Kursbuch 203. Группа авторов

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Kursbuch 203 - Группа авторов Kursbuch

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ist Feind, immer und überall. Es gibt keine Bedingungen, unter denen wir aufhören dürfen, gegen ihn anzukämpfen, auch nicht auf einem gut ausgerüsteten Schiff, das in den Weiten des Ozeans bestens davor geschützt wäre, die Infektion dorthin zu tragen, wo sie andere Menschen erreicht, die ihr nicht den gleichen Widerstand entgegensetzen können wie die Mitglieder der französischen Besatzung.

      In die Köpfe brennt sich die zu Beginn schon erwähnte Metaphernsprache des Krieges und das Bild eines »typischen« Infizierten, der auf einer Intensivstation mit unsicherem Ausgang beatmet wird. Dass die meisten Covid-19-Kranken »nur« fiebern und husten, die Infektion oft auch fast symptomlos verläuft, spielt für die diffuse Angst der Bürger keine Rolle.

      In der kriegerischen Rhetorik von der »dunkelsten Stunde der Menschheit«, der »größten Gefahr« wird die Kränkung eines globalisierten Größenwahns fassbar, dass ein mikroskopisch kleines Eiweißbündel das ganze Getriebe stoppen kann. Mikroben sind Teil der Natur, viele sind nützlich, andere gefährlich, aber wie einen Feind »besiegen« können wir sie niemals.

      Die kriegerische Metapher bereitet unser Denken und Fühlen nicht darauf vor, die Ambivalenz der Infektion zu erkennen: Überstehe ich sie, bin ich gegenwärtig und noch so lange, bis eine gute Impfung entwickelt wird, wenn nicht immun, dann aber doch einen großen Schritt weiter. Das Todesszenario, das die Berichterstattungen in hohem Maß prägt, ignoriert diese Ambivalenz. Es ist kalt und dramatisch, es lässt keinen Raum für Erfolgsgeschichten, Zuversicht oder auch nur für den integrativen Gedanken, als Mensch Teil der Natur zu sein und ihr nicht feindlich gegenüberzustehen.

      Quarantäne weckt den Blockwart in Männern wie Frauen. Sie lässt gegen Leichtsinn polemisieren und behaupten, wer sich optimal zurückziehe, sorge dafür, dass der Spuk schnell verschwindet. Auch wenn private Feiern in einem gewissen Rahmen wieder erlaubt sind: Wer durch ein Fenster erspäht, dass drinnen Freunde feiern, ruft schon mal die Polizei.

      Blinder Glaube an den Götzen der Todesvermeidung für alle und um jeden Preis hat die Macht übernommen. Und in jungen Menschen, in denen der Drang zum Amüsieren steckt, entlädt sich der Frust, wenn die Polizei versucht, Regeln durchzusetzen, wie etwa jüngst auf dem Frankfurter Opernplatz oder in der Stuttgarter Innenstadt. Wenn es noch einen Beweis für die Entbehrlichkeit des realen Helden in der Konsumgesellschaft braucht: Das Jahr 2020 lieferte ihn. Die Kirchen, in denen wir immerhin noch Bilder eines gekreuzigten und auferstandenen Helden sehen könnten, waren lange Zeit geschlossen.

      Der Vergleich mit historischen Seuchen wie der Pest ist schief. In der Antike oder im Mittelalter wäre eine Infektion, welche fast alle Gesunden überleben, nicht einmal der Geschichtsschreibung überliefert worden. Damals fehlte die heute umfangreiche Gruppe chronisch Kranker, die keine zusätzliche Schädigung mehr vertragen können (und die, statistisch korrekt, aber im Einzelfall oft voreilig, mit den Alten gleichgesetzt werden).

      Abgesehen von Diktatoren, die ihre Medien gut unter Kontrolle haben, begann im März 2020 eine manchmal absurde Konkurrenz, wer eine Quarantäne, die das öffentliche Leben lahmlegt, radikaler durchsetzt als der andere. Frische Luft, das Vitamin der Lunge, wurde in einigen Staaten zur verbotenen Frucht, weil den Menschen nicht zugetraut wurde, vernünftige Sicherheitsregeln zu befolgen und beim Spaziergang Distanz zu halten.

      Freiheiten wurden im Dienst der Sicherheit abgeschafft, weil sich kein demokratischer Politiker leisten kann, dass ihm das Wählervolk den Tod von Angehörigen zuschreibt, den sein energischeres Handeln hätte vermeiden können. Darin eine Wende zur Humanität schlechthin zu sehen, wäre allerdings voreilig: Es ist ein Event, das Wählerstimmen sichert, nicht mehr und nicht weniger. Die Ereignisse bestätigen nur die Schwäche der Demokratie, wenn es darum geht, einen richtigen, aber unbeliebten Kurs zu steuern.

      In der Umweltpolitik ist das schon sehr lange nicht zu übersehen. Das Leben von Menschen zu gefährden, störte die Entscheider noch nie, solange der Tod als Opfer einer unvermeidlichen Verteidigung der eigenen Nation gerechtfertigt werden konnte oder aber erst nach einigen Wahlperioden zuschlagen würde. Wer Atomkraftwerke bauen lässt, ist mindestens so gefährlich wie der Leugner von Corona-Gefahren. Schon Karl Marx hat erkannt, dass »Nach uns die Sintflut« das durchgängige Motto des Kapitals ist, nicht das eines vom aufstrebenden Bürgertum gefährdeten Feudalherrn.

      Die Corona-Gefahr ist zum Tagesgeschäft geworden, sie ist aktuell. Wer denkt, der Shutdown und die ihm folgende Wirtschaftskrise entferne uns garantiert von der Macht des Kapitals, hat seinen Marx nicht studiert, denn Krisen und radikale Umbauten sind ganz und gar das Geschäft des Kapitalismus. Schon zaubern sich lohnende Perspektiven in die ökonomische Wüstenei. Schon die Tests sind ein gutes Geschäft, das die Aktien auf Kurs hält. Eine Impfung brächte den Profit des Jahrhunderts. Wer aber wird durchsetzen, dass die gegenwärtige Wachstumskrise durch das Einlenken auf den von der Klimakrise geforderten Kurs verarbeitet wird und nicht durch schnelleren, größeren Raubbau, wie es die bisherige Dynamik des Kapitals erfordert?

      Erstens die eilfertige Wiederherstellung des früheren Zustandes der instabilen Normalität des Konsumismus, zweitens eine passive Resignation, in der sich die Menschen an charismatische Führer anlehnen, oder drittens Einsicht in die grundlegende Endlichkeit des Lebens, die Entschleunigung und Solidarität mit sich bringt, verbunden mit einer neuen Identität als Erdenbürger, die ein gemeinsames Dach haben und alles tun müssen, dieses zu stützen.

      Anmerkungen

      1 Steven Taylor: Die Pandemie als psychologische Herausforderung. Göttingen 2020, S. 50.

      2 Olivier Del Fabbro: »Gebt mir einen Virus und ich werde die Welt aus den Angeln heben – ein philosophischer Kommentar«, in Charles Bonoy (Hrsg.): COVID-19. Ein Virus nimmt Einfluss auf unsere Psyche. Stuttgart 2020, S. 15–20.

      3 Peter Laudenbach: »Man schneidet an der Seele unseres Schaffens herum«, in: Süddeutsche Zeitung vom 23.04.2020.

      4 Daniel Sollberger: »Endlichkeit und Entschleunigung. Wie wird die Covid-19-Pandemie unsere Gesellschaft verändern?«, in: Charles Bonoy (Hrsg.): COVID-19. Ein Virus nimmt Einfluss auf unsere Psyche. Stuttgart 2020, S. 122 ff.

      Ebenfalls interessant im Hinblick auf das gesamte Themengebiet: Jonathan D. Quick: The End of Epidemics. The Looming Threat to Humanity and How to Stop It. New York 2018.

      Armin Nassehi

      Modi des (Über-)Lebens

      Passen wir überhaupt in diese Welt?

      Um den gesellschaftlichen Grundkonflikt der Moderne zu verstehen, lohnt sich ein Blick auf die Kritik der Moderne im Moment ihres Anfangs. In Deutschland wäre es vor allem die frühe Romantik, in Frankreich die Kritik an der Revolution etwa des Gegenaufklärers Joseph de Maistre. Die Grundmotive der Frühromantik kann man als eine Kritik an den Entzweiungen der Moderne paraphrasieren. Philosophisch, ästhetisch, religiös und im Naturverständnis kritisierte diese Bewegung um 1800 den Verlust von Einheit und suchte nach der Versöhnung des Entzweiten. Vor allem in Jena hat sich um 1800 um die Schlegel-Brüder, um Ludwig Tieck, Friedrich Wilhelm Schelling und Novalis eine Bewegung etabliert, die gegen die Differenzierungsprozesse der Moderne deren inneren Zusammenhang setzt, die Natur und Geist nicht als Gegensatz betrachtet, die eine Wiederbelebung des Religiösen gegen die Säkularisierung des Denkens setzt. All das ist nicht besonders tiefenscharf formuliert, aber es ist eines der wirkmächtigsten Motive der Modernitätskritik überhaupt

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