Südwestfrankreich Reiseführer Michael Müller Verlag. Marcus X Schmid

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Südwestfrankreich Reiseführer Michael Müller Verlag - Marcus X Schmid MM-Reiseführer

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X. Schmid

      Geboren und aufgewachsen in der Schweiz, im etwas öden Mittelland zwischen Zürich und Bern. Der fehlende Blick aufs Matterhorn oder in die Sonnen­stube Tessin hat seine spätere Reisetätigkeit erheblich be­günstigt. Studium in Basel, in Erlangen und im damaligen Westberlin, dort selbst die akademischen Weihen in Ger­manistik, Komparatistik und Politologie empfangen. Lebt und arbeitet freiberuflich als Autor und Übersetzer in der französisch­sprachigen Schweiz.

      Jedes Mal, wenn ich in Bordeaux bin, suche ich das Monument des Girondins auf, diesen großartigen Brunnen mit seinen allegorischen Szenen aus sich auf­bäu­men­den Rössern, triumphieren­den und ver­zweifelnden Menschen, und jedes Mal sehe ich den Brunnen mit neuen Au­gen. Auch die Marmor­statue von Mon­taigne am Platz sieht anders aus, seit­dem ich seine „Es­sais“ wieder ge­le­sen habe. Am liebsten wür­de ich den Philosophen und Ex-Bür­ger­meister der Stadt herunterholen von sei­nem hohen So­ckel, den der beschei­de­ne Mann wohl selbst zu hoch ge­fun­den hätte, und mit ihm ein biss­chen plaudern. Auf das Plaudern ver­stand sich Montaigne hervorragend, Ab­sichts­losig­keit als Methode. Viel­leicht ließe sich das auch auf meine Reise­tätigkeit übertragen: streunen, stau­nen und notieren.

      Reisen ist für mich stets eine Aus­ein­an­der­setzung, die damit beginnt, dass ich im Fremden Bekanntes und im schein­bar Bekannten das Fremde su­che. So gerät keine Reise zur Wieder­ho­lung einer frü­he­ren. Dieselben Ört­lich­keiten sind nicht mehr die­selben, ent­weder, weil sie selbst sich geändert haben, oder weil ich meinen Blick auf sie geändert habe. Man könne nicht zwei­mal in denselben Fluss stei­gen, fass­te vor mehr als 2500 Jahren der grie­ch­i­sche Philosoph Heraklit diesen schein­bar ba­nalen Sachverhalt zusam­men.

      Die Region im Profil

      „Südwestfrankreich“ ist weder ein geografisch klar umgrenztes Gebiet, noch ist es eine poli­tisch-administrative Einheit. Fasst man die fünf Depar­te­ments Dordogne, Gironde, Landes, Lot-et-Garonne und Pyrénées-Atlantiques als „Sud-Ouest“ zusammen, so ergibt sich ein Gebiet von 41.300 Qua­drat­kilometern, was ziem­lich genau der Fläche der Schweiz ent­spricht.

      ♦ Knapp 3,5 Millionen Menschen woh­nen in Südwestfrankreich - das sind weniger als in Rheinland-Pfalz.

      ♦ Die größte Stadt Südwestfrank­reichs ist Bordeaux mit 250.000 Ein­woh­nern, als Metropolregion zählt die Hauptstadt des Weines knapp 800.000 Einwohner.

      Über die Hälfte aller französischen Qua­litätsweine wird im Bordelais ge­kel­tert, das sind im Jahr rund 500 Mil­lio­nen Flaschen. Die berühmtesten Wei­n­schlös­ser liegen im Médoc, sie sind seit 1855 in fünf Kategorien klas­si­fi­ziert. Nur fünf Güter - darunter La­fite-Rothschild und Mouton-Rothschild - dürfen Pre­mier Cru Classé aufs Etikett schreiben. Derart geadelte Weine ruhen am bes­ten erst einmal ein paar Jahre im wohltempe­rierten Weinkeller. Weitere Spit­zen­produkte kommen aus dem Mit­tel­alter­städtchen Saint-Emilion, aber auch die Weine des nahen Bergeracois schme­cken vorzüglich. Am Fuß der Pyrenäen wird im Béarn ein kräftiger roter Madi­ran oder ein leichter weißer Jurançon getrunken, und selbst die Basken haben ihr kleines Anbaugebiet: Irouléguy.

      Ganz im Südwesten Südwestfrank­reichs sind die Basken zu Hause. Sie spre­chen nicht nur Französisch, son­dern auch Bas­kisch. Linguisten haben sich an die­ser rätselhaften Sprache und ihrer ver­trackten Grammatik die Zähne aus­ge­bissen - sie zeigt keinerlei Ver­wandt­schaft mit irgendeiner an­de­ren Sprache der Welt. Etxe huntako etxeko alabak iduri baitu arrosa heißt „Das Mädchen dieses Hauses gleicht ei­ner Rose“.

      Nachdem 1940 vier Jugendliche beim Spielen ein Loch im Boden und da­hin­ter eine reich ausgemalte Höhle ent­deckt hatten, strömte die Fachwelt nach Montignac im Périgord. Der Prä­his­tori­ker Henri Breuil feierte die stein­zeit­lichen Ma­le­rei­en der Höhle von Las­caux als „sixtinische Kapelle der Früh­zeit“, der Kulturphilosoph Georges Ba­tail­le entdeckte hier die „Ge­burt der Kunst“. Die originale Höhle ist für die Öffentlichkeit gesperrt, Be­su­cher müs­sen mit detail­ge­treuen Kopien - Las­caux 2 und Lascaux 4 - vorliebneh­men. Auf­regend schön.

      Angeblich wurde Rugby, das Spiel mit dem Lederei, im 19. Jahr­hundert in der englischen Stadt Rugby erfunden. Die Süd­west­franzosen ordnen es ein paar Jahr­hunderte früher ein, in die Zeit der englischen Besat­zung, die Eng­länder hätten das Spiel erst später auf ihre Insel ex­por­tiert. Auch der Stierkampf, die Cor­ri­da, zählt in Süd­west­frank­reich als Sport, ebenso die Cour­ses Landaises, bei de­nen ren­nen­de Kü­he die Haupt­rolle spie­len. Die Bas­ken wiederum ha­ben ih­ren ei­genen Sport und schlagen beim Pilota einen harten Gummi­ball ge­gen eine Stein­mauer.

      Essen wie Gott in Frankreich! Wenn Gott in Frankreich isst, setzt er sich ver­mutlich in Südwestfrankreich an den Tisch. Als Entrée empfiehlt sich Foie gras (Stopf­leber) von Gans oder Ente, eine Spe­zia­li­tät der péri­gour­di­ni­schen Küche, die jedem französischen Gour­met das Was­ser im Mund zu­sam­men­laufen lässt. Dann folgen Schenkel oder Brust des Geflügels, im Herbst mit Trüf­feln ver­feinert. Auch in den Landes ste­hen Ente und Gans jahraus, jahrein auf der Karte, manchmal auch Fasan. Im Becken von Arcachon wiederum sind die Austern­züchter zugange. Al­leine im Städtchen Gujan-Mestras ver­fügen sie über sieben Häfen. Gegessen be­zie­hungs­weise ge­schlürft wird die Auster am liebsten roh, in lebendem Zu­stand. Woody Allen („Ich esse nur tote Tiere“) verstand nichts davon. Mit etwas Zi­trone beträufelt, Graubrot und Butter dazu, schmecken sie her­vor­ra­gend. Ein Glas Champagner krönt die Vorspeise.

      Pinienduft statt Autoabgase in der Nase! Hinter der Küstendüne erstreckt sich Frankreichs größtes zusammen­hän­gendes Waldgebiet, das bis in Age­nais hineinreicht. Darin ist ein Netz von Fahrradwegen angelegt. Man ge­langt ohne große sportliche An­stren­gung von Bordeaux an die Küste nach Lacanau, von da bis an die Médoc-Spitze im Norden oder nach Hossegor im Süden, kann Abstecher ins Landes­innere machen - stets auf speziellen Fahrradwegen. Die Nord-Süd-Piste, die parallel zum Atlantik verläuft, ist Teil der „Vélodyssée“, des französischen Abschnitts einer Fahrradroute, die der­einst vom Nordkap bis an die Südspitze Portugals führen soll. Wer seinen Drahtesel zu Hause gelassen hat, findet an jedem Küstenort einen Fahrrad­verleih, der auch Räder für Kinder im Angebot hat.

      Perlen am Weg

      Lascaux, die Höhle im Vézère-Tal, ist dem Kulturphilosophen Georges Bataille zufolge der Ge­burt­sort der Kunst. Die dor­ti­gen Felsenmalereien sind laut jüngs­ten Forschungen über 20.000 Jahre alt. In Bordeaux wurde 2016 die „Cité du Vin“ eröffnet, ein kühner, kanten­loser Bau aus Glas und Alumi­nium, mit dem die Stadt ihre Offenheit für die Architektur des 21. Jahrhunderts markiert.

      Zeugnisse

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