Inklusive Bildung. Группа авторов

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was ich in verschiedenen Diskussionsgruppen tue, sagen die: ›Um Himmels Willen, ich möcht nicht, dass mein Kind in die Regelschule kommt, das geht dort unter.‹ Und natürlich gibt es eine Klientel, der Exklusivität oder Exklusion guttut. Oder wenn man das von der anderen Seite, von der Lehrerseite, her betrachtet: Das, wovor Lehrer am meisten Angst haben, sind verhaltensauffällige Kinder oder Kinder mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung, wie man heute sagt. Natürlich kann ich nicht in eine Klasse mit 35 Kindern fünf Kinder mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung stecken. Das geht einfach nicht. Das ist eine Grenze von Inklusion. Ein Kind, ein einzelnes Kind mit schweren Bindungsstörungen, kann eine Klasse mit 25 Kindern allein zum Kippen bringen. Man muss einfach im Einzelfall überprüfen, was möglich ist. Und mit einer offenen Haltung mehr möglich machen, als man im ersten Moment ablehnen würde. Aber es gibt ohne Zweifel Grenzen.« Rudolf Tippelt: »Also ich würde es anders formulieren: Es gibt Grenzen bei den organisatorischen Voraussetzungen. Wenn jemand glaubt, inklusive Bildung findet immer nur in der gleichen Institution statt, ja dann gibt es Grenzen, wobei schon diese Strategie eine Grenze aufwirft, weil sie Stigmatisierungen möglicherweise sogar schon provoziert, auch in einer engen Gruppe. Es gibt keine Grenzen, würde ich sagen, wenn ich von diesem anfangs formulierten Menschenrechtsanspruch ausgehe. Da muss man normativ reden, in einer demokratischen, in einer partizipativen Gesellschaft gibt es keine Grenzen der inklusiven Bildung, wenngleich man sich dann Bildung natürlich nicht so vorstellen darf, dass das alles in der gleichen Institution oder in derselben Institution geschieht. Da gibt es spezifische sonderpädagogische Einrichtungen, trotzdem aber mit dem Anspruch, dass alle Menschen den Anschluss an diese Gesellschaft in einem optimalen Rahmen auch erreichen können. Unter einem solchen Gesichtspunkt würde ich sagen: Inklusion ist dann grenzenlos. Wenn man das dann evaluiert, werden wir immer, im Augenblick jedenfalls, hinter diesen Zielen, die aber erst einmal vielleicht benchmarks sind, hinterherhinken, aber als humaner pädagogischer Anspruch – würde ich sagen – ist inklusive Bildung grenzenlos.« Ewald Kiel: »Dem würde ich nicht zustimmen. Das muss ich deutlich sagen. Gerade, weil Kinder und Jugendliche immer in Institutionen gebildet werden oder Bildung erfahren, muss man auch die Seite der Lehrkräfte sehen. Das muss man schon sagen. Was können die aushalten? Und ich sage wiederum, eine Klasse mit 35 Kindern und davon fünf verhaltensauffällig, das geht nicht.« Rudolf Tippelt: »Ja, das sag ich ja auch, ja. Nur wird da der Anspruch einfach fehlerhaft umgesetzt, und zwar radikal fehlerhaft. Aber der Anspruch der inklusiven Bildung, in einer partizipativen, demokratischen, den Menschenrechten gerecht werdenden Gesellschaft, der ist unbeschränkt.« Ulrich Heimlich: »Also ich glaube hier ist die Sonderpädagogik als Brückenbauerin gefragt, die beiden Positionen widersprechen sich letztlich eigentlich nicht. Denn der Anspruch der inklusiven Bildung, wenn wir davon ausgehen, dass die UN-Konvention Menschenrechte definiert, ist tatsächlich universal und ist auch nicht teilbar auf einer normativen Ebene. In der praktischen Umsetzung kann es davon vielfache Abstriche geben und daran krankt eben die Inklusionsdebatte in Deutschland, dass diese beiden Ebenen immer verwechselt werden, also die normative Ebene und die Ebene der praktischen Umsetzung. Und ich habe ja schon gesagt, ich glaube, dass es wirklich ein Ausweis von pädagogischer Professionalität ist, dass man in der Lage ist, dieses Spannungsverhältnis auszuhalten. Wir haben alle Ideale und Zielsetzungen unserer pädagogischen Arbeit im Kopf, ich weiß nicht, wann wir die tatsächlich irgendwann einmal vollständig umgesetzt haben in unserer Praxis. Wir müssen alle aushalten, dass die, wie Hartmut von Hentig einmal gesagt hat, ›schmuddelige Erziehungswirklichkeit‹ davon abweicht. In diesem Spannungsverhältnis findet das – meiner Meinung nach – statt. Insofern würde ich gerne versuchen, zwischen den beiden Disziplinen Schulpädagogik und Allgemeiner Pädagogik eine Brücke zu bauen.« Ewald Kiel: »Wir stehen uns da nicht feindlich gegenüber. Da bin ich ganz sicher. Wir haben nur eine andere Perspektive auf den Phänomenbereich.« Ulrich Heimlich: »Gut, dann haben wir ja schon einmal eine Inklusionsleistung erbracht hier am Tisch. Ich würde vorschlagen, dass wir noch einmal versuchen, den Blick ein bisschen zu öffnen, über die Ländergrenzen hinaus. Es gibt ja in Deutschland durchaus eine eigenständige Entwicklung im Bereich der sonderpädagogischen Institution nach 1945. Also ich wüsste kein anderes Land der Welt, das ein ähnlich differenziertes Sonderschulsystem ausgebaut hat, im Grunde genommen praktisch für jede Behinderungsart eine eigene Schule. Das gibt es so nicht noch einmal, das ist international gesehen eine singuläre Entwicklung. Wie sehen wir das Verhältnis zu den anderen Ländern? Gibt es da andere Modelle der Inklusion, weiterreichende Modelle, wie wirkt sich das aus auf Deutschland?« Rudolf Tippelt: »Da bin ich jetzt etwas skeptisch. Nach meinen Informationen sind in Deutschland derzeit etwa sieben Prozent eines Schülerjahrgangs in ausdifferenzierten sonderpädagogischen Einrichtungen. Ich hatte vorher schon gesagt, wir brauchen solche Einrichtungen, weil wahrscheinlich in den Regelunterricht nicht alle wirklich so integrierbar sind, dass sie profitieren, sondern dass sie sogar Schaden nehmen, weil sie abgehängt werden, weil sie möglicherweise auch diskriminiert werden. Vermutlich ist die Quote der förderbedürftigen jungen Menschen auch heute höher als die Quote jener, die sonderpädagogische Einrichtung besuchen. In anderen Ländern differieren diese Quoten. Aber grundsätzlicher ist die Auffassung, dass man die sonderpädagogischen Einrichtungen vollkommen auflösen soll. Da bin ich sehr skeptisch und zwar aufgrund dieser jetzt schon formulierten Probleme, dass dann möglicherweise Kinder, und übrigens auch Familien, Schaden nehmen, wenn wir das tun, durch Diskriminierung, die dann vielleicht überhaupt erst so richtig zum Ausdruck gebracht wird. Also da müssen wir sehr aufpassen, sehr sensibel vorgehen und die Gesellschaft kann sich hier nicht nur von Normen leiten lassen. Da würde ich sagen, sind wir international auf einem sehr guten und auch differenzierten Niveau. Manchmal habe ich, Herr Heimlich, Sie wissen das vielleicht besser, den Eindruck, dass die sonderpädagogischen Spezialisierungen selbst ein wenig inklusiver zusammenarbeiten könnten. Ich weiß nicht, ob das alles in eigener Regie gemacht werden muss oder ob man nicht gewisse theoretische Grundlagen gemeinsam diskutieren könnte, eine gewisse Basisdiagnostik gemeinsam machen könnte, methodologische und wissenschaftstheoretische Grundlagen – übrigens auch gemeinsam mit der Allgemeinen Pädagogik oder der Schulpädagogik – entwickeln könnte. Als ich Dekan hier in unserer Fakultät war, hatten wir uns manchmal mehr Inklusion zwischen den sonderpädagogischen Lehrstühlen und Teildisziplinen gewünscht, wenngleich ich schon sehe, dass natürlich die konkrete Symptomatik und das konkrete Bild der Behinderungen sehr unterschiedlich ist. Und trotzdem hoffe ich – auch bundesweit –, dass innerhalb der Sonderpädagogik noch mehr Zusammenarbeit, ich nenne es jetzt mal provokativ: ›Inklusion‹, stattfindet. Das scheint mir möglich und auch sinnvoll, nicht im Interesse von Personaleinsparungen, um da nicht missverstanden zu werden, sondern im Interesse einer gemeinsamen Problemsicht und einer nicht zu starken Aufspaltung und Zerstückelung von Kompetenzen in diesem Feld.« Ewald Kiel: »Man kann vom Blick in andere Länder natürlich immer lernen, aber das Vergleichen ist auch nicht ohne Probleme. Ich denke, standardisierte Lösungen gibt es nicht. Das Schulsystem in Deutschland muss ein anderes sein als in Finnland. Wir sind ein dicht besiedeltes Land. In Finnland sind zwischen den Schulen 80, 100, 150 Kilometer Entfernung. Es gibt einen großen Teil der Schulen, die nur 50 Schüler haben. Da ist Inklusion viel leichter, als wenn man in einer Berufsschule mit 2.000 Schülern arbeitet, die es wahrscheinlich in ganz Finnland nicht gibt, vielleicht in Helsinki. Und ich finde, man muss darauf achten, in welchen Kontexten Inklusion eingeführt wird und welche organisatorischen Rahmenbedingungen vorhanden sind, welche demografischen Rahmenbedingungen vorliegen. Deswegen bin ich diesen Ländervergleichen gegenüber misstrauisch. Es heißt ja immer, die Finnen sind schon viel weiter als wir. Oder wenn man sich die Statistik der European Agency of Special Needs Education anschaut. Da gibt es dann so ein Ranking. In Österreich sind angeblich 90 Prozent inkludiert, in Italien 85, in Deutschland nur 56. Die Statistik ist einfach krank, anders

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