Zeit zählt. Andrew Abbott

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Zeit zählt - Andrew Abbott Positionen – Sozialforschung weiter denken

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Ereignis ist.28 Vielmehr theoretisiert er ein Ereignis von vornherein als Konzept. Er möchte damit die willkürliche Zuschreibung von »ereignishafter« Bedeutsamkeit an alle möglichen historisch-sozialen Phänomene verhindern, vor allem geht es ihm aber darum, überhaupt bestimmte Gegenstände als (problematische) Entitäten begreifen zu können. Damit adressiert er zum anderen ein für alle Sozialwissenschaftlerinnen zentrales Problem, wie es auch im Aufsatztitel mit dem dortigen Verweis auf jenes schwer ins Deutsche übersetzbare Wort »colligation« aufscheint: Hier wird die Frage angeschnitten, wie Vorkommnisse verknüpft sind. Gemeint ist damit das begründungsbedürftige Zusammenziehen von bestimmten empirischen Vorkommnissen zu einem ereignisförmigen Gesamtphänomen. Ein Beispiel ist die von Historikerinnen wie von Soziologen zu lösende Frage, ob und wie Bismarcks außenpolitische Schachzüge aus der Zeit vor 1870/71 konstitutiver Teil eines Gesamtplans zur Schaffung des Deutschen Reiches waren oder eben nicht, was genau also als indikative Einheit der Analyse zu gelten habe und was nicht. Forschende stehen somit vor der Aufgabe, nach den empirischen Elementen der Kolligation zu fragen, wobei es sich nicht zwingend nur um konkrete Subjekte handeln muss. Abbott sieht nämlich jede Form des methodologischen Individualismus kritisch, da er geltend macht, dass Individuen nicht per se oder von vornherein die maßgeblichen Einheiten sind, die soziale Prozesse antreiben.29

      Das bedeutet Abbott zufolge dann aber auch, dass man mit Blick auf Professionen nicht von einer einmal gegebenen Identität zu sprechen hat, sondern von einem ständigen, die Profession insgesamt erst konstituierenden Aushandlungsprozess, der eben nur über Ereignissequenzen zu analysieren ist.

      In letzter Konsequenz geht es Abbott dabei um mehr als »nur« Historische Soziologie, nämlich um die grundlegende Revision einer (zeitgenössischen) Soziologie, die seiner Auffassung nach zu einer hochgradig problematischen, wenn nicht falschen, weil nicht prozesshaften Beschreibung der sozialen Realität tendiert. Konsequenterweise wird sich Abbott dann ab den 1990er Jahren in immer neuen Anläufen der Formulierung einer prozesssoziologischen Alternative widmen, einem Vorhaben, das in die damalige Forschungslandschaft so recht nicht passte und deshalb die nun schon mehrfach erwähnten Rezeptionsschwierigkeiten begründete.

      IIIAuf der Suche nach sozialtheoretischer Anschlussfähigkeit

      Es gibt eine Reihe von Gründen, warum Abbotts Argumente in den 1980er Jahren zwar zur Kenntnis genommen werden, tatsächlich aber nur wenig ausrichten. Der Punkt ist dabei offensichtlich nicht, dass er nicht alle und jeden sofort überzeugte. Das konnte ein junger Nachwuchswissenschaftler nicht erwarten. Auffallend ist aber schon, wie wenig anschlussfähig Abbott in manchem nationalen und disziplinären Kontext damals war, was sich freilich mittlerweile geändert hat oder sich zumindest zu ändern beginnt.

      a. Radikaler Historismus

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