Inklusive Bildung. Группа авторов

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Sicht, noch am Anfang. Wie kann das gehen an der Hochschule? Man kann auf keinen Fall, was ja manche glauben, die sonderpädagogischen Fachbereiche auflösen und sie sozusagen in alle anderen Teilbereiche der Lehrerbildung integrieren. So nicht! Es kann nur so gehen, dass die hohe Expertise der Sonderpädagogen stärker hereingeholt wird in die frühkindliche Bildung, in kooperative Lehrveranstaltungen oder zumindest in einige Vorträge zu diesem Feld und in Praktika, die in diesem Bereich stattfinden. Das Gleiche gilt im Schulbereich, das Gleiche in der beruflichen Bildung, in der Erwachsenenbildung und auch in der Hochschule. Die Hochschullehrer sind ja auch nicht wirklich vorbereitet auf inklusive Bildung. Da gibt es viel zu tun, vor allen Dingen durch ein interdisziplinäres, kooperatives Lernen. Und da haben die Sonderpädagogen auf der einen Seite eine hohe Verantwortung und sollten eine hohe Bereitschaft zeigen. Jetzt sag ich mal was Kritisches zu den Sonderpädagogen! Sie sollten sich nicht nur immer auf ihr Feld zurückziehen und auf ihre Zielgruppen, sondern es auch anderen vermitteln. Und auch wenn ein paar Widerstände kommen, sollte das nicht als Angriff gewertet werden, sondern als eine Form von Aufklärung. Ich halte das für sehr bedeutsam, dass hier die Zusammenarbeit intensiviert wird – im Interesse der Professionalität. Wichtig ist vielleicht noch – und das gehört ebenfalls zur Professionalität, auch wenn das ein organisatorischer Hinweis ist –, dass wir dann in den unterschiedlichen Bereichen auch immer so viel Personal haben, dass nicht die eine oder die andere Gruppe plötzlich das Gefühl hat, sie muss sich unterordnen, irgendeinem Lerntempo zum Beispiel, sondern dass wir die Möglichkeit der Differenzierung haben, das heißt, ich glaube, Professionalisierung bedeutet auch, in der Lage zu sein, zu differenzieren an bestimmten Punkten. Das ist aber personalintensiv in Schulen, in Behörden, in der beruflichen Bildung und auch in der Weiterbildung und in der Hochschule.« Ulrich Heimlich: »Ja, Herr Kiel, bitte gerne unmittelbar dazu.« Ewald Kiel: »Ich würde gern zu zwei Dingen vom Rudi Tippelt noch etwas sagen. Das eine ist, wir sprechen die ganze Zeit über Schulpädagogik, Sonderpädagogik und Allgemeine Pädagogik. Ich finde, wir dürfen die Fachdidaktiken nicht vergessen. Wenn ich mir zum Beispiel, ich bin Deutschlehrer von Haus aus, die aktuellen Schulbücher anschaue im Deutschunterricht, die versuchen, inklusive Werke auf den Markt zu bringen, dann fällt Folgendes auf: Die haben Texte und die sind einfach nach bestimmten Leistungsvermögen gegliedert. Also für manche Kinder ist der Text kürzer, für andere sehr kurz, andere kriegen komplexe Aufgaben, die eine längere Arbeitszeit benötigen und so weiter. Es wird aber immer nur von der Leistung her geguckt, was muss ich didaktisch ändern. Als jemand der Deutsch unterrichtet hat, wenn ich zum Beispiel in einer achten Klasse so etwas mache wie Erzähltexte besprechen, da unterschiedet man zwischen einem Er-Erzähler, einem Ich-Erzähler, einem auktorialen Erzähler. Hab’ ich einen Autisten in der Klasse, dann ist es das, was er auf gar keinen Fall kann, unterschiedliche Perspektiven einnehmen. Was heißt das jetzt für die Aufgabenkultur im Deutschunterricht? Da müssen die Fachdidaktiken sich bewegen, ähnliche Phänomene gibt es sicherlich im Mathematikunterricht, aber das ist ein schönes Beispiel, weil gerade Autisten keine Perspektive eines Anderen einnehmen können. Es nützt also nicht, den Text kürzer zu machen, länger zu machen oder sonst irgendetwas, da muss etwas fundamental Anderes passieren. Und da finde ich, und das meinte ich vorhin auch mit zweckrational, da sind die Fachdidaktiken durchaus aufgefordert, eng zusammen zu arbeiten, gerade auch mit den Sonderpädagogen, um da auch Kompetenzen zu erwerben in bestimmten Bereichen. Einen zweiten Punkt, den ich noch aufgreifen würde, den Herr Tippelt angesprochen hat, ist die Frage der Multiprofessionalität. Dem stimme ich sofort zu. Aber auch da haben wir mal Geistigbehindertenpädagogen befragt – 45, in Kleingruppen. Und die haben alle gesagt, sie arbeiten alle ganz stark in multiprofessionellen Teams. Der Tenor war aber, es funktioniert nur begrenzt gut. Und der Punkt ist einfach ein organisatorischer. Wer hat den Hut auf? Da sagt die siebenundzwanzigjährige Sonderpädagogin der zweiundfünfzigjährigen Pflegekraft: ›Du musst das machen.‹ und die Pflegekraft sagt: ›Ich mache das seit dreißig Jahren. Sagt ihr mir das mal.‹. Und es gibt unglaubliche Reibungsverluste in diesen multiprofessionellen Teams. Und ich finde, da sind wir sowohl von der Hochschule gefordert, etwas zu machen, aber auch in der Organisation und in der Praxis muss darüber nachgedacht werden: Wie kann ich multiprofessionelle Teams sinnvoll organisieren? Und es gilt das alte Prinzip, einer muss auch den Hut aufhaben. Man kann nicht alles egalitär regeln. Sonderpädagogen, wage ich mal zu sagen, tendieren zu diesem egalitären Prinzip ›Alle dürfen mitreden‹, aber ich denke, wenn ich so ein Team mit sieben, acht, neun Leuten habe, das muss von einem organisiert werden und einer muss das letzte Wort haben, sonst funktioniert das nicht. Das ist meine Erfahrung mit den Diskussionen mit Sonderpädagogen in der Geistigbehindertenpädagogik.« Rudolf Tippelt: »Das ist ein wichtiger Punkt, also ich schließe mich da an. Ich glaube, die Ansprüche der inklusiven Bildung, die sind schon präsent, aber es gibt auch – und darüber beginnen wir erst zu diskutieren – viele Konfliktfelder, die das aufwirft. Und das hat auch etwas damit zu tun, dass jemand den Hut aufhaben muss. Natürlich gibt es dann Fachlehrer, die sagen: ›Mir ist die Fachleistung wichtig. Da stören mich manche Prozesse im Rahmen einer inklusiven Bildung‹ und umgekehrt. Der Sonderpädagoge würde vielleicht sagen: ›Ja, tut mir leid, da müssen wir eben mit bestimmten Gruppen auch ein bisschen mehr Geduld oder eine größere Toleranz haben.‹ Oder wenn wir einmal absehen von dem Begriff Toleranz, sondern die Schüler einfach so akzeptieren, wie sie sind. Und wahrscheinlich ist es auch so – aber das sag ich jetzt als ungeschützte These –, dass es nicht so sein kann, dass wir alle Einrichtungen, die heute sonderpädagogische Aufträge haben, integrieren können in den ganz normalen Regelbetrieb von frühkindlicher Bildung über die Schule bis zur beruflichen Bildung. Wir brauchen Sondereinrichtungen – und zwar im Interesse auch derjenigen, die eine Behinderung haben, damit sie nicht den Anschluss verlieren, damit keine Stigmatisierung stattfindet. Trotzdem sind da Konfliktlinien, und es ist auch nicht leicht, genau auszuloten, wann man dann wieder in ein exklusives System verfällt. Aber eine besondere Zuwendung brauchen manche Schülerinnen und Schüler mit einer Lernbehinderung, mit einer Verhaltensstörung, mit einer geistigen Behinderung, mit einer körperlichen Behinderung.« Ulrich Heimlich: »Auf jeden Fall und ich denke, dass international auch die Tendenz besteht, dass es ganz unterschiedliche Settings gibt, die benötigt werden und diese Settings auch nebeneinander existieren und keineswegs nur dieses eine Modell einer Schule für alle. Also international haben wir mindestens drei Organisationsformen, nämlich schon auch Schulen für alle in dem Sinne, dass da alle Kinder eines Stadtteils hingehen. Aber es gibt dann immer auch einzelne Klassen, zum Beispiel nur für autistische Kinder, das kann man in den skandinavischen Ländern beispielsweise sehen. Oder wir haben eben auch komplett separate Einrichtungen. Selbst bei hoch inklusiven Systemen wie in Norwegen findet man noch spezielle Schulen für einzelne Behinderungsarten, die also auch als geschützter Raum weiter vorgehalten werden. Ich glaube, wir sind bei einem sehr wichtigen Thema, was die Kooperation angeht, und ich möchte aus unserer Erfahrung als sonderpädagogische Lehrkräfte hier einbringen, dass wir häufig in der Kooperation erleben, in so eine Expertenrolle gedrängt zu werden. Jetzt kommen die Sonderpädagogen in irgendwelche allgemeinen Settings, allgemeine Schulen, und die wissen nun, wie die Förderung angelegt sein muss. Wir müssen dann zunächst einmal häufig enttäuschen und ganz einfach sagen, dass diese Schüler uns auch vor Rätsel stellen und diese Kinder und Jugendliche Probleme haben, die wir auch nicht auf Anhieb begreifen. Wir müssen uns auch erst einmal herantasten und versuchen, ein Verstehen in Gang zu setzen. Wir haben im Bereich der Sonderpädagogik die Erfahrung gemacht, wenn wir über gelingende Kooperation in multiprofessionellen Teams mit unterschiedlichen pädagogischen Fachkräften oder auch anderen Fachkräften, wie Therapeuten, Ärzten, Psychologen und so weiter nachdenken, dass es unabdingbar wichtig ist, sich wirklich zu akzeptieren, gegenseitig, in der je spezifischen professionellen Kompetenz. Also, wenn es um das Gelingen von Kooperation geht, dann sind Hierarchien in der Zusammenarbeit zunächst einmal schwierig. Dieser Expertenstatus für sonderpädagogische Lehrkräfte führt nicht zum Gelingen im Bereich der Kooperation. Ich glaube, die Aufgabe ist auch, dass wir lernen müssen, voneinander zu profitieren, voneinander zu lernen. Und viele pädagogische Fachkräfte in allgemeinen Bildungseinrichtungen müssen zunächst einmal

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