Philosophisches Taschenwörterbuch. Voltaire

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Philosophisches Taschenwörterbuch - Voltaire

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und vier Hauptwinde, und weil Ezechiel nicht mehr als vier Tiere gesehen habe.* Er nennt diese Überlegungen einen Beweis. Man muss zugeben, dass die Art, in der Irenäus etwas beweist, genauso viel wert ist wie die von Justinus, in der er behauptete, etwas gesehen zu haben.

      Clemens von Alexandria spricht in seinen Electa* nur von einer Apokalypse des heiligen Petrus, von der man damals viel Aufhebens machte. Tertullian, ein großer Befürworter des tausendjährigen Reiches, versichert nicht nur, dass der heilige Johannes die Wiedererrichtung von Jerusalem und dieses tausendjährige Reich vorhergesagt habe, sondern er behauptet sogar, dass dieses Jerusalem schon beginne, sich in der Luft zu formen und dass alle Christen in Palästina und selbst die Heiden es während vierzig aufeinanderfolgenden Tagen am Ende der Nacht gesehen hätten. Doch unglücklicherweise verschwand die Stadt, sobald es hell wurde.

      Origenes zitiert in seinem Vorwort zum Johannesevangelium und in seinen Homilien* die Weissagungen der Apokalypse, aber er zitiert gleichfalls die Orakel der Sibyllen. Der heilige Dionysius, Bischof von Alexandria, der um die Mitte des 3. Jahrhunderts schrieb, sagt hingegen in einem seiner von Eusebios überlieferten Fragmente, dass fast alle Gelehrten die Apokalypse als ein Buch ablehnten, das sich von der Vernunft verabschiedet habe; dass dieses Buch nicht vom heiligen Johannes verfasst worden sei, sondern von einem gewissen Kerinthos, der sich eines großen Namens bedient habe, um seinen Träumereien mehr Gewicht zu verleihen.

      Das Konzil von Laodikeia, das um 360 abgehalten wurde, zählte die Apokalypse nicht zu den kanonischen Schriften. Es war recht seltsam, dass Laodikeia, wo es eine Gemeinde gab, an die sich die Apokalypse richtete,* einen solchen ihr zugedachten Schatz zurückwies; und dass der Bischof von Ephesus, der bei dem Konzil anwesend war, dieses Buch des Johannes, der doch in Ephesus begraben liegt, ebenfalls ablehnte.

      Für alle Augen war sichtbar, dass Johannes sich noch immer in seinem Grab bewegte, wodurch sich die Erde beständig hob und senkte. Jedoch waren sich die gleichen Leute, die meinten, dass der heilige Johannes nicht wirklich tot sei, genauso sicher, dass er die Apokalypse nicht verfasst hatte. Doch diejenigen, die an dem zukünftigen tausendjährigen Reich festhielten, waren in ihrer Auffassung unerschütterlich. Sulpicius Severus bezeichnet in seiner Heiligen Geschichte Buch 9* diejenigen, die die Apokalypse nicht anerkannten, als Wahnsinnige und Gottlose. Schließlich hat sich nach vielen Zweifeln, Einwänden und Gegenreden von Konzil zu Konzil die Auffassung von Sulpicius Severus durchgesetzt. Nachdem die Sache geklärt war, entschied die Kirche, dass die Apokalypse unbestreitbar vom heiligen Johannes stamme, womit es dagegen keinen Einspruch mehr geben kann.

      Jede christliche Gemeinschaft nimmt die in diesem Buch enthaltenen Prophezeiungen für sich in Anspruch; die Engländer haben darin die Revolutionen in Großbritannien gefunden; die Lutheraner die Wirren in Deutschland; die Reformierten in Frankreich die Regierung Karls IX. und die Regentschaft der Katharina von Medici: sie haben alle gleichermaßen recht. Bossuet und Newton haben alle beide die Apokalypse kommentiert; aber im Großen und Ganzen haben die eloquenten Ausführungen des einen und die bewundernswerten Entdeckungen des anderen ihnen mehr Ehre eingebracht als ihre Kommentare.

      ATHÉE, ATHÉISME – Atheist, Atheismus

      Früher lief ein jeder, der auf irgendeinem Fachgebiet über ein geheimes Wissen verfügte, Gefahr, als Hexer angesehen zu werden. So wurde auch jede neue Sekte bezichtigt, bei ihren Ritualen Kinder zu schlachten, und jeder Philosoph, der von der Begrifflichkeit seiner Schule abwich, wurde von den Fanatikern und den Schurken des Atheismus bezichtigt und von den Dummköpfen verurteilt.

      Wagt Anaxagoras etwa zu behaupten, dass die Sonne nicht von dem auf einem von vier Pferden gezogenen Wagen stehenden Apollon gelenkt wird, so nennt man ihn einen Atheisten, und er ist gezwungen zu fliehen.

      Aristoteles wird von einem Priester des Atheismus bezichtigt, und da er die Bestrafung seines Anklägers nicht erreichen kann, zieht er sich nach Chalkis zurück. Doch der Tod des Sokrates ist wohl das Schändlichste, was in der Geschichte Griechenlands je vorgekommen ist.

      Aristophanes*, dieser Mann, den die Kommentatoren so bewundern, weil er ein Grieche war, wobei sie nicht bedenken, dass auch Sokrates ein Grieche war, dieser Aristophanes also war der Erste, der die Athener auf den Gedanken brachte, Sokrates als Atheisten zu betrachten.

      Diesem Komödiendichter also, der weder komisch noch ein Dichter ist, würden wir heute noch nicht einmal erlauben, seine Farcen auf dem Jahrmarkt von Saint-Laurent aufzuführen. Er scheint mir noch viel gemeiner und verachtenswerter, als Plutarch ihn darstellt. Hier folgt nun, was der weise Plutarch über diesen Spaßvogel sagte: »Der Sprache des Aristophanes merkt man den armseligen Scharlatan an, der er war; seine Pointen sind äußerst gemein und abstoßend; nicht einmal dem Volk gefallen seine Stücke, und für Leute mit Urteilsvermögen und Ehrgefühl sind sie unerträglich, seine Arroganz ist nicht auszuhalten, und anständige Menschen verabscheuen seine Bosheit.«*

      Das ist, nebenbei gesagt, der Tabarin*, den Madame Dacier, die Verehrerin von Sokrates, zu bewundern wagt: Er ist der Mann, der aus sicherer Entfernung vom Geschehen das Gift zubereitete, mit dem dann niederträchtige Richter den tugendhaftesten Mann Griechenlands in den Tod schickten.

      Die Gerber, die Schuster und die Schneiderinnen von Athen applaudierten einer Farce, in der Sokrates in einem Korb in der Luft schwebt, aus dem er verkündet, dass es keinen Gott gibt, und sich dann rühmt, jemandem seinen Mantel gestohlen zu haben, als er ihn in Philosophie unterrichtete. Ein ganzes Volk, dessen schlechte Regierung einen derartigen Sittenverfall zuließ, verdiente sehr wohl, was ihm danach zustieß, nämlich zu den Sklaven Roms gemacht zu werden und heute die der Türken zu sein.

      Überspringen wir nun den gesamten zeitlichen Abstand, der zwischen der Römischen Republik und uns liegt. Die Römer, bedeutend klüger als die Griechen, haben keinen einzigen Philosophen wegen seiner Ansichten verfolgt. Bei den unkultivierten Völkern, die auf das Römische Reich folgten, ist es nicht so. Sowie Kaiser Friedrich II. Streit mit dem Papst hat, bezichtigt man ihn, Atheist zu sein und gemeinsam mit seinem Kanzler Petrus de Vinea das Buch von den drei Betrügern verfasst zu haben.*

      Unser großer Kanzler Michel de L’Hôpital braucht nur zu erklären, dass er gegen die Hugenottenverfolgung ist, und sofort bezichtigt man ihn des Atheismus. Homo doctus, sed verus atheos.* Ein Jesuit, der ebenso weit unter dem Niveau des Aristophanes steht wie Aristophanes unter dem Homers, ein Bedauernswerter also, dessen Name selbst bei den Fanatikern zum Inbegriff der Lächerlichkeit wurde, kurz, der Jesuit Garasse, entdeckt überall Atheisten. So nennt er einfach all jene, gegen die er wettert. Er bezeichnet sogar Théodore de Bèze als einen Atheisten, und er ist es auch, der die Öffentlichkeit über Vanini* in die Irre führte.

      Vaninis unglückliches Ende erfüllt uns nicht in gleicher Weise wie das von Sokrates mit Empörung und Mitleid, weil ja Vanini bloß ein ausländischer Besserwisser ohne besondere Verdienste war. Doch schlussendlich war Vanini keineswegs ein Atheist, wie behauptet wurde; er war gerade das genaue Gegenteil.

      Er war ein armer neapolitanischer Priester, Prediger und Theologe von Beruf, einer, der bis zum Exzess über die Wesenheiten und die Universalien* stritt; et utrum chimera bombinans in vacuo possit comedere secundas intentiones.* Aber darüber hinaus gab es bei ihm nicht die geringste Neigung zum Atheismus. Sein Gottesbegriff entspricht der herrschenden Lehrmeinung und wird in der Theologie allseits akzeptiert. »Gott ist Anfang und Ende, er ist Vater des Einen und des Anderen, er ist von beidem unabhängig, er ist ewig, ohne in der Zeit zu sein, allgegenwärtig, ohne an einem bestimmten Ort zu sein. Für ihn gibt es weder Vergangenheit noch Zukunft, er ist überall und außerhalb von allem; er regiert alles und hat alles geschaffen; er ist unbewegt, unendlich und ungeteilt; seine Macht ist sein Wille etc.«*

      Vanini rechnete es sich zur Ehre an, diese schöne Auffassung Platons zu erneuern, die später von Averroës übernommen wurde, dass Gott eine Kette von Wesen geschaffen hat, vom

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