Südwestfrankreich Reiseführer Michael Müller Verlag. Marcus X Schmid
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Südwestfrankreich Reiseführer Michael Müller Verlag - Marcus X Schmid страница 25
Alle Kriege und die Abadie’sche Renovierungswut unbeschadet überstanden hat der Glockenturm (wie in Périgueux zollte Abadie auch hier der Geschichte Respekt). Er gilt als einer der ältesten Frankreichs, die frühesten Partien im Unterbau dürften aus der Gründungszeit der Abtei stammen. Auch wenn es beim Anblick des Gesamtkomplexes nicht so aussieht: Der Glockenturm steht frei. Eine der Grotten befindet sich übrigens direkt darunter.
Relief in der Grotte der Abtei
Die Grotten im Kalkfelsen neben der Abtei sind erst seit jüngster Zeit wieder zugänglich. Hier und da sind noch die alten klösterlichen Taubenschläge zu sehen. Vogelmist war, als man den zweifelhaften Segen der chemischen Produkte noch nicht kannte, ein beliebter Dünger. In einem Teil der Grotten wird eine Forellenzucht betrieben. Größte Attraktion aber ist zweifellos die Grotte des Jüngsten Gerichts. Ein großes Wandrelief zeigt einen übermächtigen Gott, der über Gut und Böse zu Gericht sitzt. Der Meister dieses Werks, das ins 15. Jahrhundert datiert wird, ist unbekannt. Ein zweites Relief - mit mittelalterlichen Türmen im Hintergrund - stellt die Kreuzigung Christi dar.
♦ Eine Besichtigung der Grotten ist nur mit der Eintrittskarte zum Musée Desmoulin (s. u.) möglich - empfohlen!
Pierre de Bourdeille, genannt Brantôme (1539-1614)
Er gehört zu den illustren Figuren seiner Zeit: Pierre de Bourdeille, so genannt, weil er im Schloss von Bourdeilles (→ Bourdeilles) geboren wurde, oder Brantôme, wie er sich selber nannte, weil Brantôme ihn mit der Verwaltung der Abtei betraute und ihm so zeit seines ungeregelten Lebens zu einem geregelten Einkommen verhalf.
Aus gutem Haus und zur Theologie erzogen, wurde Pierre schon früh mit dem Titel eines „Abbé commanditaire“ der Benediktinerabtei von Brantôme ausgezeichnet und damit zum stillen Teilhaber der klösterlichen Einkünfte. Doch die Zeit war viel zu stürmisch, als dass er das religiöse Leben zu seiner Sache hätte machen können. Er zog es vor, in allerhand Kriegen mitzumischen, königstreu und stets auf der Seite der Katholiken. Man findet ihn überall in Europa, im Kampf gegen die Türken wie am Hof Maria Stuarts in Schottland. Gelegentlich aber schaute er auch zu Hause vorbei. So, als der berüchtigte Hugenottenführer Coligny sich 1569 anschickte, in Brantôme eines der Massaker zu veranstalten, für die er bei den Katholiken so gefürchtet war. Pierre de Bourdeille, dem Hugenottenführer so lange freundschaftlich verbunden, bis dieser zum Calvinismus konvertierte, stellte sich am Stadttor der Übermacht entgegen und überredete Coligny, Brantôme zu verschonen. Die Freundschaft siegte über die religiöse Doktrin, und die Kämpfer sollen den Abend gemeinsam mit einer getrüffelten périgourdinischen Gans beschlossen haben.
Sein unstetes Leben hätte Pierre de Bourdeille wohl weitergeführt, hätte ihm nicht ein unglücklicher Sturz vom Pferd einen Strich durch die Rechnung gemacht. Kampfunfähig geworden, zog er sich ins Schloss Richemont zurück, das er sich in der Nähe von Brantôme hatte erbauen lassen, und tat das, was große Männer in solchen Situationen tun: Er schrieb seine Memoiren. Seine Bücher, Sittengemälde der Zeit, sind heute Teil der französischen Literaturgeschichte. Sein bekanntestes Werk - „Les Dames Galantes“ - parliert etwas weitschweifig über die erotischen Gepflogenheiten an europäischen Höfen.
Im Gärtchen der Abtei thront eine Büste des schriftstellernden Abts von Brantôme (→ Kastentext „Pierre de Bourdeille“). Tu faisais librement jaser tes souvenirs, steht auf dem Sockel, was man salopp mit „Du hast deine Erinnerungen frei plappern lassen“ übersetzen könnte. So ungefähr ist sein Hauptwerk „Les Dames galantes“ entstanden.
Musée Desmoulin: An Stelle des lange diskutierten archäologischen Museums wurde in der Abtei ein kleines Museum zu Ehren des in der Nähe von Nontron geborenen Malers Fernand Desmoulin (1853-1914) eingerichtet - eine wunderliche Gestalt der französischen Kunstgeschichte.
Desmoulin hatte bereits einen gewissen Ruf als Porträtmaler (ausgestellt im Museum sind Konterfeis der Schriftsteller Emile Zola, Guy de Maupassant, Alexandre Dumas sowie des Präsidenten der 3. Republik, Raymond Poincaré), als er im Jahr 1900 an einer spiritistischen Sitzung teilnahm, die seiner Karriere eine neue Wendung gab. Tischrücken, Mesmerismus und dergleichen hatten damals nicht nur in Künstlerkreisen Hochkonjunktur. Desmoulin ging nach dem genannten Treffen in sein Atelier zurück, setzte seinen Stift auf den Zeichenblock und wartete auf die Eingebung des „Geistes“. Vielleicht war er aufgeregt, jedenfalls begann plötzlich seine Hand zu zittern, der Stift kreiste und kreiste über den Zeichenblock, bis schließlich ein zartes Frauenporträt aus den Tiefen des Papiers bzw. des Unterbewusstseins auftauchte. In der Folgezeit schuf der Maler eine ganze Serie dieser wunderlichen namenlosen Porträts, bis 1902 die okkulte Quelle versiegte und der Maler wieder zur „Normalität“ zurückfand.
Die Bilder wurden von Demoulins Witwe der Stadt Brantôme geschenkt. Klare Gliederung, kluge Begleittexte, professionelle Ausleuchtung - unsere Empfehlung.
♦ Mitte Febr.-März und Okt.-Dez. 10-12/14-17 Uhr, Di geschlossen. April/Mai 10-13/14-18 Uhr. Juni und Sept. 10-18 Uhr. Juli/Aug. tägl. 10-19 Uhr. Eintritt 6,50 € (Automat, der Eintritt kann nur mit Kreditkarte bezahlt werden!), die Besichtigung der Grotten ist im Preis inbegriffen.
Dolmen de Peyrelevade: Der „Tisch aus Stein“ (keltisch dol - Tisch, men - Stein) steht 1 km außerhalb des Orts an der Straße nach Thiviers: ein stummer Zeuge der jungsteinzeitlichen Besiedlung der Gegend. Mit den Dolmen der Bretagne kann er allerdings nicht konkurrieren. Ein Tischbein musste zur Erhaltung des Gleichgewichts erneuert werden; grüne Kletterpflanzen kaschieren die Prothese.
Basis-Infos
Postleitzahl 24310
Information Office de Tourisme, auf der Insel, in der ehemaligen Kirche Notre-Dame. Freundlich, gut mit Material bestückt und kompetent. Mitte Febr.-März und Okt.-Dez. 10-12 und 14-17 Uhr, Di geschlossen. April/Mai 10-13 und 14-18 Uhr. Juni und Sept. 10-18 Uhr. Juli/Aug. 10-18.30 Uhr. 2, rue Puyjoli de Meyjounissas, Tel. 05.53.05.80.63, www.perigord-dronne-belle.fr.
Hin und weg Busse nach Périgueux (3mal tägl., Sonntag 1-mal) und Nontron.
Parken kann an Wochenenden ein Problem sein. Ein mittelgroßer Parkplatz (gratis) findet sich an der Straße nach Périgueux, unmittelbar nach der Dronne-Überquerung.
Bootsausflug Die Rundfahrt auf der Dronne mit Les Croisièrees de Brantôme zeigt Brantôme von allen Seiten. Dauer ca. 50 Min., 8 €. Tel. 05.53.04.74.71.
Fahrräder Spad’Zone, 1 km nördlich von Brantôme (Richtung Angoulême). Verleih von Rädern, auch E-Bikes. Les Courrières, Tel. 05.53.08.02.65.
Kanu/Kajak Brantôme Canoë, an der Straße nach Thiviers, knapp nach dem Ortsende. 2er-Kanus und Kajaks. Geöffnet April-Sept. Tel. 05.53.05.77.24.
Allô Canoës, an der Straße nach Bourdeilles.