Inklusive Bildung. Группа авторов

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Schulreferat der Landeshauptstadt München mit verschiedenen Betreuungsgruppen, also mit der Realschule, mit dem Gymnasium und den anderen betroffenen Schulformen und beraten gemeinsam, was man umsetzen kann, und spiegeln das wieder an die Schulen zurück. Ich finde für den Bereich Inklusion – nicht nur, weil ich es selber mache – aber diese enge Anbindung der Forschung an die Schule wichtig. Wir haben ja eben von Rückmeldung gesprochen. Man muss den Schulen auch einen Blick von außen gewähren, gleichzeitig aber auch den Blick der Schule haben dafür. Ich glaube, dass das eine wichtige Ausrichtung von Forschung ist.« Rudolf Tippelt: »Wenn ich da auch noch einhaken darf, also wir reden manchmal in diesem Zusammenhang von einem bestimmten Modell von Forschung – ich würde das angewandte Grundlagenforschung nennen oder auch umgekehrt grundlagenbasierte Anwendungsforschung. Das heißt immer, dass die Praxis eine Bedeutung hat – und zwar nicht nur als der zu erforschende Bereich, sondern auch als der Bereich, der uns Forschungsfragen signalisiert. Wir Wissenschaftler haben schon die Aufgabe, den Begründungszusammenhang zu liefern, dafür sind wir ausgebildet und das können wir bewältigen, indem wir Befragungen und Beobachtungen, Protokollierungen und so weiter durchführen und auswerten. Aber die Offenheit für Praxisfragen muss da sein und das ist überhaupt nicht selbstverständlich, weder im pädagogischen Bereich noch in anderen wissenschaftlichen Bereichen. Ich möchte noch etwas sagen: Wir reden ja über inklusive Bildung, das sprengt jetzt ein bisschen den Rahmen, aber ich habe hier diesen Bericht »Bildung in Deutschland 2014« vor mir. Das ist also der Nationale Bildungsbericht, der alle zwei Jahre erarbeitet wird. Seit 2008 gibt es jeweils ein Schwerpunktthema. Und 2014 hatten wir das Thema »Bildung von Menschen mit Behinderungen«, da war ich noch im Beirat, insgesamt acht Jahre übrigens. Wir haben inklusive Bildung dort lange thematisiert und auch ein bisschen gestritten, was denn da thematisiert werden soll – weil inklusive Bildung aus einer anderen theoretischen Perspektive auch meint: gender oder Heterogenität. Zur Inklusion gehört auch die Thematik unterschiedlicher sexueller Orientierungen. Dann: Ethnien, das ist natürlich nicht das gleiche wie eine Behinderung, sondern betrifft die Inklusion von unterschiedlichen ethnischen Gruppen mit sehr verschiedenen kulturellen Voraussetzungen. Oder die Inklusion von sozial Deklassierten. Wir haben das damals im Beirat zum nationalen Bildungsbericht alles unter Inklusion auch thematisiert, haben dann aber gesagt: Das ist so breit, wir müssen jetzt den Schwerpunkt setzen und da ist der Schwerpunkt auf Behinderungen gesetzt worden. Mit Recht! Ich will nur sagen, wenn wir von Inklusion gerade in der Allgemeinen Pädagogik sprechen, haben wir manchmal einen breiteren Inklusionsbegriff, der die Kooperation, das Zusammenwirken heterogener Gruppen, ausgesprochen unterschiedlicher Gruppen, meint und auch thematisiert, wobei die Behinderungen einen ganz spezifischen und mit Recht auch einen ganz prägnanten Fokus bilden.« Ewald Kiel: »Aber nicht nur allein. Also ich war gestern an einer Berufsschule mit 2.000 Berufsschülern, wo wir einerseits natürlich Personen mit Migrationshintergrund haben. Aber es gibt auch Schüler mit Autismus-Spektrum-Störungen, es werden regelrechte Klassen für Schüler mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung, als geistige Behinderung, eingerichtet. Und dann gibt es solche praktischen Probleme. Sie haben auch Freigänger oder Personen, die im Gefängnis sitzen. Und dann heißt es: ›Die können wir auf gar keinen Fall mit den Autisten zusammensetzen, die werden aggressiv den Autisten gegenüber, die Autisten können damit nichts anfangen.‹ Die Berufsschule hat einfach große praktische Probleme bei diesen vielen Anforderungen, die Herr Tippelt gerade angesprochen hat. Eine Zusammensetzung der Klasse zu finden, die tragfähig ist. Es ist eines der zentralen Probleme, dass sie sagen: ›Ich kann nicht einfach jeden mit jedem mischen.‹ Das gibt Probleme und die haben Beratungsteams und denken darüber nach, wen kann ich in welche Klasse setzen, damit wir eine vernünftige Lern- und Arbeitsatmosphäre hinkriegen. Und ich bin tief beeindruckt, was für Mühe die sich dort machen und über was für Probleme die dort nachdenken müssen, zum Beispiel das mit den Personen aus dem Gefängnis, den Freigängern und ähnliche Sachen. Das ist mir bisher nicht im Bewusstsein gewesen.« Ulrich Heimlich: »Das führt auch noch einmal auf die Frage hin: Wie gehen wir eigentlich im Bildungssystem mit Heterogenität um? Und Herr Tippelt, Sie haben ja das weite Verständnis von Inklusion auch gerade angedeutet. Ich als Sonderpädagoge sage im Augenblick allerdings, ich habe ein bisschen Angst, dass die Menschen mit Behinderungen da schon wieder an den Rand gedrängt werden. Deswegen konzentriere ich mich auch auf die Inklusion von Menschen mit Behinderung. Aber es ist natürlich ganz wichtig – und das ist auch eine Auswirkung dieser Inklusionsdebatte, die wir haben –, dass wir verstärkt diese unterschiedlichen Heterogenitätsdimensionen oder Diversitäten oder Differenzlinien einfach in den Blick nehmen. Es gibt im Bildungssystem – meiner Überzeugung nach – keine homogenen Gruppen, keine homogenen Lerngruppen, das ist eigentlich eine Weisheit, die seit langem bekannt ist. Die Frage ist einfach: Wie gehen wir mit dieser Heterogenität im Bildungssystem um? Ich bin der Meinung, dass das die größte Herausforderung ist für das Bildungssystem insgesamt: Umgang mit Heterogenität.« Ewald Kiel: »Also wenn ich in der Schulpraxis bin – und ich begleite jetzt verschiedene Schulentwicklungsprozesse z. B. in dem SIM-Projekt hier in München, auch mit den Gruppendiskussionen –, dann ist für die Schulen die wichtigste Ressource, um mit Heterogenität umzugehen, nur eine einzige, und die lautet: Zeit. Wir brauchen Zeit, um uns abzusprechen. Wir brauchen Zeit, um die Gruppen einzuteilen. Wir brauchen Zeit, um uns zu koordinieren. Wir brauchen Zeit, um Förderpläne zu erstellen. Das kostet einfach Zeit, und Zeit ist bekanntermaßen Geld. Politisch wird ja gehofft, dass das alles ein Nullsummenspiel ist, und man spart vielleicht Lehrstühle ein, man spart für die Sachaufwandsträger, dass wenn wir weniger Sonderschulen haben, auch weniger Sachaufwand betrieben werden muss. Die erhoffen sich also eigentlich sogar Einsparungen. Das wird aber nicht der Fall sein. Und wieder sagen die Kolleginnen und Kollegen an der Schule: Zeit ist das zentrale Moment, um das Ganze gelingen zu lassen. Ich stimme ihnen in dieser Absolutheit nicht zu, aber ich denke, sie haben Recht und das kostet wirklich viel Geld.« Rudolf Tippelt: »Das andere ist auch die Akzeptanz von Heterogenität, wie Herr Heimlich sagt. Das ist jetzt mehr ein sozialer und vielleicht auch ein psychologischer Hinweis: Also es ist nicht möglich, es ist schlichtweg eine schlechte Utopie sogar, im pädagogischen Bereich alles homogen machen zu wollen. Das geht nicht! Wir müssen miteinander arbeiten, auch mit heterogenen Gruppen, wie Sie sagen. Das heißt nicht, dass wir durch Ausschluss die Heterogenität in dieser ohnehin schon sehr heterogenen Gesellschaft noch weitertreiben. Da gibt es dann eben diese Brücken der Zusammenarbeit und des Wieder-Inklusiven-Zurückführens, aber trotzdem bleibt auch in der inklusiven Bildung der Lernende und bleiben die Lernenden enorm heterogen. Für dieses hohe Maß an sozialer Differenziertheit, aber auch personaler Unterschiedlichkeit, müssen wir – glaube ich – ein hohes Maß an Akzeptanz und an Sensibilität mit erzeugen. Das ist Aufgabe von Professionalisierung, auch in unserer Ausbildung der Lehrkräfte und anderer pädagogischer Fachkräfte.« Ulrich Heimlich: »Das führt uns natürlich auch zu der Frage nach den Grenzen. Gibt es Grenzen der Inklusion? Das wird ja auch immer wieder in der Inklusionsdebatte angeführt. Eine Schulleiterin einer inklusiven Schule hat mir einmal gesagt, dass sie das Motto entwickelt haben: ›Grenzen sind Aufgaben.‹ Also wie sieht das aus mit den Grenzen der Inklusion, schrecken wir davor zurück oder betrachten wir sie als Möglichkeiten, als Aufgaben, um Grenzen auch zu verschieben? Ewald Kiel: »Also ich hasse den Satz ›Grenzen sind Aufgaben‹. Das muss ich deutlich sagen. Der ist mir so idealistisch. Natürlich gibt es Grenzen, das ist keine Frage. Für mich ist Inklusion eine Art Schieberegler. In der vor-inklusiven Zeit, vor der UN-Behindertenrechtskonvention, ist der Schieberegler ganz stark auf Exklusion gestellt gewesen, gar keine Frage, und das hat mit Stigmatisierung und all diesen Dingen zu tun. Wir schieben nun den Regler mehr in Richtung Inklusion. Aber er wird niemals an den 100 Prozent sein, dieser Schieberegler, es wird immer Personengruppen geben, die permanent oder auch nur zeitweise ein exklusives Setting brauchen. Ich beschäftige mich gerade ganz intensiv mit der Geistigbehindertenpädagogik. Schwer geistig behinderte Kinder, die

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