Guy de Maupassant – Gesammelte Werke. Guy de Maupassant

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Guy de Maupassant – Gesammelte Werke - Guy de Maupassant Gesammelte Werke bei Null Papier

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dort zu tref­fen.

      Bis drei Uhr hat­te er nichts mehr zu tun, und es war noch nicht Mit­tag. Er hat­te noch 6 Fran­cs 50 in der Ta­sche. Er ging in die Bouil­lon Du­val früh­stücken. Dann trieb er sich auf dem Bou­le­vard her­um und Punkt drei Uhr stieg er die große prunk­haf­te Trep­pe zur Vie Françai­se hin­auf. Die Lauf­bur­schen sa­ßen mit ge­kreuz­ten Ar­men auf ei­ner Bank und war­te­ten, wäh­rend hin­ter ei­nem klei­nen Ka­the­der ein Be­am­ter die so­eben an­ge­kom­me­ne Post sor­tier­te. Die gan­ze Auf­ma­chung war vor­treff­lich und muss­te je­dem Be­su­cher im­po­nie­ren. Al­les hat­te Hal­tung und Wür­de, wie es sich für den War­te­raum ei­ner großen Zei­tung ge­bührt.

      Du­roy frag­te:

      »Ist Herr Wal­ter zu spre­chen?«

      Der Die­ner ant­wor­te­te:

      »Der Herr Di­rek­tor hat eben eine wich­ti­ge Kon­fe­renz. Wenn der Herr einen Au­gen­blick Platz neh­men will.«

      Und er wies auf ein War­te­zim­mer, das schon vol­ler Men­schen war.

      Man sah dort erns­te, wür­di­ge Män­ner mit Or­dens­band, und auch et­was ver­nach­läs­sig­te Ge­stal­ten mit un­sicht­ba­rer Wä­sche, de­ren bis zum Hal­se zu­ge­knöpf­te Rö­cke eine wah­re Land­kar­te von Fle­cken zeig­ten.

      Zwi­schen den War­ten­den be­fan­den sich drei Frau­en; eine von ih­nen war hübsch, ele­gant und lä­chel­te freund­lich; es schi­en eine Ko­kot­te zu sein. Ihre Nach­ba­rin blick­te düs­ter, ihr Ge­sicht war vol­ler Run­zeln; auch sie war bes­ser ge­klei­det, doch sie hat­te et­was Ver­brauch­tes, künst­lich Er­hal­te­nes, wie man es manch­mal bei al­tern­den Schau­spie­lern sieht, eine Art falscher, ab­ge­stan­de­ner Ju­gend, die an ran­zig ge­wor­de­nes Par­füm d’A­mour er­in­nert.

      Die drit­te Frau trug Trau­er und saß in der Ecke, mit der Hal­tung ei­ner un­tröst­li­chen Wit­we. Du­roy hielt sie für eine Bitt­stel­le­rin.

      In­des­sen wur­de nie­mand vor­ge­las­sen, ob­gleich über zwan­zig Mi­nu­ten ver­stri­chen wa­ren.

      Da hat­te Du­roy eine gute Idee; er ging noch­mals zum Die­ner hin­aus und sag­te:

      »Herr Wal­ter hat mich um drei Uhr her­be­stellt. Se­hen Sie bit­te nach, ob mein Freund Fo­res­tier hier ist?«

      Man führ­te ihn jetzt durch einen lan­gen Flur in einen großen Saal, in dem vier Her­ren um einen großen grü­nen Tisch sa­ßen und schrie­ben.

      Fo­res­tier stand vor dem Ka­min, rauch­te eine Zi­ga­ret­te und spiel­te Bil­bo­quet (Fang­ball). Er war ein vor­treff­li­cher Spie­ler und fing die Ku­gel aus gel­bem Buchs­baum mit der klei­nen Holz­spit­ze fast je­des Mal rich­tig auf. Er zähl­te: »22 … 23 … 24 … 25.«

      »26!« rief Du­roy.

      Da blick­te sein Freund auf, ohne sei­ne re­gel­mä­ßi­ge Arm­be­we­gung ein­zu­stel­len.

      »Ah, da bist du ja«, rief er. »Ges­tern habe ich sie­ben­und­fünf­zig­mal hin­ter­ein­an­der ge­trof­fen. Nur Saint-Po­tin kann es noch bes­ser als ich. Hast du den Chef ge­spro­chen? Nichts ist ko­mi­scher, als die­sen al­ten Nor­bert Fang­ball spie­len zu se­hen. Er reißt den Mund auf, als woll­te er die Ku­gel run­ter­schlu­cken.«

      Ei­ner der Re­dak­teu­re dreh­te den Kopf nach ihm um.

      »Weißt du, Fo­res­tier, ich ken­ne ein aus­ge­zeich­ne­tes Bil­bo­quet aus An­til­len­holz, das zu ver­kau­fen ist. Es soll der Kö­ni­gin von Spa­ni­en ge­hört ha­ben. Man ver­langt da­für sech­zig Fran­cs, das ist nicht teu­er.«

      »Wo ist es zu ha­ben?« frag­te Fo­res­tier.

      Da er sei­nen 37. Wurf ver­fehlt hat­te, öff­ne­te er den Schrank, in dem Du­roy ge­gen zwan­zig wun­der­ba­re Bil­bo­quets sah, die alle ge­ord­net und num­me­riert wa­ren, wie Kost­bar­kei­ten aus ei­ner Kunst­samm­lung. Fo­res­tier stell­te das In­stru­ment auf sei­nen rich­ti­gen Platz und wie­der­hol­te die Fra­ge:

      »Wo steckt die­ses Klein­od?«

      Der Jour­na­list ant­wor­te­te:

      »Bei ei­nem Bil­lett­händ­ler beim Vau­de­ville-Thea­ter. Wenn du willst, brin­ge ich dir das mor­gen mit.«

      »Ja gut. Wenn es wirk­lich schön ist, nehm’ ich es. Man kann nie zu viel Bil­bo­quets be­sit­zen.«

      Dann wand­te er sich zu Du­roy.

      »Komm jetzt, ich füh­re dich zum Chef, sonst kannst du hier war­ten bis zum spä­ten Abend.«

      Sie gin­gen wie­der durch den War­te­saal, wo die­sel­ben Per­so­nen ge­nau in der­sel­ben Rei­hen­fol­ge sa­ßen. Als Fo­res­tier er­schi­en, er­ho­ben sich die jun­ge Dame und die alte Schau­spie­le­rin und gin­gen schnell auf ihn zu. Er führ­te eine nach der an­de­ren in die Fens­ter­ni­sche, und trotz­dem sie sich ganz lei­se un­ter­hiel­ten, hör­te Du­roy, dass er bei­de duz­te.

      Dann stie­ßen sie zwei Pols­ter­tü­ren auf und ka­men zum Di­rek­tor.

      Die wich­ti­ge Kon­fe­renz, die schon eine Stun­de dau­er­te, be­stand in ei­ner Par­tie Écar­té mit ei­ni­gen Her­ren, die Du­roy ges­tern we­gen ih­rer fla­chen Zy­lin­der­hü­te auf­ge­fal­len wa­ren.

      Herr Wal­ter spiel­te mit an­ge­spann­ter Auf­merk­sam­keit und vor­sich­ti­gen, ab­ge­mes­se­nen Be­we­gun­gen, wäh­rend sein Geg­ner die leich­ten, bun­ten Blät­ter mit Ge­wandt­heit, Ge­schick­lich­keit und An­mut ei­nes ge­üb­ten Spie­lers nahm, aus­spiel­te und durch sei­ne Fin­ger glei­ten ließ. Nor­bert de Va­ren­ne saß im großen Lehn­stuhl des Di­rek­tors und schrieb einen Ar­ti­kel, Jaques Ri­val lag mit ge­schlos­se­nen Au­gen lang aus­ge­streckt auf ei­nem Sofa und rauch­te eine Zi­gar­re.

      Es roch hier in dem ab­ge­schlos­se­nen Zim­mer nach dem Le­der der Mö­bel, nach al­tem Ta­bak und nach Drucker­schwär­ze. Man spür­te den ei­gen­ar­ti­gen Duft der Re­dak­ti­ons­zim­mer, der je­dem Jour­na­lis­ten be­kannt ist.

      Auf dem schwar­zen, kup­fer­be­schla­ge­nen Tisch lag ein ge­wal­ti­ger Pa­pier­hau­fen, Brie­fe, Kar­ten, Zei­tun­gen, Rech­nun­gen der Lie­fe­ran­ten, Druck­sa­chen al­ler Art. Fo­res­tier schüt­tel­te den Wet­ten­den, die hin­ter den Spie­lern stan­den, die Hand und sah dann schwei­gend der Par­tie zu. So­bald Va­ter Wal­ter ge­won­nen hat­te, stell­te er vor:

      »Hier ist mein Freund Du­roy.«

      Der Chef warf über die Glä­ser sei­ner Bril­le einen ra­schen Blick auf den jun­gen Mann und frag­te:

      »Sie brin­gen mir mei­nen Ar­ti­kel? Er kommt heu­te ge­ra­de recht zur Dis­kus­si­on Mo­rel.«

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