Der Immun-Kompass. Imre Kusztrich

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Der Immun-Kompass - Imre Kusztrich

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Zellen an ihrer Oberfläche eine Andockstelle, einen Rezeptor. Durch Kontakt gibt sich daran ein möglicherweise gefährlicher Stoff zu erkennen. Diese Gruppe der Störer wird als Antigene bezeichnet. Es ist beispielsweise ein Virus oder auch der Abfallrest eines von der Körperabwehr vernichteten Eiweißmoleküls, beispielsweise von einer geschädigten Zelle im Begriff, zu einer Krebszelle zu mutieren. Auf Grund einer Alarmsituation durch die T-Zellen werden Eiweiße gebildet, die in der Lage sind, Antigene zu killen oder zu zerstören. Diese Kämpfer im Dienst des Immunsystems heißen Antikörper.

      In dieser Rolle ist die Thymusdrüse in den ersten Lebensjahren wesentlich am weiteren Aufbau des Immunsystems beteiligt.

      Das Ergebnis einer Studie aus der chinesischen Stadt Wuhan belegte im Juni 2020: Patienten mit einer geringen Zahl dieser bestimmten T-Zellen haben das wesentlich größere Risiko, schwere Erkrankungen wie eine Lungenentzündung oder eine zu starke Blutgerinnung zu entwickeln (Quelle: „EBioMedicine“).

      Diese spezielle Form von Killerzellen agiert im Idealfall optimal mit der größten Untergruppe der weißen Blutkörperchen, die sich tatsächlich in der Blutbahn befinden. Durch Erreger oder Fremdkörper oder zerstörte Körperzellen werden sie – neutrophile Granulozyten genannt – in die bedrohten Gewebe gelockt, wo sie als Fresszellen – Phagozyten genannt - tätig werden.

      Im Idealfall funktioniert das optimal. Bei bestimmten Erkrankungen ist die Anzahl der „Neutros“ jedoch so sehr erhöht, dass sie die Menge an total wichtigen T-Zellen verringern oder deren Potenziale unterdrücken. Das muss vermieden werden. Denn danach haben es Viren und andere Pathogene leichter, ihren Weg der Zerstörung fortzusetzen.

      Ein gefährliches Übergewicht an neutrophilen Granulozyten wird beispielsweise bei Herzinfarkt, Übersäuerung des Körpers, Schilddrüsenüberfunktion oder bei Chemotherapie ermittelt.

      Auch altersbedingt, bei schwerem Übergewicht und unter Medikamenten zur Abwehrunterdrückung nach einer Transplantation sinkt die Zahl der T-Zellen.

      Spätestens im Verlauf des vierten COVID-19-Monats 2020 wurde erkannt, dass Übergewichtige eine Gruppe mit den höchsten SarsCoV-2-Risiken bilden, unabhängig von ihrem Alter. Die Wahrscheinlichkeit eines schweren Infektionsverlaufs mit hohem Body Mass-Index ab 30 war vergleichbar mit einem stark geschwächten Immunsystem oder einer chronischen Erkrankung der Lunge oder der Nieren. Das setzt in den U.S.A. etwa 40 Prozent der Bevölkerung einer erhöhten Gefahr aus.

      In einer britischen Studie, die auf 17 Millionen Bürgerinnen und Bürger blickte, stellte sich heraus, dass die Sterblichkeit bei COVID-19 bei schwerem Übergewicht etwa doppelt so groß war wie bei Menschen mit Normalgewicht. Die Bedrohung stieg mit höherem BMI immer weiter an.

      Ähnliche Zusammenhänge wurden bei Grippeepidemien in den 1950er und 1960er Jahren und in der H1N1-Pandemie 2009 ermittelt.

      Erst waren reine körperliche Atembeschwerden bei schwerem Bauch als Ursache vermutet worden. Inzwischen stehen Fettzellen im Blickpunkt. Sie produzieren und sie regulieren Hormone, sie vermehren Eiweiße mit der Eigenschaft, Blut zu verklumpen, und sie reduzieren ein Hormon, das Lungengewebe vor Entzündungen schützt. Schon der letzte Punkt könnte erklären, warum bei Übergewichtigen die Lunge versagt. Blutklumpen können Herzattacken, Schlaganfälle und Lungenprobleme verursachen – alles Probleme, die sich bei Patientinnen und Patienten mit COVID-19 häufen.

      Außerdem weisen Menschen mit Übergewicht mehr Andockstellen der Kategorie ACE2 für das Virus Sars-CoV-2 auf, und zwar noch mehr als Lungengewebe. Es sind offene Tore für das Eindringen eines Virus und der Start seiner unkontrollierbaren Vermehrung. Es könnte schlicht bedeuten, dass Übergewichtige mehr Viren in sich tragen, mit denen das Immunsystem fertig werden muss (Quelle: „Why Does Obesity Increase Your COVID Risk?“ WebMD. 20. Juli 2020).

      Mediziner aus Wuhan, Virologen an der Uniklinik Essen und Wissenschaftler der Gesellschaft für Virologie, Düsseldorf, waren sich auf Grund dieser Erkenntnisse einig: Bei mit dem Virus sars-CoV-2 oder mit anderen Keimen Infizierten sollte unverzüglich versucht werden, die Killerzellen zu stimulieren, zum Beispiel mit den Vitaminen A und C und mit Impfstoffen.

      In einem Milliliter Blut werden 10.000 weiße Blutkörperchen vermutet. Das wären insgesamt 50 Millionen, die alle innerhalb weniger Tage erneuert werden müssen. Übrigens, genauso viele Zellen, 50 Millionen, entstehen in unserem Körper in jeder einzelnen Sekunde, durch Teilung und Kopieren.

      Meistens sind bakterielle Enzyme, also Substanzen mit chemischen Wirkungen, ihre Gegner. Alle bedrohlichen Kategorien werden unter günstigen Voraussetzungen von den T-Zellen beseitigt.

      Im Sinne ihres Erfinders, der Evolution, richtet sich die angeborene Fähigkeit zur Einleitung von Entzündungen idealerweise nur gegen Mikrolebewesen, die getötet und entsorgt werden können. Im modernen Leben haben sich die Gesichter unserer Krankheiten jedoch gewaltig verändert, was das Immunsystem auf einen Irrweg locken kann.

      Fresszellen steuern für gewöhnlich kranke oder kaputte Zellen an, umfließen sie und verleiben sie sich ein. Gegen Viren funktioniert dieses Zerstörungsprinzip jedoch nicht. Die Aktivierung der Fresszellen gegen diese Bedrohung kann so zur Gefahr werden. Offensichtlich startet das Immunsystem mit bestimmten Signalen starke Entzündungswellen, um immer mehr neue Fresszellen zu aktivieren und um die sich rasant vermehrenden Viren loszuwerden. Es ist, als werde ein Schalter umgelegt. Bestimmte Voraussetzungen erhöhen diese Wahrscheinlichkeit, wozu ein höheres Alter, Übergewicht, Bluthochdruck und Diabetes zählen.

      Bei Älteren neigt das Immunsystem eher zu entzündlichen Reaktionen (Quelle: Dr. Thomas Kamradt, Deutsche Gesellschaft für Immunologie. DER SPIEGEL, 11. 06. 2020).

      Vermutet wird, dass rasch anwachsende Fettzellen kontinuierliche besonders gefährliche Reaktionen nach sich ziehen. Vielleicht wegen Sauerstoffmangels rufen diese Gewebe das Immunsystem zu Hilfe. Statistisch steigen dadurch die Risiken von inflammatorischem Stress und von Krebs.

      Während der Coronapandemie mussten in New Yorker Krankenhäusern überproportional viel mehr Patientinnen und Patienten mit einem Body Mass-Index von 30 und darüber behandelt werden. Aus Daten von mehr als 4.100 Infizierten wurde glaubhaft errechnet: Bei einem männlichen Patienten um die 50 Jahre, 1,80 Meter groß und 96 Kilo schwere – das entspricht einem B.M.I. von 30 – resultierten diese Belastungen in einer Vervierfachung des Sterberisikos. Ab einem B.M.I. von 40 erhöhte sich die Todeswahrscheinlichkeit auf das Sechsfache.

      Entzündliche Prozesse werden irrtümlicherweise auch durch Stresszustände, durch Umweltchemikalien, durch Medikamentenwirkstoffe und Nahrungszusätze verursacht. Sogar das so genannte toxische Sitzen, ein stundenlanger bewegungsarmer Lebensstil (sedentary behaviour, „Deutschland sitzt sich krank“) wird vom überwachsamen Organismus als ein Erkrankungszustand gewertet, der bekämpft werden muss. Wieder ist die Entzündung die erste Wahl.

      Eine einzige Runde von neun anstrengenden Minuten im Fitnessstudio änderte von 17.662 Molekülen im Blut 9.815.

      Geleistet wurden rhythmische Gymnastikübungen mit geringer Intensität, die den Ausübenden noch genug Luft zum Sprechen ließen.

      Die Testpersonen waren 40 Jahre alt oder darüber. Innerhalb einer Stunde verzeichneten Wissenschaftler im Anschluss zuerst einen steilen Anstieg von Signalstoffen, die eine Entzündung befürworten, und danach ihr Austausch zugunsten von entzündungshemmen den Molekülen. Im Wesentlichen hatten die von Bewegung beeinflussten Blutanteile Funktionen im Stoffwechsel, im Immunsystem, in der Reparatur beschädigter Zellen und in der Erzeugung von Appetit.

      Nicht jeder Organismus, der für diese Arbeit gemessen wurde, reagierte ähnlich. Große Unterschiede zeigten sich

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