Die Lichtstein-Saga 3: Fineas. Nadine Erdmann
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Liv reckte sich, um ihre Muskeln zu lockern und das letzte bisschen Müdigkeit zu vertreiben. Sie hatte nicht besonders viel Schlaf gefunden. Genau wie bei den ersten beiden Reisen hatte sie auch am Abend zuvor ewig gebraucht, um einzuschlafen, weil diese seltsame Mischung aus Aufregung, Anspannung und Nervosität sie ziemlich zappelig gemacht hatte. Die Reise zu den Drachen würde nicht einfach werden. Zwei Lichtsteine waren bereits im Kloster, das bedeutete, Konstantins Motivation, keinen weiteren dazukommen zu lassen, war hoch. Dass die Roten Berge außerdem direkt neben seinem Hoheitsgebiet lagen, barg zusätzliche Gefahren.
Aber Liv machte sich nicht nur Sorgen darüber, ob sie mit Noah, Kaelan, Ari und Zoe heil den Stein des Feuers ins Kloster bringen konnte. Sie hatte auch eine Heidenangst um Mia, Ben und Quin, die in einen Kampf zogen, bei dem es unweigerlich Opfer geben würde.
Sie schloss die Augen – und ließ Angst und Sorgen einen Moment lang zu. Weil sie nun mal einfach da waren und sie wegzusperren, fühlte sich falsch an, weil sie wichtig waren. Mia, Ben und Quin waren ihr nun mal nicht egal, also war es richtig, sich um sie Sorgen zu machen. Sie durfte sich von den Sorgen nur nicht wahnsinnig machen lassen oder darüber ihre eigene Aufgabe aus den Augen verlieren.
Deshalb atmete sie tief durch, ließ die Angst zu, bis sie langsam bis zehn gezählt hatte, und lenkte ihre Gedanken dann entschlossen in eine positive Richtung. Es gab schließlich nicht nur Ängste und Sorgen, sondern auch Vorfreude und Neugier. In ein paar Tagen würde sie echten Elfen und Drachen gegenüberstehen! Wie megacool war das denn bitte?!
Außerdem freute sie sich darauf, mehr von Interria zu sehen. Dieses Land war so anders, oft rau, aber wunderschön und es gab hier mit Sicherheit noch unglaublich viel zu entdecken, von dem sie im Moment noch nicht mal eine Ahnung hatte, dass es existierte.
Na ja, und dass sie und Noah seit ihrer Rückkehr aus den Weißen Bergen ausprobierten, ob da noch mehr als Freundschaft und Engelsverbindung zwischen ihnen war, sorgte auch für verflixt gute Gefühle.
Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht und sie strampelte sich aus den Wolldecken heraus.
Zeit, aufzustehen.
Sie trat ans Fenster. In der schmalen Gasse zwischen den Häusern war es noch recht dunkel. Richtung Osten ließ das erste Morgengrauen jedoch schon die Sterne verblassen und es hingen nur noch vereinzelte Wolken am Himmel.
Perfekt. Bei Sonnenschein war es bedeutend angenehmer, sich zum Eichenhof durchzuschlagen.
Liv wandte sich ab und lief leise hinüber in den Küchenbereich der kleinen Stube. Betty und Otto hatten ihre Schlafkammer im oberen Stockwerk und da dort noch alles ruhig war, nahm Liv an, dass die beiden noch schliefen und wollte sie nicht wecken. Im Ofen schwelte die letzte Glut in einem warmen Rot. Liv nahm ein Holzscheit aus einem Korb, der neben dem Herd stand, fachte mit dem Schürhaken die verbliebene Glut ein wenig an und legte dann Holz nach. Einen Moment lang sah sie zu, wie die Flammen fröhlich zu prasseln begannen und wunderte sich über sich selbst.
Es war seltsam, wie sehr ihr Leben sich in den letzten Wochen verändert und was sie alles gelernt hatte. Feuer zu machen und es in Gang zu halten, waren mittlerweile zur Selbstverständlichkeit geworden. Statt mathematischer Formeln, Gedichtanalysen und Vokabeln in diversen Fremdsprachen standen jetzt Überleben in freier Wildnis, Diplomatie mit Völkern unterschiedlichster Ideologien, Interrianische Geschichte und ihre Auswirkungen auf die Gegenwart sowie ein Crashkurs in Sachen Schwertkampf und Selbstverteidigung auf dem Lehrplan. Und das waren nur die neuen Hauptfächer. Die vielen Nebenfächer, Zusatzkurse und Arbeitsgemeinschaften, die sich immer wieder spontan auftaten, zählte Liv schon gar nicht mehr mit.
Heutiges Lernziel: Wie man sich unbemerkt aus einer Stadt hinausschleicht und allein durch unbekanntes Terrain zu einem geheimen Treffpunkt durchschlägt.
Sie musste schmunzeln.
Das war auf jeden Fall spannender, als im Matheunterricht herausfinden zu müssen, ob irgendein Punkt auf irgendeiner Geraden lag und wenn nicht, wie weit er davon entfernt war.
Sie trat an die Spüle, wo Betty ihr am Vorabend eine Waschschüssel und einen Krug mit frischem Wasser bereitgestellt hatte. Rasch wusch sie sich und ging dann zurück in den Wohnbereich. Neben dem Sofa stand ein Korb mit ihrem heutigen Outfit, das Helen schon vor zwei Tagen hergebracht hatte: ein schlichtes hellblaues Kittelkleid, ein dunkelblaues Schultertuch samt dazu passendem Kopftuch sowie ein Paar schwarzer Wanderschuhe. Liv sollte Burgedal getarnt als Kräutersammlerin verlassen. Dafür hatte Helen ihr eins der typischen Kittelkleider genäht, die bei der momentanen Sommerhitze viele Frauen gern bei der Arbeit in Feld, Wald und Wiesen trugen. Liv zog es über. Es passte wie angegossen und obwohl sie definitiv lieber Hosen trug, war der leichte Leinenstoff sehr angenehm auf der Haut.
Sie schlüpfte gerade in die Wanderschuhe, als sie über sich Schritte hörte und kurz darauf leise an die Tür zur Wohnstube geklopft wurde.
»Ich bin schon wach«, sagte sie und schenkte Betty ein Lächeln, als die alte Näherin eintrat. »Guten Morgen.«
»Guten Morgen, Liebes. Hast du gut geschlafen? Ich hoffe, das Sofa war bequem genug.«
»Alles bestens, danke.« Ein bisschen Flunkern war sicher okay. Schließlich hatte es definitiv nicht am Sofa gelegen, dass sie ewig gebraucht hatte, um einzuschlafen. Im Gegenteil. Verglichen mit der Schlafmatte, auf der sie die nächsten Nächte wieder zubringen würde, war das Sofa das reinste Himmelbett gewesen.
Betty lächelte und wandte sich dem Herd zu. »Prima. Dann sorg ich jetzt mal für ein ordentliches Frühstück.«
Keine zehn Minuten später zog der Duft von Rührei, gebratenem Speck und Tee durchs Haus und lockte auch Otto in die Küche. Er nickte anerkennend, als er Liv sah. »Ich würde sagen, die Tarnung ist perfekt.«
»Danke!« Liv hatte ihre Haare zu einem Knoten zusammengebunden und unter dem Kopftuch versteckt, sodass man ihre Haarfarbe nicht sofort erkannte, schon gar nicht im dämmrigen ersten Morgenlicht.
Otto setzte sich zu ihnen und nahm sich Brot und Rührei. »Die Stadttore öffnen bei Sonnenaufgang. Du solltest kurz danach losgehen, dann sind schon einige Leute unterwegs und du fällst nicht mehr auf. Es herrscht aber auch noch kein Hochbetrieb und die meisten sind noch zu müde und verschlafen, um darauf zu achten, wer da neben ihnen durch die Straßen schlurft.«
Liv nickte. »Das meinte Mia auch.«
»Ich packe dir noch Wasser, Brot und Käse ein«, bot Betty an. »Ein Proviantkorb ist nicht verdächtig. Viele Arbeiter nehmen sich etwas mit, wenn sie den ganzen Tag außerhalb von Burgedal unterwegs sind.«
»Gerne, danke!«
Betty tätschelte Liv den Arm. »Nicht dafür, Kind. Du und die anderen Cays riskiert so viel für uns, da sind wir froh und dankbar, dass wir helfen und euch ein bisschen was zurückgeben können.«
Während Betty nach dem Frühstück für den Proviant sorgte, suchte Liv ihre letzten Sachen zusammen. Mia hatte ihr ein paar Lederhandschuhe geschenkt.