Der Sohn des Bärenjägers. Karl May
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Читать онлайн книгу Der Sohn des Bärenjägers - Karl May страница 9
„So? Habt ihr denn einige Dollars bei euch?“, fragte der Kleine in einem Ton, der hören ließ, dass er die beiden Jäger nicht gerade für Millionäre hielt.
„Das geht euch erst dann etwas an, wenn wir kaufen wollen. Verstanden?“
„Hm, ja freilich! Aber wenn wir jetzt fortgehen, was soll dann mit den Kerlen werden, die uns die zwei Pferde gestohlen haben? Wollen wir nicht wenigstens ihrem Anführer, diesem Brake, ein Andenken hinterlassen, das ihn an uns erinnert?“
„Nein. Lasst sie laufen, Mann! Sie sind feige Diebe, die vor einem Bowiemesser davonrennen. Es macht euch keine Ehre, wenn ihr euch noch länger mit ihnen beschäftigt. Die Pferde habt ihr ja wieder. Damit basta!“
„Hättet ihr nur besser ausgeholt, als ihr ihn niederschlugt. Der Kerl hat nur das Bewusstsein verloren.“
„Ich habe das mit Absicht getan. Es ist kein sehr angenehmes Gefühl, einen Menschen erschlagen zu haben, den man auf andere Weise unschädlich machen kann.“
„Na, mögt Recht haben. Kommt also zu euren Pferden!“
„Wie? Ihr wisst, wo unsere Pferde sind?“
„Freilich. Wir müssten schlechte Westmänner sein, wenn wir nicht umhergespäht hätten, bevor wir euch unsere Anwesenheit merken ließen.“
Der Schmächtige stieg auf das eine der wiedererlangten Tiere. Sein junger Begleiter sprang auf das andere. Beide ritten genau auf die Stelle zu, wo Jemmy und Davy ihre Pferde in den Sträuchern versteckt hatten.
Unweit davon waren ihre eigenen angepflockt, auf denen sie die Spur der Diebe aufgenommen hatten und die sie jetzt am Zügel mitführten. Nun folgten die vier der Fährte des Indianers, den sie bald vor sich erblickten. Doch ließ er sie nicht ganz an sich herankommen, sondern ritt immer vor ihnen her, so als wüsste er genau die Richtung, die er einzuschlagen hatte, um das Ziel zu erreichen.
Der Hobble-Frank hielt sich an der Seite des Dicken Jemmy, an dem er Wohlgefallen zu finden schien. „Wollt Ihr mir wohl sagen, Sir, was ihr eigentlich in dieser Gegend sucht?“, meinte er.
„Wir wollten ein wenig hinauf nach Montana, wo es eine viel bessere Jagd gibt als diesseits der Big Horn Mountains. Dort findet man doch verständige Waldläufer und Savannenmänner, die die Jagd eben um der Jagd willen betreiben. Hier aber schlachtet man Tiere förmlich ab. Die Sonntagsbüchse wütet unter den Büffeln, die zu Tausenden getötet werden, nur weil ihre Häute sich besser zu Treibriemen eignen als gewöhnliches Rindsleder. Es ist ein Sünde und eine Schande! Nicht wahr?“
„Recht habt Ihr, Sir. Das war früher ganz anders. Da stellte sich der Jäger dem Wild ehrlich gegenüber, um sich das Fleisch, das er brauchte, mit Gefahr seines Lebens zu erkämpfen. Jetzt aber ist die Jagd meist nur ein feiges Morden aus dem Hinterhalt und die Jäger von altem Schrot und Korn sterben nachgerade aus. Leute wie ihr beide sind jetzt selten. Geld traue ich euch freilich nicht viel zu, aber einen guten Klang haben eure Namen. Das muss man gern gestehen.“
„Kennt ihr denn unsere Namen?“
„Will’s meinen.“
„Woher?“
„Dieser Wohkadeh hat sie ja genannt, als ich mit Martin im Busch lag und euch belauschte. Eigentlich habt Ihr gar nicht so die richtige Gestalt für einen Westmann. Eure Hüfte ist mehr geeignet für einen Müller oder Bäckermeister im alten Germany. Aber...“
„Was?“, fiel der Dicke schnell ein. „Ihr redet da von Deutschland. Kennt Ihr es vielleicht?“
„Na, und ob! Ich bin ein Deutscher mit Haut und Haar!“
„Und ich mit Leib und Seele!“
„Ist’s wahr?“, fragte Frank, indem er sein Pferd anhielt. „Eigentlich konnte ich es mir gleich denken. Einen Yankee von Eurem Körperumfang kann es ja kaum geben. Ich aber freue mich königlich, einen Landsmann getroffen zu haben. Her mit Eurer Hand, Mann! Ihr seid mir herzlich willkommen!“
Sie schlugen ein, dass beiden die Hände schmerzten. Der Dicke aber meinte: „Treibt nur Euer Pferd wieder an! Wir brauchen ja deshalb nicht hier halten zu bleiben. Wie lange seid Ihr denn bereits in den Staaten?“
„Mehr als zehn Jahre.“
„So habt Ihr wohl indessen Euer Deutsch verlernt?“
Beide hatten bisher Englisch gesprochen. Bei der letzten Frage richtete Frank seine kleine Gestalt möglichst hoch im Sattel auf und entgegnete beleidigt. „Ich? Meine Sprache verlernt? Da kommen Sie bei mir verkehrt an! Ich bin ein Deutscher und bleibe ein Deutscher. Wissen Sie ungefähr, wo dazumal meine Wiege gestanden hat?“
„Nein. Ich war ja nicht dabei.“
„Na, allemal nur in Sachsen! Verstehen Sie? Ich habe schon mit manchem Deutschen gesprochen, aber ich habe niemals jemand so gut verstanden, als wenn er eben in Sachsen geboren war. Sachsen ist das Herz von Deutschland. Dresden is klassisch, die Elbe is klassisch, Leipzig is klassisch und die Sächsische Schweiz ooch. Die schönste Gegend is die Strecke zwischen Pirna und Meißen, und so ziemlich zwischen diesen beiden Städten habe ich das Licht der Welt erblickt. Und später habe ich ganz in derselben Gegend meine Laufbahn angefangen. Ich war nämlich Forschtgehilfe in Moritzburg, was ein berühmtes königliches Jagdschloss is mit einer famosen Bildergalerie und großen Karpfenteichen. Mein bester Freund war der dortige Schulmeister, mit dem ich alle Abende Sechsundsechzig gespielt und nachher von den Künsten und Wissenschaften gesprochen habe. Dort habe ich mir ne ganz besondere allgemeine Bildung angeeignet. Oder zweifeln Sie etwa daran? Sie machen mir so ein verbohrtes Gesicht?“
„Ich mag nicht darüber streiten, obgleich ich früher Gymnasiast gewesen bin und mensa dekliniert habe.“
Der Kleine warf Jemmy von der Seite einen pfiffigen Blick zu und frage: „Mensa dekliniert? Da haben Sie sich wohl versprochen?“
„Wüsste nicht, wieso?“
„Na, dann ist’s mit Ihrem Gymnasium ooch nich sehr weit her. Es heißt nicht dekliniert, sondern deklamiert und auch nicht Mensa, sondern Pensa. Sie haben Ihre Pensa deklamiert, vielleicht des Sängers Fluch von Hufeland oder den Freischütz von Frau Maria Leineweber. Aber deshalb keine Feindschaft nich? Es hat eben jeder so viel gelernt, wie er kann, mehr nich, und wenn ich einen Deutschen sehe, so freue ich mich darüber, ooch wenn er nich gerade ein gescheiter Kerl is oder gar ein Sachse. Also, wie steht’s? Wollen wir gute Freunde sein?“
„Gewiss!“, lachte der Dicke. „Ich habe immer gehört, dass die Sachsen die gemütlichsten Leute sind. Warum aber haben Sie Ihre schöne Heimat verlassen?“
„Eben wegen der Kunst und der Wissenschaft.“
„Wieso?“
„Das kam ganz plötzlich und folgendermaßen: Wir sprachen von der Politik und der Weltgeschichte, abends in der Wirtschaft. Wir waren unser drei am Tisch, nämlich der Hausknecht, der Nachtwächter und ich. Der Schulmeister saß am anderen Tisch bei den Vornehmen. Weil ich aber stets ein sehr leutseliger Mensch gewesen bin, hatte ich mich zu den zweien gesetzt, die ooch ganz glücklich waren über diese Art von Herablassung. Bei der Weltgeschichte nun kamen wir ooch off den alten Papa