Entstehung und Geschichte der Weimarer Republik. Arthur Rosenberg

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Entstehung und Geschichte der Weimarer Republik - Arthur Rosenberg eva digital

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Arbeitermasse, politisch und wirtschaftlich ohne Bewegungsfreiheit, verkörpert vor allem in der Sozialdemokratie. Wie standen zu diesen beiden Fronten die übrigen Schichten des Volkes, also politisch das Zentrum und die Fortschrittspartei, sozial die nichtsozialistischen Arbeitnehmer, der kleine Mittelstand, die Kaufleute und vor allem die Bauern?

      Es muß dabei gleich hervorgehoben werden, daß ein großer Teil der Wähler der Konservativen und Nationalliberalen aus den Mittelschichten und dem Bauerntum sich im Laufe des Krieges von der Parteiführung lossagte, die sie bei den Wahlen 1912 unterstützt hatten. Das ist ein Prozeß, der parteipolitisch kaum in Erscheinung trat, ohne den aber die Revolution von 1918 nicht zu verstehen ist.

      Im Zentrum fühlten die christlichen Arbeiter dieselben wirtschaftlichen und politischen Nöte wie die sozialdemokratische Arbeiterschaft. So kam es zu einer Annäherung der sozialistischen »freien« und der christlichen Gewerkschaften, zum Beispiel in der preußischen Wahlrechtsfrage. Auf der anderen Seite stand die alte konservative Führergruppe des Zentrums, die bis zum Frühjahr 1917 die Partei in der Hand behielt. Diese hohen Staatsbeamten und hohen katholischen Geistlichen suchten die konservativen Kräfte zu stützen. Sie suchten politisch Anschluß an die Konservativen und Nationalliberalen, und konservativ gestimmte Bischöfe wollten es verhindern, daß die christlichen Gewerkschaften im Kriege die preußische Wahlrechtsfrage aufrollten7. Im Frieden hatte die konservative Führergruppe des Zentrums die Herrschaft über die Partei dadurch behauptet, daß sie die Bauern gegen die Arbeiter ausspielen konnte. Aber die Stimmung der deutschen Bauernschaft, der evangelischen und der katholischen, änderte sich im Kriege radikal8.

      Zunächst hatte die physisch kräftige, für den Felddienst besonders geeignete Landbevölkerung die schwersten blutigen Verluste zu tragen. Die Landarbeit daheim mußte von Frauen, Jugendlichen und alten Leuten geleistet werden. Die Preise aller Industriewaren stiegen im Kriege mächtig an. Die Lebensmittel, die der Bauer verkaufte, unterlagen den Höchstpreisen. Dazu kam der ganze bürokratische Druck, der bei der Durchführung der Zwangswirtschaft und besonders bei der zwangsweisen Erfassung der Lebensmittel auf der Landbevölkerung lag. Die Städter waren auf die Agrarier erbittert, von denen sie sich bewuchert und ausgehungert fühlten. Ohne Zweifel nährte sich die Masse der Landleute trotz der Zwangswirtschaft besser als die Industriearbeiterschaft. Und die viele Schleichhandelsware, die notorisch in Deutschland während des Krieges umlief, mußte letzten Endes vom Produzenten gekommen sein. Trotzdem war die Lage der Landbevölkerung unter der Kriegswirtschaft schwer, und sie trieb die Bauern in immer schärfere Opposition gegen das bestehende Staatssystem.

      Der deutsche Bauer war im Frieden konservativ gewesen, weil der Staat ihm sein freies Eigentum sicherte und weil er ihn mit der Zollpolitik unterstützte. Jetzt im Kriege, unter der Blockade, waren die Zölle gleichgültig, und nun kamen die staatlichen Beamten auf die Bauernhöfe und kontrollierten, ob irgendwo ein Pfund Butter versteckt war. Der Staat mutete den schwer arbeitenden Landleuten zu, daß sie sich nicht einmal satt essen sollten. So erzeugte die Kriegswirtschaft in der Stadt die Verbitterung der Arbeiter und auf dem Lande eine parallele Erregung der Bauern. Am frühesten und heftigsten läßt sich die Bauernopposition in Bayern beobachten, wo die ländliche Gesellschaft rein demokratisch ohne Einfluß des Grundadels ist und wo man besonders geneigt war, die »Berliner« Zentralbehörden für alles Übel verantwortlich zu machen.

      Selbstverständlich wurde der erbitterte deutsche Bauer im Kriege kein Sozialdemokrat; denn er führte ja gerade den Druck der Zwangswirtschaft auf den Einfluß der Sozialdemokraten und überhaupt der Städter zurück. Die Radikalisierung der Bauern trug 1917 zur Linksschwenkung des Zentrums bei. Ebenso wurde im Laufe des Krieges eine kleine örtliche Bauernpartei, der Bayrische Bauernbund, immer mehr in die Opposition gedrängt. Die unzufriedene Stimmung der norddeutschen evangelischen Landbevölkerung fand parteipolitisch keinen Ausdruck. Aber es gab ein Gebiet, wo die Arbeiter- und Bauernopposition gegen das bestehende System sich treffen konnte, und das war das allergefährlichste, nämlich die Armee 9.

      Im Heere stand das aristokratisch abgeschlossene Offizierskorps einer einheitlichen Soldatenmasse gegenüber. Die alten, vorwiegend adligen Frontoffiziere waren zwar meistens in den ersten Kriegsmonaten gefallen. Das Offizierskorps des Millionenheeres von 1915 bis 1918 trug höchstens in den höheren Stäben den alten Charakter. Die unteren Chargen besetzten vorwiegend Reserveoffiziere und Kriegsleutnants. Das waren Männer, die im Frieden als Studenten, Kaufleute, Lehrer usw. sich niemals zu einem aristokratischen Herrentum gerechnet hatten und die bereit waren, wenn sie den Krieg überlebten, in ihre bescheidene Friedensstellung zurückzukehren. Aber mit der Ernennung zum Offizier war notwendig auch die aristokratische Absonderung verbunden, die nach dem preußischen Staatssystem den Offizier von der Mannschaft trennte. Das deutsche Offizierskorps, als Stand betrachtet, war im Kriege auf keinen Fall moralisch oder menschlich schlechter als das französische oder englische. Der erbitterte Haß, der sich in Deutschland im Laufe des Krieges in weitesten Volksschichten gegen die Offiziere richtete, ist nur aus den eigenartigen Gesellschafts- und Verfassungszuständen Deutschlands zu erklären.

      Die Masse des Volkes hatte nicht das Gefühl, daß der Staat ihr mitgehöre und daß sie über den Staat mitbestimme. Sie fühlte sich von oben herab regiert, und zwar im Kriege sehr schlecht regiert. Die Gewalt- und Befehlsträger waren aber im Kriege überall die Offiziere. So wurde das Kriegsoffizierskorps der – menschlich vielfach unschuldige – Blitzableiter für allen sozialen Groll, der in den Volksmassen steckte. Es ist schon oben betont worden, wie dieser Gegensatz sich im Fronterlebnis abschwächte, aber wie er um so stärker dort hervorbrach, wo nicht direkt gegen den Feind gekämpft wurde. Im Laufe des Krieges fand sich im Gegensatz zu den Offizieren in immer stärkerem Grade der Bauernsoldat mit den Leuten zusammen, die im Zivilberuf Arbeiter und Handwerker waren. 1918 hat der bäuerliche Soldat die Revolution zwar nicht gemacht, aber doch geschehen lassen, vielfach sogar gern geschehen lassen. Der bayrische Bauernsoldat, 1914 der Stolz der Armee, war 1918 unter den ersten, die sich unter die rote Fahne stellten.

      In den Jahren 1915 bis Sommer 1918 empfanden die Massen des Volkes trotz der stets wachsenden Nöte und trotz aller Verbitterung die Verteidigung des Vaterlandes noch als unbedingte Pflicht. Aber sie wünschten, daß der Krieg so schnell wie möglich beendet werde.

      Die wirtschaftliche Lage der städtischen Kaufmannschaft war im Kriege, je nach der Stellung des einzelnen, ganz verschieden. Aber sie fühlte weniger den Gegensatz zu den Arbeitern als den zu der Landwirtschaft. Sie wünschte, gemäß ihren Traditionen aus der Vorkriegszeit, die Neuorientierung Deutschlands. So begrüßten es die Fortschrittler, daß Bethmann-Hollweg diese Losung herausgab. Sie drängten auf die preußische Wahlreform. Es lag ihnen aber ganz fern, von sich aus die Initiative zur Störung des Burgfriedens zu ergreifen und der Regierung Schwierigkeiten zu machen. Erst die Schwenkung des Zentrums im Jahre 1917 hat auch die Haltung der Fortschrittspartei verändert.

      Wie stand die kaiserliche Regierung zu der immer tiefer gehenden politischen und sozialen Zerklüftung des deutschen Volkes in den Jahren 1915/16? Wilhelm II. selbst zog sich mit Kriegsausbruch aus der politischen Aktivität zurück. Der Kaiser litt immer schwerer unter der Riesenverantwortung, die im Kriege bei der geltenden deutschen Verfassung auf ihm lastete. Von dem stolzen Selbstbewußtsein, das er bis 1914 gegenüber allen Fragen und Personen gezeigt hatte, blieb nidits übrig. Er hielt es für seine Pflicht, in militärischen Fragen dem Rat des Generalstabschefs und in politischen den Vorschlägen des Reichskanzlers zu folgen. So führten erst Moltke und dann Falkenhayn, ohne nennenswerte kaiserliche Eingriffe, das Armeekommando, und Bethmann-Hollweg gewann eine politische Stellung, wie sie kein Kanzler Wilhelms II. seit 1890 besessen hatte.

      Die ersten beiden Generalstabschefs im Kriege hatten so viele militärische Sorgen, daß sie sich um die Politik nicht kümmerten. Bethmann-Hollweg wiederum griff niemals in die militärische Kriegführung ein. So ist es in den ersten beiden Kriegsjahren zu ernstlichen Konflikten zwischen der militärischen und Zivilleitung nicht gekommen. Zwar lag die oberste Exekutivgewalt im Reich auf Grund des Belagerungszustandes bei den stellvertretenden Generalkommandos. In jeder deutschen Landschaft hatte der zuständige

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