Personal, Team- und Konfliktmanagement. Ute Reuter

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Personal, Team- und Konfliktmanagement - Ute Reuter

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nehmen eine Vorbildfunktion ein und haben über den Effekt der »emotionalen Ansteckung« die Möglichkeit, ihre eigenen Werte an die Mitarbeiter weiterzugeben. Rose geht davon aus, dass es sehr hilfreich ist, wenn Führungskräfte erwünschtes Verhalten vorleben und umschreibt das mit dem Begriff des »Walk the Talk« (Rose, 2019a: 76). Darunter ist zu verstehen, dass Personen mit Vorbildfunktion das umsetzen sollen, was sie vorschlagen und selbst nach den Werten leben sollen, die sie mündlich vertreten. Derartig gelebte Authentizität ist immens wichtig. Das wird auch im Interview mit Tobias Esch deutlich.

      Auszug aus einem Interview mit Prof. Dr. Tobias Esch, Universitätsprofessor und Leiter des Instituts für Integrative Gesundheitsversorgung und Gesundheitsförderung an der Universität Witten/ Herdecke, zum Thema Werte und Glücksempfinden.

      Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Dinge, die Führungskräfte gewährleisten müssen, damit ihre Mitarbeiter tatsächlich so etwas wie Glück im Rahmen der Arbeit empfinden?

      Prof. Dr. Esch: »Vor allem: authentisch sein! Das heißt nicht, immer gute Laune haben, trotzdem geht es darum, immer wieder auch positive Dinge zu betonen, sie aktiv zu benennen, Dankbarkeit und Wertschätzung auszudrücken. Es hilft, »die Tür offenzuhalten« – das fällt vielen schwer. Ziel ist es, erreichbar zu sein, aber vor allem im Sinne innerer Präsenz. Und es geht noch einen Schritt weiter: Viele Menschen in Unternehmen vermissen Transparenz: Anerkennung, aber auch konstruktive Kritik. Führungskräfte müssen nicht immer alles begründen, aber es hilft nachweislich, sich hier ein Stück weit »über die Schulter schauen zu lassen«. Die Leute wollen spüren, dass es keinen doppelten Boden, keine geheime Agenda gibt. Die Karten sollten offen auf dem Tisch liegen, Transparenz und Fairness sind die Schlüssel.

      Dazu gehört auch, für sich persönlich einen Wertekanon zu definieren, nach dem man konsequent führt. Das sind nicht diese platten Leitsprüche oder Pamphlete mit Phrasen, die eh keiner liest. Es geht vielmehr um ein Tun, um einen mir gemäßen, ethischen Rahmen, an den ich mich konsequent halte und mit dem ich auch auf meine Mitarbeiter schaue. Und an dem diese mich messen können! Hier ist es nicht das Ziel, alles schön zu reden. Führungskräfte sollten differenzieren, aber nach Möglichkeit im positiven Bereich. Wenn sie das tun, werden sie »lesbar« für andere – das zeitigt dieses Gefühl von Kontrolle, das wir so dringend benötigen.« (Rose, 2019: 64 f; Hervorhebungen durch die Autorin).

      Mitarbeiter fühlen sich, wenn sie eine Wahlmöglichkeit haben, zu den Führungskräften stärker hingezogen, die positive Werte verkörpern und z. B. ihre Mitarbeiter besonders respektvoll behandeln und insgesamt wertschätzend agieren (vgl. Cameron/McNaughtan, 2014: 445 ff und Rose, 2019a: 77). In dem Fall erfolgt eine positiv geprägte Ansteckung und die Mitarbeiter werden sich gegenseitig ebenfalls mit Respekt behandeln. Der Virus des respektvollen Umgangs verbreitet sich in der Folge, wenn auch in abgeschwächter Form, ebenfalls bei sozialen Interaktionen zwischen Mitarbeitern auf einer Hierarchiebene. (vgl. Rose, 2019a: 105)

      Der Multiplikatoreffekt übt insgesamt einen großen Einfluss auf das emotionale Klima der gesamten Organisation aus (vgl. Tee, 2015: 654 ff). Der Vergleich mit einem Stein, der an einer Stelle im See ins Wasser geworfen wird, bietet sich an. Die kreisförmigen Wellenbewegungen, die von der Stelle ausgehen, an der der Stein im Wasser gelandet ist, breiten sich immer weiter aus, so lange, bis die Wellen das Ufer erreichen und damit alles Wasser im See in Aufruhr geraten ist. Barsade nimmt dieses Bild auf und bezeichnet die Auswirkungen auf die Organisation als »Ripple Effect« (Barsade, 2002: 644).

      Beispiel zum »Ripple Effect«

      Der Bereichsleiter macht einen Teamleiter in einem Feedbackgespräch regelrecht »zur Minna«. Der Teamleiter gibt die so in ihm entstandenen sehr negativen Emotionen im darauffolgenden Teamleiterkreis direkt an seine Teamleiterkollegen weiter. Die wiederum sind nun ebenfalls negativ emotional aufgeladen. Einer der Teamleiter hat im Anschluss einen wichtigen Kundentermin. Ein anderer Teamleiter führt mit einem seiner Mitarbeiter ein am Vortag angesetztes konstruktiv-kritisches Feedbackgespräch. Und der dritte Teamleiter geht mit einem Lieferanten Mittagessen. Alle drei Gespräche verlaufen nicht so positiv wie geplant. Es ist unschwer zu erraten, warum das so ist. (in Anlehnung an ein Beispiel in Rose, 2019a: 108)

      Das Beispiel macht deutlich, wie wichtig es ist, dass Führungskräfte achtsam mit ihren Mitarbeitern umgehen. Achtsamkeit ist ein Wert, der es der Führungskraft ermöglicht, den »Ripple Effect« bei sich selbst aufzuhalten. Eine achtsame Führungskraft wird in der Lage sein, die eigenen Emotionen soweit zu regulieren, dass sich die negativen Emotionen anderer (sei es aus höheren Führungsebenen oder auch aus der gleichen Hierarchieebene) nicht ungehindert im Unternehmen weiter verbreiten können. (vgl. Rose, 2019a: 108)

      1.2.2 Werte definieren mit dem Werte- und Entwicklungsquadrat

      Die individuellen Werte von verschiedenen Mitarbeitern können sich sehr stark voneinander unterscheiden. Aber bestimmte Werte tendieren dazu, universell gültig zu sein, z. B. Achtsamkeit, Fürsorge, Hilfsbereitschaft, Genügsamkeit und den Schwächeren zu helfen. Die Verknüpfung der eigenen Arbeit mit solchen positiven Werten führt dazu, dass die Sinnhaftigkeit der Arbeit für die Mitarbeiter zunimmt (vgl. Cameron, 2012: 95).

      Wird Achtsamkeit also als wichtiger Wert definiert, so kommt es nicht nur darauf an, den Wert an sich festzuhalten. Vielmehr sollten in turnusmäßigen Abständen grundsätzlich bestehende Werte hinterfragt und neue Werte definiert und damit der eigene Wertekanon festgelegt werden. Ein Modell, das es Führungskräften und Mitarbeitern ermöglicht, genau das zu tun, ist das Werte- und Entwicklungsquadrat, das maßgeblich auf Friedemann Schulz von Thun zurückgeht.

      Exkurs zur Bedeutung von Werten im wissenschaftlichen Arbeiten, dargestellt anhand der Entstehungsgeschichte des Werte- und Entwicklungsquadrats.

      Die Entstehungsgeschichte des Werte- und Entwicklungsquadrats ist ein Paradebeispiel für die Bedeutung der Genauigkeit des Zitierens in der wissenschaftlichen Arbeit. Dass das Wertequadrat zum heute weltweit bekannten Werte- und Entwicklungsquadrat wurde, ist Prof. Dr. Friedemann Schulz von Thun zu verdanken. In den 1980er Jahren fiel ihm »zufällig (wirklich zufällig!)« (Schulz von Thun, 2018b: 1) in einer Bibliothek ein Nachdruck der »Charakterologie« von Paul Helwig in die Hände, er blätterte darin herum, entdeckte das Wertequadrat und begann über dessen Implikationen und mögliche Formen der Weiterentwicklung nachzudenken. Das Ergebnis der Überlegungen von Friedemann Schulz von Thun ist das Werte- und Entwicklungsquadrat. Ohne die theoretischen Vorarbeiten von Helwig hätte Friedemann Schulz von Thun das Werte- und Entwicklungsquadrat nicht in der heute bekannten Form entwickeln können.

      Die obigen Ausführungen lassen darauf schließen, dass das Wertequadrat von Paul Helwig erdacht wurde. Korrekt?

      Nein, nicht ganz. Nicolai Hartmann hat in seiner »Ethik« (Erstauflage 1926, hier Hartmann, 1962) die aristotelische Tugendlehre weiterentwickelt, indem er das Spannungsverhältnis zwischen zwei positiven Werten anhand einer sog. Wertesynthese verdeutlicht. Diesen Denkansatz hat Paul Helwig, ein Doktorand Hartmanns, in seiner »Charakterologie« (Helwig, 1936) weiter ausformuliert, mit praktischen Beispielen angereichert und anschaulich dargestellt. Allerdings unterließ es Helwig, sich auf die von Hartmann angestellten Gedankengänge zu beziehen, sondern stellte den Ansatz als seinen eigenen dar. (vgl. Schulz von Thun, 2018b: 2) Genaue wissenschaftliche Arbeit erfordert es aber, die Primärquellen (in dem Fall Hartmanns Werk) zu benennen. Das ist ein grundlegender, allgemeingültiger Wert, den alle Wissenschaftler berücksichtigen sollten. Warum Helwig das nicht getan hat, wird auf ewig sein Geheimnis bleiben (vgl. Schulz von Thun, 2018b: 7).

      Hartmann bezeichnete seinen Ansatz als »Viereck der Wertesynthese« und Helwig schreibt dann von »der ›Vierheit‹ aller Wertebegriffe« (Schulz

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