Entstehung und Geschichte der Weimarer Republik. Arthur Rosenberg

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Entstehung und Geschichte der Weimarer Republik - Arthur Rosenberg eva digital

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Aristokratie. Die Zaberner Gegend ist zufällig der einzige Bezirk Elsaß-Lothringens mit protestantischer Mehrheit. Dort hatte sich die reichstreue Gesinnung in Elsaß-Lothringen zuerst durchgesetzt. Lange Jahre war der Zaberner Wahlkreis, allein im Elsaß, durch einen konservativen Abgeordneten vertreten. Trotzdem hatte die Zaberner Bevölkerung sich eine solche Behandlung gefallen lassen müssen.

      Im Reichstag wurde das Militär vom Kriegsminister von Falkenhayn schroff und scharf, vom Reichskanzler von Bethmann-Hollweg in seiner üblichen hilflosen Art verteidigt. Das Haus geriet in eine Erregung gegen das Offizierskorps, die in der ganzen Geschichte des deutschen Reichstags noch nicht dagewesen war. Der Verurteilung der Zaberner Vorfälle durch Sozialdemokraten und Liberale schloß sich das Zentrum an. Die wirksamste Rede gegen das herrschende Militärsystem hielt damals der badische Zentrumsabgeordnete Fehrenbach. Die Konservativen waren völlig isoliert. Mit 293 gegen 54 Stimmen bei 4 Enthaltungen stellte der Reichstag am 4. Dezember 1913 fest, daß er die Haltung der Regierung in der Zabern-Affäre mißbillige.

      Die wichtigste politische Lehre aus der Zabern-Angelegenheit war, daß auch die vorsichtige Zentrumsführung mitgerissen wurde, wenn eine große oppositionelle Massenbewegung einsetzte. In wirklich ernsten Situationen hatten die preußischen Konservativen und das herrschende preußische System am Zentrum keine Stütze. Wilhelm II. und Bethmann-Hollweg faßten, ebenso wie das Offizierskorps, den Zabern-Streit als Prestigefrage des herrschenden Systems auf. Das Militär behielt auf der ganzen Linie recht. Oberst von Reuter wurde am 10. Januar 1914 vom Kriegsgericht Straßburg freigesprochen. Die große Mehrheit des Volkes und des Parlaments mußte sich damit abfinden. Ein halbes Jahr später brach der Weltkrieg aus.

      Der Krieg überraschte das deutsche Volk in einer innenpolitisch unhaltbaren und untragbaren Situation. Von 1908 bis 1914 hatte sich der Gegensatz zwischen der regierenden Aristokratie und den Massen des Volkes immer mehr zugespitzt. Ereignisse wie die »Daily-Telegraph«-Affäre, die Wahlen von 1912 und der Zabern-Streit bedeuteten zwar noch keine Revolution, aber es waren die typischen Vorgänge einer vorrevolutionären Epoche. Wäre 1914 der Krieg nicht ausgebrochen, so hätten sich die Konflikte zwischen der kaiserlichen Regierung und der großen Mehrheit des deutschen Volkes immer mehr gesteigert, bis zu einer direkt revolutionären Lage. So hat der Kriegsausbruch zunächst die innerpolitische Kluft überbrückt, aber nicht beseitigt. Je länger der Krieg dauerte und je schwieriger er wurde, um so stärker durchbrachen die vorhandenen Gegensätze die Hülle des »Burgfriedens«, bis dann Krieg und Revolution eins wurden.

      Bismarck war der Ansicht, daß das Hohenzollern-Kaisertum trotz aller Schwierigkeiten seine innerpolitischen Gegner niederhalten könne, wenn nur der Frieden erhalten blieb. Wilhelm II. war ebenfalls bemüht, den Frieden zu bewahren. Hatte er um 1890 den russisch-französischen Krieg als unvermeidlich angesehen, so neigte er später immer mehr zur Überzeugung, daß es gelingen werde, den Frieden zu erhalten. Aber um den Frieden zu verteidigen, dazu genügt nicht die friedliche Gesinnung, sondern dazu ist vor allem eine entsprechende geschickte Politik erforderlich. Wilhelm II., seine Reichskanzler von Caprivi bis Bethmann-Hollweg und seine nähere Umgebung haben niemals den Krieg gewollt. Aber sie haben durch ungeheure Fehler Deutschland in die Situation hineinmanövriert, die zum Juli 1914 führte.

      Innen- und Außenpolitik eines Staates sind voneinander nie zu trennen. Denn beide sind gleichmäßig der Ausdruck der im Staate herrschenden gesellschaftlichen Kräfte. Das innerpolitische Kräfteverhältnis Deutschlands legte die entscheidende Macht in die Hand des Kaisers, auch wenn er zur Diplomatie so wenig befähigt war wie Wilhelm II. Das Planlose und Sprunghafte seines Wesens erregte überall Mißtrauen. Die ausländischen Mächte zweifelten daran, daß es überhaupt möglich sei, mit Deutschland unter Wilhelm II. stabile Politik zu treiben. So wurde das Vertrauen zur deutschen Politik im Ausland, das Wilhelm I. und Bismarck geschaffen hatten, zerstört. Die Neigung Wilhelms II. zu pathetischen und drohenden Worten verstärkte das Mißtrauen, obwohl auf die starken Reden keinerlei Taten folgten.

      Wilhelm II. hat sich redlich bemüht, die Beziehungen Deutschlands zu Rußland und zu England zu bessern, und auch gegen Frankreich hatte er keine feindlichen Absichten. Gelegentliche kaiserliche Kraftausdrücke in den berühmten Randbemerkungen zu den Akten darf man nicht zu ernst nehmen. Trotzdem hat Wilhelm II. für Deutschland keine stabile politische Situation schaffen können. Auf Grund der bestehenden Reichsverfassung war aber die Führung der Außenpolitik, außer durch eine Revolution, dem Kaiser nicht zu entreißen!

      Die preußische Aristokratie hatte an sich gar keinen Grund zu einer imperialistischen, kriegerischen Politik. Denn der ostpreußische Gutsbesitzer trieb keinen Handel mit China und besaß keine Bergwerke in Marokko. Der tiefste Grund der außenpolitischen Schwierigkeiten Deutschlands war vielmehr die wirtschaftliche Expansionskraft des deutschen Bürgertums und die dadurch erzeugten Verstimmungen der Konkurrenten, vor allem in England. Aber hätte Deutschland eine rein bürgerliche Regierung gehabt, so wie England oder Amerika, so hätte das Bürgertum selbst planmäßig seine Expansion organisiert. Das Bürgertum hätte selbst die Verantwortung für seine politischen Interessen tragen müssen. Es hätte sich überlegt, was erreichbar war und was nicht. Es hätte seine Kräfte nicht zersplittert und sich nicht an allen Enden der Welt zugleich Feinde erweckt.

      So aber beeinflußte das Bürgertum unter Wilhelm II. die Außenpolitik nicht planmäßig in politischer Form, sondern die einzelnen im Ausland interessierten Firmen bearbeiteten um die Wette den Kaiser und die Reichsstellen. Der Kaiser und der Reichskanzler hielten es für ihre Pflicht, den Forderungen der Wirtschaft entgegenzukommen. So entstand das Chaos der wilhelminischen Außenpolitik aus zwei Quellen: erstens aus der planlosen und verwirrten Arbeitsweise des Kaisers und zweitens aus dem ebenso planlosen Durcheinander der einzelnen Firmeninteressen.

      Wilhelm II. begann seine selbständige Außenpolitik mit der Nichterneuerung des Rückversicherungsvertrages mit Rußland. Die Folge war der Zweibund Rußland-Frankreich, an dessen Vermeidung Bismarck zwanzig Jahre lang erfolgreich gearbeitet hatte. Auch wenn Rußland und Frankreich keinen militärischen Angriff auf Deutschland unternahmen, war seitdem die Lage Deutschlands außerordentlich verschlechtert. Denn die deutsche Politik geriet so in die Abhängigkeit von dem guten Willen Österreichs und Englands. In der Zeit von 1890 bis zum russisch-japanischen Krieg und bis zur ersten russischen Revolution war der Zweibund noch ebensosehr gegen England wie gegen Deutschland gerichtet. Der historische Wettstreit zwischen Rußland und England um die Herrschaft in Asien schien der Entscheidung entgegenzureifen. Zur selben Zeit kämpfte England mit Frankreich um den afrikanischen Kolonialbesitz, ein Gegensatz, der im Faschoda-Streit seinen Höhepunkt fand.

      Damals um die Jahrhundertwende war die englische Politik zu einem Bündnis mit Deutschland bereit. Man empfand zwar in England die wachsende Konkurrenz des deutschen Kaufmannes unangenehm. Aber die Gefahr, daß der Zar eines Tages China und Indien erobern und damit der britischen Weltgeltung den Todesstoß versetzen würde, war größer. So entstand Chamberlains Projekt des Bundes Deutschland-England-Japan gegen Rußland-Frankreich. Die Stellung Deutschlands in einem solchen Bunde mit England wäre keine sehr erfreuliche gewesen. Deutschland hätte gezwungen werden können, in einem Weltkrieg an der Seite Englands wesentlich für englische Interessen zu kämpfen, ohne vor plötzlichen Wendungen der englischen Politik sicher zu sein, wie sie sich jederzeit durch einen Ministerwechsel in London maskieren ließen. Immerhin hat auch Bismarck in der letzten Zeit seiner amtlichen Tätigkeit ein Zusammengehen des Dreibundes mit England gegen die russisch-französische Gefahr erwogen. Die Situation Deutschlands im Bunde mit England wäre nicht ideal gewesen, aber doch unendlich besser als die Lage von 1914.

      Wilhelm II. und seine Ratgeber lehnten das Bündnis mit England ab. Für eine solche Haltung ließen sich gute Gründe anführen. Aber wenn die deutsche Politik entschlossen war, den wirtschaftlichen und maritimen Wettkampf mit England aufzunehmen, so war nur eine Folgerung möglich: nämlich die Verständigung mit Rußland und Frankreich zur Schaffung eines kontinentalen Blocks gegen die englische Seemacht. Der Bau der deutschen Flotte konnte doch nur den Sinn haben, daß die deutsche Marine, im Bunde mit der französischen, England gewachsen sein sollte. Eine deutsche Flotte

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