Philosophisches Taschenwörterbuch. Voltaire

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Philosophisches Taschenwörterbuch - Voltaire

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als wahr ist, aber genauso weit vom Atheismus entfernt wie das Sein vom Nichts.

      Er reiste, um reich zu werden und zu disputieren, aber leider ist der Weg des Disputs dem des Reichtums genau entgegengesetzt, man schafft sich dadurch ebenso viele unversöhnliche Feinde, wie man Gelehrte oder Besserwisser findet, gegen die man argumentiert. Es gab gar keinen anderen Grund für das Unglück Vaninis. Sein Eifer und seine Grobheit im Disput brachten ihm den Hass einiger Theologen ein, und nachdem er eine Auseinandersetzung mit einem gewissen Francon oder Franconi hatte, versäumte es dieser Franconi, ein Freund seiner Feinde, nicht, ihn zu beschuldigen, ein Atheist zu sein und den Atheismus zu lehren.

      Dieser Francon oder Franconi war, unterstützt von einigen Zeugen, bei der Gegenüberstellung grausam genug, das aufrechtzuerhalten, was er bereits vorgebracht hatte. Vanini, der auf der Anklagebank saß, antwortete, als er gefragt wurde, was er über die Existenz Gottes denke, dass er ebenso wie die Kirche einen dreifaltigen Gott verehre. Er hob einen Strohhalm vom Boden auf. »Dieser Halm genügt«, sagte er, »um zu beweisen, dass es einen Schöpfer gibt.« Dann hielt er eine sehr schöne Rede über das Wachstum der Pflanzen und die Bewegung und die Notwendigkeit eines höchsten Wesens, ohne das es weder Pflanzen noch Wachstum gäbe.*

      Der Gerichtspräsident Grammont, der zu jener Zeit in Toulouse war, gibt diese Rede in seiner Geschichte Frankreichs wieder, die heute völlig vergessen ist, und derselbe Grammont behauptet aufgrund einer unbegreiflichen Voreingenommenheit, dass Vanini dies alles eher aus Eitelkeit oder Angst vorgebracht habe als aus einer inneren Überzeugung.

      Worauf kann sich diese verwegene und abscheuliche Einschätzung des Präsidenten Grammont stützen? Es ist doch offensichtlich, dass Vanini auf seine Antwort hin von der Anschuldigung des Atheismus hätte freigesprochen werden müssen. Was aber geschah? Dieser vom Pech verfolgte ausländische Priester beschäftigte sich auch noch mit der Medizin. Man fand bei ihm eine dicke lebende Kröte, die er in einem Aquarium hielt, und unweigerlich klagte man ihn daraufhin der Hexerei an. Man behauptete, diese Kröte sei der Gott, den er verehrte, und legte, was sehr bequem und allgemein üblich ist, in mehrere Passagen seiner Bücher einen gottlosen Sinn hinein, indem man Einwände als Antworten interpretierte, irgendwelche unklaren Sätze böswillig umdeutete und irgendeinen unschuldigen Ausdruck verdrehte. Schließlich rang die Partei, die ihn verfolgte, den Richtern den Urteilsspruch ab, der diesen Unglücklichen zum Tode verurteilte.

      Um seine Hinrichtung zu rechtfertigen, musste man diesen Bedauernswerten des abscheulichsten Verbrechens anklagen, das es überhaupt gab. Der sehr minderwertige Minderbruder Mersenne hat den Wahnsinn so weit getrieben, drucken zu lassen, dass Vanini Neapel mit zwölf seiner Jünger verlassen habe, um alle Völker zum Atheismus zu bekehren. Wie erbärmlich! Wovon hätte denn ein armer Priester zwölf Männern ihren Lohn zahlen sollen? Wie hätte er zwölf Neapolitaner dazu überreden sollen, mit hohem Kostenaufwand umherzureisen, um überall diese abscheuliche und empörende Lehre unter Einsatz ihres Lebens zu verbreiten? Wäre denn ein König mächtig genug, um zwölf Prediger des Atheismus zu bezahlen? Vor Pater Mersenne hatte niemand solch einen haarsträubenden Unsinn geäußert. Aber danach hat man es ihm nachgebetet, die Zeitungen und die historischen Lexika damit verpestet; und die Welt, die nichts so sehr liebt wie das Ungewöhnliche, hat dieses Ammenmärchen ungeprüft geglaubt.

      Bayle höchstselbst spricht in seinen Pensées diverses von Vanini als einem Atheisten: Er bedient sich dieses Beispiels, um sein Paradoxon zu beweisen, dass eine Gesellschaft von Atheisten lebensfähig ist; er versichert, dass Vanini ein Mann von großer Sittenstrenge war und zum Märtyrer für seine philosophische Ansicht wurde. Er irrt in beiden Punkten gleichermaßen. Der Priester Vanini lässt uns in seinen Dialogen, die er nach dem Vorbild des Erasmus schrieb, wissen, dass er eine Geliebte namens Isabelle hatte. Er war in seinen Schriften wie in seinem Lebenswandel ein Freigeist, aber er war kein Atheist.

      Ein Jahrhundert nach seinem Tod wollten der Gelehrte La Croze und jener, der sich Philalethes nannte, seine Unschuld beweisen; doch da niemand sich für das Gedenken an einen unglückseligen Neapolitaner interessiert, ein sehr schlechter Schriftsteller zudem, liest fast niemand diese Verteidigungsschriften.

      Der Jesuit Hardouin, der gelehrter als Garasse, doch nicht weniger vermessen war, beschuldigt in seinem Buch Athei detecti* Descartes, Arnauld, Pascal, Nicole, Malebranche allesamt des Atheismus; zum Glück erging es ihnen nicht wie Vanini.

      Von all diesen Fakten gehe ich nun zu der moralischen Frage über, die Bayle aufgeworfen hatte, nämlich ob eine Gesellschaft von Atheisten überhaupt lebensfähig wäre. Stellen wir zunächst einmal anlässlich dieses Artikels fest, wie sehr sich Menschen im Disput widersprechen können; haben doch diejenigen, die sich mit größter Erbitterung gegen die Ansicht Bayles gewandt haben, diejenigen, die ihm die Möglichkeit einer Gesellschaft von Atheisten mit den heftigsten Verunglimpfungen bestritten haben, seither mit der gleichen Kühnheit behauptet, dass der Atheismus in China Staatsreligion ist.

      Sie haben sich mit Sicherheit gewaltig geirrt, was die chinesische Regierung betrifft; sie brauchten dazu nur die Erlasse der Kaiser dieses ungeheuer großen Landes zu lesen, und sie hätten festgestellt, dass diese Erlasse Predigten sind und dass darin überall vom höchsten Wesen die Rede ist, das über alles herrscht, alles rächt, alles belohnt.

      Aber zugleich haben sie sich nicht weniger hinsichtlich der Unmöglichkeit einer Gesellschaft von Atheisten geirrt, und ich verstehe nicht, wie Bayle ein schlagendes Beispiel vergessen konnte, das seiner Sache zum Sieg hätte verhelfen können.

      Weshalb erscheint eine Gesellschaft von Atheisten unmöglich? Weil man der Auffassung ist, dass Menschen, denen man keine Zügel anlegt, niemals zusammenleben könnten, dass Gesetze allein nichts gegen heimliche Verbrechen vermögen, dass es einen rächenden Gott geben muss, der auf dieser Welt oder im Jenseits die Bösen bestraft, die der menschlichen Justiz entgangen sind.

      Zwar trifft es zu, dass Moses Gesetze nichts über ein künftiges Leben lehrten, nicht mit Strafen nach dem Tode drohten und die ersten Juden keineswegs die Unsterblichkeit der Seele lehrten, aber die Juden, weit davon entfernt, Atheisten zu sein oder zu glauben, sie könnten sich der göttlichen Vergeltung entziehen, waren die religiösesten aller Menschen. Sie glaubten nicht nur an die Existenz eines ewigen Gottes, sondern sie glaubten auch, dass er ständig unter ihnen sei; sie zitterten davor, dass sie selbst, ihre Frauen, ihre Kinder, ja ihre gesamte Nachkommenschaft bis in die vierte Generation bestraft würden, und diese Zügel waren sehr wirksam.

      Doch bei den Heiden kannten mehrere Philosophenschulen überhaupt keine Zügel. Die Skeptiker zweifelten an allem, die Schüler Platons enthielten sich jeglichen Urteils über alles, die Epikuräer waren davon überzeugt, dass die Gottheit sich nicht in die Angelegenheiten der Menschen einmischen könne, und im Grunde akzeptierten sie überhaupt keine Gottheit. Sie waren davon überzeugt, dass die Seele keine Substanz ist, sondern eine Fähigkeit, die mit dem Körper geboren wird und stirbt, folglich trugen sie kein Joch außer Moral und Ehre. Die römischen Senatoren und Ritter waren echte Atheisten, denn die Götter existierten nicht für Menschen, die von ihnen weder etwas befürchteten noch erhofften. Der römische Senat war also zur Zeit Cäsars und Ciceros tatsächlich eine Versammlung von Atheisten.

      Dieser große Redner sagte in seiner Verteidigungsrede für Cluentius vor dem ganzen versammelten Senat: Welchen Schaden fügt ihm der Tod zu? Wir lehnen all die albernen Märchen über die Unterwelt ab, was hat ihm also der Tod genommen? Nur die Fähigkeit, Schmerzen zu empfinden.

      Hält Cäsar, der mit Catilina befreundet war und das Leben seines Freundes vor eben diesem Cicero retten wollte, ihm nicht entgegen, dass es für einen Kriminellen gar keine Strafe ist, wenn man ihn tötet, sondern dass der Tod gar nichts ist außer dem Ende all unserer Übel und eher ein glücklicher Augenblick als ein unheilvoller? Lassen sich Cicero und der ganze Senat nicht von diesen Gründen überzeugen? Die Sieger und die Gesetzgeber der damals bekannten Welt bildeten also offenbar eine Gesellschaft von

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