Der Sohn des Bärenjägers. Karl May

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Der Sohn des Bärenjägers - Karl May

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Kerle an, sich mit mir über die richtige Aussprache dieses Wortes zu streiten. Jeder hatte eine andere Ansicht. Ich sagte, es müsse gesprochen werden: mehrschtenteels; der Hausknecht aber meinte: mehrschtenteils, und der Nachtwächter sagte gar meistenteels. Bei diesem Streit kam ich nach und nach in die Wolle, aber als gebildeter Beamter und Staatsbürger bewahrte ich mir die Kraft, meine Selbstüberwindung zu beherrschen, und wendete mich an meinen Freund, den Schulmeister. Doch er mochte schlechte Laune haben oder so ein bisschen Anflug von gelehrtem Übermut, kurz und gut, er gab mir nicht Recht und sagte, wir hätten alle dreie Unrecht. Er behauptete, in dem Wort mehrschtenteels müssten zwei ‚ei‘ stehen. Weil ich nun aber ganz gewiss weiß, dass es nur een einziges Wort mit zwei ‚ei‘ gibt, nämlich Reisbrei, wurde ich unangenehm. Und als dann noch der Nachtwächter sagte, ich könne ooch nich richtig sprechen, da tat ich denn, was jeder Ehrenmann getan haben würde: Ich warf ihm mein beleidigtes Ehrgefühl an den Kopp und das Bierglas dazu. Jetzt freilich gab es verschiedene Szenen ohne Kulissen und das Ende war, dass ich wegen Störung der öffentlichen Unruhe und wegen Verletzung eines beabsichtigten Körpers in Anklagezustand versetzt wurde. Ich sollte bestraft und abgesetzt werden. Die Bestrafung und Absetzung hätte ich mir wohl gefallen gelassen, aber dass ich ooch meine Anstellung verlieren sollte, das war mir zu viel. Das konnte ich nich verwinden. Als ich die Strafe und die Absetzung überstanden hatte, ging ich auf und davon. Und weil ich alles, was ich einmal mache, ooch gleich ordentlich mache, ging ich sofort nach Amerika. Also is eigentlich nur der alte Wrangel daran schuld, dass Sie mich heute hier getroffen haben.“

      „Ich bin ihm sehr dankbar dafür, denn Sie gefallen mir“, versicherte der Dicke, indem er dem Landsmann freundlich zunickte.

      „So? Is das wahr? Nun, ich habe ooch gleich so ne Art von heimlicher Zuneigung für Sie empfunden und das hat natürlich seinen guten Grund. Erstens sind Sie kein übler Kerl, zweitens bin ich ooch nich ganz ohne und so können wir drittens recht gute Freunde werden. Beigestanden haben wir einander ooch schon und so is eigentlich das Band fertig, das uns lieblich umschlingen soll. Sie werden gütigst bemerken, dass ich mich stets in gewählten Ausdrücken bewege und daraus können Sie schließen, dass ich mich Ihrer Freundschaftsempfindungen nicht unwürdig erweisen werde. Der Sachse ist immer nobel, und wenn mich heute ein Indianer skalpieren wollte, so würde ich höflich zu ihm sagen: „Bitte, bemühen Sie sich freundlichst! Hier haben Sie meine Skalplocke!“

      Da meinte Jemmy lachend: „Wollte er dann ebenso höflich sein, so müsste er Ihnen Ihre Kopfhaut lassen. Aber, um nun auch von einem anderen zu sprechen: Ist Ihr Begleiter wirklich der Sohn des bekannten Bärenjägers Baumann?“

      „Ja. Baumann is mein Geschäftsteilhaber und sein Sohn, der Martin, nennt mich Onkel, obgleich ich das einzige Kind meiner Eltern bin und ooch nie verheiratet war. Wir trafen uns drunten in St. Louis, damals, als das Goldfieber die Diggers nach den Schwarzen Hügeln zog. Wir hatten uns beide ein Sümmchen gespart und beschlossen, hier oben nen Laden anzulegen. Das war jedenfalls vorteilhafter, als mit nach Gold zu graben. Die Sache gelang recht gut. Ich übernahm den Laden und Baumann ging off die Jagd, um für den Schnabel zu sorgen. Später aber stellte sich’s heraus, dass hier am Ort kein Gold zu finden war. Die Diggers zogen fort und nun wohnten wir allein da mit unseren Vorräten. Nur nach und nach wurden wir sie an Jäger los, die zufällig hier vorüberkamen. Das letzte Geschäft machten wir vor zwei Wochen. Da suchte uns ne kleine Gesellschaft off, die Baumann anstellen wollte, sie nach dem Yellowstone River zu begleiten. Dort sollten nämlich Halbedelsteine in Massen zu finden sein und diese Leute waren Steinschleifer. Baumann ließ sich bereit finden, machte sich eine ansehnliche Bezahlung aus, verkaufte ihnen eine bedeutende Menge Pulver und Blei und anderes Brauchbare und ging dann mit ihnen fort. Jetzt bin ich nun mit seinem Sohn und einem Neger, den wir von St. Louis mitgenommen haben, ganz allein im Blockhaus.“

      „Das Gebiet des Yellowstone River ist aber eine äußerst gefährliche Gegend. Zwischen hier und dort jagen jetzt die Schlangenindianer.“

      „Sie haben das Kriegsbeil vergraben.“

      „Und ich hörte, dass sie es in neuester Zeit wieder ausgegraben haben sollen. Ihr Freund befindet sich ganz gewiss in Gefahr. Dazu der Bote, der heute zu Ihnen kommt. Ich ahne nichts Gutes.“

      „Dieser Indianer ist ein Sioux.“

      „Aber er zögerte, seine Botschaft auszurichten. Das ist kein gutes Zeichen. Mit einer frohen Nachricht braucht man nicht zurückhalten, und er sagte mir auch, dass er vom hohen Gebirge im Westen komme.“

      „So will ich schnell zu ihm.“ Der kleine Sachse spornte sein Pferd an, um Wohkadeh zu erreichen. Sobald dieser es merkte, stieß er dem seinigen die Fersen in die Weichen und eilte voran. Wenn Hobble-Frank nicht ein Wettrennen unternehmen wollte, musste er darauf verzichten, bereits jetzt mit dem Indianer zu sprechen.

      Indessen hatte sich der Sohn des Bärenjägers zu dem Langen Davy gehalten. Dem lag natürlich auch daran, etwas über die Verhältnisse der neuen Bekannten zu erfahren. Er erhielt zwar die Auskunft, aber nicht so ausführlich, wie es sein Wunsch war. Der Knabe war sehr zurückhaltend und einsilbig.

      Endlich wand sich der Bach in einer Krümmung um eine Anhöhe, auf der die Nahenden eine Blockhütte erblickten, deren Lage sie zu einem kleinen Fort machte, das sicheren Schutz gegen einen Indianerangriff bot.

      Die Höhe fiel an drei Seiten so steil ab, dass man sie kaum erklimmen konnte. Die vierte Seite war mit einer doppelten Fenz versehen. Unten gab es ein Maisfeld und ein kleines, mit Tabak bebautes Stück Land. In dessen Nähe weideten zwei Pferde. Martin deutete auf die Tiere und erklärte: „Von dort haben uns die Männer unsere Pferde gestohlen, als wir nicht daheim waren. Wo mag Bob, unser Neger, sein?“

      Er steckte zwei Finger in den Mund und stieß einen schrillen Pfiff aus. Da lugte ein schwarzer Kopf hinter den hohen Maispflanzen hervor. Zwischen den breitgezogenen, wulstigen Lippen wurden zwei Reihen von Zähnen sichtbar, auf die ein Jaguar hätte stolz sein können. Dann kam die herkulische Gestalt des Negers zum Vorschein. Er hatte einen schweren, dicken Pfahl in der Hand und sagte unter Grinsen:

      „Bob sich verstecken und aufpassen. Wenn Spitzbuben wiederkommen und auch noch zwei andere Pferde stehlen wollen, dann ihnen mit diesem Stock die Köpfe einschlagen.“

      Er schwang den Pfahl mit einer Leichtigkeit, als sei er eine Weidenrute.

      Der Indianer kümmerte sich gar nicht um ihn. Er ritt an ihm vorüber, die vierte, zugängliche Seite der Höhe bis zur Doppelfenz empor, sprang vom Rücken seines Pferdes darüber hinweg und verschwand hinter der Einzäunung.

      „Was sein Redman für ein grob Kerl!“, zürnte der Neger. „Reiten an Masser Bob vorüber, ohne sagen: Good day! Springen über Fenz und gar nicht warten, bis Massa Martin ihm erlauben, einzutreten. Masser Bob ihn werden höflich machen!“ Der gute Schwarze gab sich selbst den Titel Masser Bob, also Mister oder Herr Robert. Er war ein freier Neger und fühlte sich gekränkt, weil er von dem Indianer nicht begrüßt worden war.

      „Du wirst ihn nicht beleidigen“, warnte Martin. „Er ist unser Freund.“

      „Das sein ein ander Sache. Wenn Redman sein Freund von Massa, so sein auch Freund von Masser Bob. Massa Pferde wiederhaben? Spitzbuben tot gemacht?“

      „Nein. Sie sind entflohen. Öffne die Fenz!“

      Bob stieg mit langen Schritten voran und schob oben die beiden Teile des schweren Tores auseinander, als seien sie aus Papier geschnitten. Dann ritten die anderen in den Raum, der von der Fenz umschlossen wurde.

      In der Mitte des Platzes erhob sich die viereckige Blockhütte,

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