Philosophisches Taschenwörterbuch. Voltaire
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Philosophisches Taschenwörterbuch - Voltaire страница 17
In der Antike glaubte man, in den Himmel zu kommen bedeute hinaufzusteigen, aber man steigt überhaupt nicht von einer Weltkugel zu einer anderen hinauf, die himmlischen Weltkugeln befinden sich bald über uns, bald unter uns. Wenn wir also annehmen, Venus sei nach Paphos gekommen und kehre zu ihrem Planeten zurück, wenn dieser Planet schlafen gegangen ist, würde die Göttin Venus im Hinblick auf unseren Horizont keineswegs hinaufsteigen, sie stiege hinab, und man müsste in diesem Fall sagen, in den Himmel hinabsteigen. Aber in der Antike verstand man solche Feinheiten nicht. Sie hatte von allem, was mit Physik zu tun hatte, ungenaue, unsichere und widersprüchliche Begriffe. Man hat ungeheure Wälzer verfasst, um herauszufinden, wie man über sehr viele Fragen dieser Art dachte. Vier Wörter hätten jedoch genügt, sie haben nicht nachgedacht.
Eine kleine Anzahl von Weisen muss wie immer davon ausgenommen werden, aber sie kamen spät; nur wenige erklärten ihre Gedanken, und wenn sie es taten, haben die Scharlatane dieser Erde sie auf dem kürzesten Weg in den Himmel geschickt.
Ein Schriftsteller, den man, glaube ich, Pluche nennt, hat aus Mose einen großen Physiker machen wollen.* Ein anderer hatte zuvor schon Mose mit Descartes versöhnt und den Cartesius mosaïzans drucken lassen;* nach ihm hatte Mose als Erster die Wirbel und den Äther entdeckt. Doch bekanntermaßen hat Gott, der aus Mose einen großen Gesetzgeber, einen großen Propheten machte, keinesfalls einen Physikprofessor aus ihm machen wollen. Er belehrte die Juden über ihre Pflichten, aber lehrte sie kein Wort Philosophie. Calmet, der sehr viel zusammengetragen und niemals nachgedacht hat, spricht vom System der Hebräer.* Aber dieses ungehobelte Volk war weit davon entfernt, ein System zu haben, sie hatten ja noch nicht einmal eine Schule der Geometrie, schon der Name war ihnen unbekannt. Ihre einzige Wissenschaft waren die Gewerbe des Maklers und des Wucherers.
In ihren Büchern findet man über die Struktur des Himmels einige fragwürdige und unzusammenhängende Gedanken, die insgesamt eines barbarischen Volkes würdig sind. Ihr erster Himmel war der Luftraum, der zweite das Firmanent, woran die Sterne befestigt waren; dieses Firmament war ein fester Körper aus Eis und enthielt die himmlischen Gewässer, die aus diesem Reservoir zur Zeit der Sintflut durch Türen, Schleusen und Wasserfälle flossen.*
Oberhalb dieses Firmaments oder dieser oberen Gewässer befand sich der dritte Himmel oder das Empyreum, wohin der heilige Paulus entrückt wurde. Das Firmament war eine Art halbkreisförmiges Gewölbe, welches die Erde umspannte. Die Sonne drehte sich nicht etwa um einen Erdball, den sie nicht kannten. Wenn sie im Westen angelangt war, kam sie auf unbekanntem Wege wieder zurück in den Osten; und wenn man sie nicht sah, so war es, wie der Baron de Faeneste sagt, weil sie nachts zurückkam.*
Außerdem hatten die Hebräer diese Hirngespinste von anderen Völkern übernommen. Die meisten Nationen, ausgenommen die Schule der Chaldäer, betrachteten den Himmel als festen Körper. Die Erde, unveränderlich und unbeweglich, war von Osten bis Westen um ein gutes Drittel länger als von Süden nach Norden, von daher kommen die Ausdrücke Länge und Breite, die wir übernommen haben. Es ist leicht einzusehen, dass nach dieser Auffassung Antipoden unmöglich waren. Daher bezeichnet der heilige Augustinus die Idee der Antipoden als völlig absurd,* und Laktanz sagt ausdrücklich: Oder ist irgendeiner so albern, dass er glaubt, es gebe Menschen, deren Füße oberhalb der Köpfe sind? Und noch mehr von dieser Art.*
Der heilige Chrysostomos ruft in seiner 14. Predigt aus: Wo sind diejenigen, die da behaupten, die Himmel seien beweglich und ihre Form sei kreisförmig?*
Laktanz sagt außerdem im 3. Buch seiner Institutiones: Ich könnte Euch mit zahlreichen Gründen beweisen, dass es unmöglich ist, dass der Himmel die Erde umgibt.
Der Verfasser des Schauspiels der Natur* kann so lange, wie er will, Herrn le Chevalier sagen, dass Laktanz und der heilige Chrysostomos bedeutende Philosophen waren, man wird ihm erwidern, dass sie bedeutende Heilige waren und dass es keineswegs nötig ist, ein guter Astronom zu sein, um ein Heiliger zu werden. Man wird glauben, dass sie im Himmel sind, doch wird man zugeben, dass man nicht weiß, in genau welchem Teil des Himmels sie sich aufhalten.
CIRCONCISION – Beschneidung
Wenn Herodot erzählt, was er von den Barbaren, zu denen er gereist war, erfahren hat, erzählt er Albernheiten,* wie die meisten unserer Reisenden. So braucht man ihm nicht zu glauben, wenn er von den Abenteuern von Gyges und Kandaules spricht, von Arion auf dem Delphin und vom Orakel, das, befragt, was Krösus tun würde, antwortete, dieser koche eine Schildkröte im zugedecktem Topf – oder vom Pferd des Darius, das seinen Herrn zum König machte, indem es sich ihm als Erstem näherte, und von hundert anderen Märchen, die Kindern gefallen und die Rhetoriker sammeln.* Wenn er aber von den Dingen erzählt, die er gesehen hat, von den Sitten der Völker, die er untersucht, von ihrer Geschichte, die er zu Rate gezogen hat, spricht er doch zu Erwachsenen.
Es scheint, sagt er im Buch »Euterpe«, dass die Einwohner von Kolchis* ursprünglich aus Ägypten stammen, ich urteile aus eigener Anschauung und weniger vom Hörensagen, denn ich habe festgestellt, dass man sich in Kolchis wesentlich besser an die alten Ägypter erinnert, als man sich in Ägypten an die alten Gewohnheiten von Kolchis erinnert.
Die Bewohner der Ufer des Schwarzen Meeres behaupten, eine von Sesostris gegründete Kolonie zu sein, ich für meinen Teil vermute das ebenfalls, nicht nur, weil sie dunkelhäutig sind und gekräuselte Haare haben, sondern weil die Völker von Kolchis, Ägypten und Äthiopien die einzigen sind, die sich seit jeher haben beschneiden lassen; weil die Phönizier und die Bewohner von Palästina zugeben, dass sie die Beschneidung von den Ägyptern übernommen haben. Die Syrer, die heute die Ufer des Thermodon und Parthiens bewohnen, und ihre Nachbarn, die Makronen,* erklären, dass es noch nicht lange her ist, seit sie sich dieser ägyptischen Gewohnheit angepasst haben. Hauptsächlich deshalb hält man ihre Herkunft für ägyptisch. Was Äthiopien und Ägypten betrifft, bei denen diese Zeremonie jeweils sehr weit zurück reicht, wüsste ich nicht zu sagen, wer von beiden die Beschneidung vom anderen übernommen hätte, es ist indessen wahrscheinlich, dass die Äthiopier sie von den Ägyptern haben, wie umgekehrt die Phönizier den Brauch, die Neugeborenen zu beschneiden, abgeschafft haben, seit ihr Handel mit den Griechen zunahm.
Aus dieser Passage Herodots folgt klar, dass mehrere Völker die Beschneidung von Ägypten übernommen haben; aber keine Nation jemals behauptet hat, sie von den Juden erhalten zu haben. Wem kann man nun den Ursprung dieses Brauchs zuschreiben – der Nation, von der fünf oder sechs andere bekennen, ihn erhalten zu haben, oder einer anderen Nation, die weit weniger mächtig, weniger Handel treibend, weniger Krieg führend, versteckt in einem Winkel Arabiens lebend und niemals die geringste ihrer Gewohnheiten an irgendein anderes Volk weitergegeben hat?
Die Juden sagen, sie seien vormals aus Barmherzigkeit in Ägypten aufgenommen worden; ist es nicht wahrscheinlich, dass das kleine Volk einen Brauch des großen Volkes nachahmte und die Juden einige Sitten ihrer Herren annahmen?
Clemens von Alexandria berichtet, dass Pythagoras, als er durch Ägypten reiste, gezwungen war, sich beschneiden zu lassen, um zu ihren religiösen Mysterien zugelassen zu werden; man musste also unbedingt beschnitten sein, wollte man der Priesterschaft Ägyptens angehören. Diese Priester waren da, als Josef in Ägypten ankam, die Regierungsform bestand seit Langem, und man beachtete die antiken Zeremonien Ägyptens mit gewissenhafter Genauigkeit.
Die Juden geben zu, dass sie zweihundertfünf Jahre in Ägypten ansässig waren*, sie sagen, dass sie sich in diesem Zeitraum nicht beschneiden ließen; es ist folglich klar, dass die Ägypter während dieser zweihundertfünf Jahre die