Die Lichtstein-Saga 3: Fineas. Nadine Erdmann
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Den Drachen ging es hier in Interria ganz ähnlich. Als der Engel des Lichts Interria vor über zweitausend Jahren erschaffen und all den Wesen, die in der Alten Welt nicht glücklich gewesen waren, ein neues Zuhause gegeben hatte, waren auch die Drachen mit hierher ausgewandert, obwohl das nicht von allen Völkern gerne gesehen wurde. In der Alten Welt hatten sich die Drachen vor allem dadurch ausgezeichnet, dass sie Feuer speiend und mordend durch die Lande gezogen waren und alles in Schutt und Asche gelegt hatten. Dass besonders die Menschen, aber auch die Elfen und Zwerge deshalb Jagd auf sie gemacht hatten, hatte die Grausamkeit und Gewaltbereitschaft der Drachen nur noch weiter angefacht. Bevor dieser Teufelskreis fatal eskalieren konnte, gab Cayaniel ihnen in Interria eine neue Chance. Hier in Interria sollten alle Völker einen Bund schließen und friedlich so zusammenleben, wie sie es eigentlich schon in der Alten Welt hätten tun sollen. Die meisten Völker waren sofort dazu bereit und freuten sich über diese neue Chance. Auch die Drachen wollten sich anpassen. Zumindest die meisten. Doch es gab in ihrem Volk leider auch einige schwarze Schafe, die sich nicht an das Friedensabkommen hielten. Sie argumentierten, es gehe gegen ihre Natur, nur Tiere zu fressen, und sie wollten sich nicht vorschreiben lassen, dass sie ihr Feuer nur auf ihrem eigenen Territorium in den Roten Bergen einsetzen durften. Deshalb zogen sie durch ganz Interria, setzten Landstriche in Brand und fraßen, worauf sie Lust hatten.
Verständlicherweise reagierten die anderen Völker mit Wut und Empörung darauf, dass die Drachen sich nicht an die Regeln hielten. Sie verlangten von Cayaniel, dass er diese Untiere aus Interria verbannte, weil sie zu einem friedlichen Zusammenleben hier in ihrer neuen Heimat offensichtlich nicht bereit waren. Der Engel des Lichts machte den Völkern jedoch deutlich, dass nicht alle Drachen das Problem waren, sondern nur einige wenige. Es war ähnlich wie in der Alten Welt. Dort waren vor allem die Menschen das Problem gewesen, warum ein friedliches Zusammenleben nicht funktionierte. Zahlenmäßig waren sie allen anderen Völkern überlegen und nutzten sie für ihre Zwecke aus, stellten sie zur Schau oder machten Jagd auf sie. Deshalb waren die meisten Völker nicht begeistert gewesen, dass auch Menschen nach Interria kommen durften, als Cayaniel diese neue Welt erschuf. Allerdings hatten alle Völker einräumen müssen, dass nicht alle Menschen schlecht waren. Es gab auch viele gute Seelen in diesem Volk und die Menschen, die nach Interria umsiedeln wollten, zeigten, dass sie die Idee einer gemeinsamen Welt, in der Akzeptanz und Gleichberechtigung unter den Völkern herrschte, teilten und entsprechend leben wollten.
Cayaniel sah das Volk der Drachen auf die gleiche Weise und wollte sie nicht aus Interria verbannen, nur weil einige schwarze Schafe sich nicht an die Regeln hielten. Auf einer großen Versammlung, bei der alle Völker Interrias zusammenkamen, erbaten die guten Seelen unter den Drachen eine zweite Chance für ihr Volk. Sie versprachen, dass sie sich ab jetzt an die Regeln halten wollten und dafür sorgen würden, dass ihre schwarzen Schafe keine Gefahr mehr für andere darstellten. Da die anderen Völker mit den Menschen, denen sie eine zweite Chance gegeben hatten, gute Erfahrungen gemacht hatten, waren sie bereit, diese auch den Drachen zu gewähren. Da jedoch bereits ein einziger Drache, der sich nicht an die Regeln hielt, großen Schaden anrichten konnte, waren die Völker nur unter einer Bedingung dazu bereit: Die Drachen mussten einen Pakt mit ihnen schließen, der besagte, dass sie aus Interria verbannt werden würden, sollte ein Drache erneut Landstriche verwüsten oder jemanden aus den anderen Völkern vorsätzlich verletzten oder töten.
Die Drachen erklärten sich damit einverstanden und der Bannpakt wurde besiegelt. Danach zogen sie sich in die Roten Berge zurück und ließen sich kaum noch im restlichen Land blicken, weil die meisten Völker ihnen trotz der zweiten Chance weiter mit Misstrauen und Ablehnung begegneten. Cayaniel jedoch zeigte den Drachen, dass er volles Vertrauen in sie setzte und teilte ihnen einen der Lichtsteine zu, die Interria vor dem Reich der Finsternis schützten. Feuer war das Element der Drachen, daher waren sie die Besten, wenn es um das Hüten von Fineas, dem Stein des Feuers, ging. Das Volk der Drachen fühlte sich durch das Vertrauen des Engels sehr geehrt und erfüllte seine Aufgabe mit großer Gewissenhaftigkeit. Sie hielten Fineas in ihrer Heiligen Höhle versteckt und luden ihn dort mit der Kraft und Stärke ihres Drachenfeuers auf, das er, jedes Mal wenn die Zeit kam, in Cayas Kapelle an das Engelslicht abgab. Kam eine Gruppe von Cays, wurde ihnen der Lichtstein ausgehändigt, und sobald Fineas seine Aufgabe im Kloster erledigt hatte und die Delegationen der Lichtsteinvölker gerufen wurden, um die Steine zurückzuholen, flog ein Auserwählter der Drachen nach Burgedal. Ansonsten hielten sie sich jedoch aus allem heraus und blieben in ihrem Tal in den Roten Bergen. Selbst als Hektor sich geweigert hatte, die Lichtsteine zurückzugeben, hatten die Drachen sich zurückgehalten. Sie bekundeten zwar ihren Unmut darüber, trauten sich aber nicht, in den Kampf einzugreifen, aus Angst verbannt zu werden und ihr Zuhause zu verlieren, wenn sie verletzten oder töteten, denn die anderen Völker waren nicht bereit, den Pakt mit ihnen aufzuheben. Aus genau demselben Grund hatten sie sich auch vor achtzehn Jahren nicht in den ersten Kampf gegen Konstantin eingemischt.
Noah fand das Ganze ziemlich bescheuert – und hatte Ignatius das auch deutlich wissen lassen. Seit über zweitausend Jahren lebten die Drachen jetzt friedlich hier in Interria und hatten damit mehr als bewiesen, dass sie das Vertrauen wert waren, das Cayaniel in sie setzte. Da war es doch wohl mehr als an der Zeit, dass auch die Völker, die hier mit ihnen lebten, endlich einsahen, dass der Pakt nicht mehr nötig war. Schließlich hatte man die Menschen auch nicht mit solch einem Pakt belegt, nach dem, was Hektor getan hatte – oder was Konstantin jetzt gerade tat. Und Konstantin war sogar noch schlimmer und gefährdete mit seinem Vorhaben nicht bloß einzelne Landstriche oder Mitglieder der hier lebenden Völker, sondern ganz Interria. Wenn deshalb niemand die Menschen mit einem Bannpakt belegte, hatten die Drachen, die sich seit den ersten Tagen Interrias nichts mehr hatten zuschulden kommen lassen, mehr als verdient, dass man ihren Pakt aufhob.
Ignatius – und auch der Rat der Garde – sahen das genauso und der Klostervorsteher hatte bereits Briefe mit einem entsprechenden Aufhebungsgesuch an alle Völker, die am Pakt beteiligt waren, verschickt. Noah hoffte aus tiefstem Herzen, dass alle zustimmten. Nicht nur, weil die Drachen in den kommenden Kämpfen eine große Hilfe wären. Sie hatten einfach nichts anderes verdient, als endlich ein gleichberechtigter Teil der interrianischen Gemeinschaft zu sein und akzeptiert zu werden – mit all ihren Stärken und Schwächen. Die hatte ja schließlich jeder.
Wie so oft in letzter Zeit war das der Moment, in dem die kribbelige Vorfreude auf das Treffen mit den Drachen unbehaglicher Nervosität wich, weil Noah sich seiner eigenen Schwächen nur allzu bewusst war. Unwirsch fuhr er sich über die Augen und hob dann seine Hand so, dass er sein Engelszeichen im fahlen Licht, das durchs Fenster fiel, erkennen konnte.
Es sah aus wie immer. Ein roter Kreis mit vier Strahlen.
Sein Magen zog sich zusammen bei der Vorstellung, dass es sich verändern könnte.
Mann, denk nicht dran!
Grimmig ballte er seine Hand zur Faust und vertrieb die Bilder aus seinem Albtraum, in dem sich sein Zeichen des Lichts schwarz verfärbte und in ein Zeichen der Finsternis verwandelte.
Es war allein seine Entscheidung, was ihn ausmachte und wofür er kämpfte. Diese beschissene Berührung durch den Schattenmar bestimmte nicht sein Schicksal. Das hatte er selbst in der Hand!
Livs