Kursbuch 203. Группа авторов

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Kursbuch 203 - Группа авторов Kursbuch

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auszuhalten, unterschiedliche Kontexte zu erleben, mit Perspektivendifferenz zu leben. Die frühromantische Grundidee ist daher nicht einfach eine rückwärtsgewandte Ideologie, sondern sie ist bereits eine Reaktion auf jene Modernisierungserfahrungen, in denen sich die Wissenschaften versachlichen und rationalisieren, der Staat zum Anstaltsstaat wird und sich die Frage nach der Vernunft von der Religion entfernt. Es ist der Versuch, die Welt als Einheit beschreibbar zu machen und den Ursprung aller Teile in einem aufheben zu wollen – und darin ist sie auf eine erstaunliche Art und Weise modern, was immer man darunter genau verstehen will.

      Selbstkritik der Moderne

      Es ist hier nicht der Ort, die Differenz dieser beiden Denkungsarten angemessen ideengeschichtlich zu rekonstruieren. Vielmehr ist das Motiv bemerkenswert, dass die Kritik der Moderne bereits in statu nascendi ein Motiv enthält, das die Grundkonflikte der westlichen Moderne seitdem ausmacht. Dieser Grundkonflikt ist der Konflikt um die Frage des Ortes, an dem die Einzelnen sich befinden. Wie findet der einzelne Mensch seinen Platz in einer Welt, deren Dynamik ganz offensichtlich solche Plätze nicht mehr einfach voraussetzen kann? Die Moderne scheint tatsächlich mit ihren entfesselten Prozessen, ihren akzelerativen Momenten und der Dezentrierung von Ordnungsbildung zumindest das Erleben von Ordnung schwieriger zu machen. Moderne meint hier keinen Fortschrittsmythos, auch keinen plötzlichen Epochenbruch, wie er in den gesellschaftlichen Selbstbeschreibungen dominiert, sondern eher das Ergebnis einer Entwicklung, die auf Komplexitätssteigerungen der Gesellschaft reagiert. Diese sind unstrittig und haben etwas mit der Verlängerung von Interdependenzketten zu tun, mit technologischem Wandel und wissenschaftlichem Fortschritt, nicht zuletzt mit der Verselbständigung funktionaler Logiken und ihres Eigensinns – nicht im Sinne eines allgemeinen Fortschritts, wie klassische Modernisierungstheorien und ihre politischen Instrumentalisierungen suggerierten, aber schon im Hinblick auf die Gesellschaftsstruktur. Der sinnfälligste Ausdruck solcher Veränderungen ist schon die quantitative Steigerung von fast allem.

      Das Überleben des Menschen

      Die heutige Selbstbeschreibung der Gesellschaft kulminiert mit den Katastrophen des 20. Jahrhunderts nicht mehr so sehr in der Frage des Überlebens primordialer Ordnungen, sondern in der Frage nach den Überlebensbedingungen der Menschheit – mit der Atombombe und im Kalten Krieg im Hinblick auf die Möglichkeit der militärischen Zerstörung aller menschlichen Lebensgrundlagen, heute im Hinblick auf den Klimawandel als Kulminationspunkt ökologischer Gefährdungen. Beide Gefahren sind reale Gefahren – aber auch auf einem Abstraktionsniveau, das nicht wirklich in die konkreten Konfliktlinien der Gesellschaft durchschlägt, selbst wenn sowohl die damalige Friedensbewegung als auch die heutige Klimabewegung zu den sichtbarsten Formen katastrophischer Proteste gerannen. Genau besehen aber gruppieren sich die Grundkonflikte der Gesellschaft wenigstens im industrialisierten Westen der Weltgesellschaft um die Frage, mit der ich diese Überlegungen eingeführt habe: mit der Frage nach dem Platz, den der Einzelne in solchen Gesellschaften hat oder beanspruchen kann. Es geht hier weniger um die Überlebensbedingungen der Menschheit als um das Überleben des Menschen als konkretem Exemplar.

      Das ist kein modernes Phänomen, sondern eines der Bezugsprobleme gesellschaftlicher Ordnungsbildung überhaupt. Alles Gesellschaftliche muss irgendwie dafür sorgen, menschliches Leben an sich binden zu können – das ist ein universales Bezugsproblem, für das es historisch sehr unterschiedliche Lösungen gab, die allesamt mit der Struktur der Gesellschaft selbst zu tun hatten. In frühen stammesgesellschaftlichen Formen wurde das Problem etwa durch eine spezifische Form der Anwesenheit und Reziprozität gelöst. Menschen lebten in kleinen Gruppen, und Tätigkeiten waren so aufeinander bezogen, dass sie die Kontinuität ihrer Tätigkeiten durch reziproke Formen der Arbeitsteilung

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