER ÖKONOMIE

      Die Vermischung von Bewirtschaften und Ökonomie beginnt schon auf der grundsätzlichen Ebene. Ökonomie wird in den gängigen Lehrbüchern definiert als »Wissenschaft vom Einsatz knapper Ressourcen zur Produktion wertvoller Wirtschaftsgüter«, nachzulesen etwa bei Paul Samuelson und William Nordhaus und zurückzuverfolgen sogar bis in die 1930er-Jahre, als Lionel Robbins diese Definition aufgestellt hat. Die Entscheidung darüber, welche Güter wertvoll sind und wie der Einsatz von Ressourcen organisiert ist, treffen nach dieser Diktion »Wirtschaftsakteure«.

      Bei dieser Grundannahme – Ökonomie als Wissenschaft von Entscheidungen zwischen Zwecken und knappen Mitteln seitens der Wirtschaftsakteure

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