Guy de Maupassant – Gesammelte Werke. Guy de Maupassant

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Guy de Maupassant – Gesammelte Werke - Guy de Maupassant Gesammelte Werke bei Null Papier

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auf dem Kampf­platz ver­lau­fen?«

      Er gab einen dra­ma­ti­schen Be­richt:

      »Wir stan­den uns ge­gen­über, nur zwan­zig Schritt von­ein­an­der ent­fernt, kaum vier­mal so weit wie die­ses Zim­mer. Jaques frag­te, ob wir fer­tig wä­ren, dann kom­man­dier­te er: ›Feu­er!‹ Ich er­hob so­fort den Arm, ziel­te gut, aber ich mach­te den Feh­ler, auf sei­nen Kopf zu zie­len. Mei­ne Waf­fe ging et­was schwer, und ich bin an leicht schie­ßen­de Pis­to­len ge­wöhnt, so­dass der Schuss durch den Wi­der­stand des Hah­nes zu hoch ging. Sehr weit kann er aber nicht fehl­ge­gan­gen sein. Üb­ri­gens schießt der Ha­lun­ke auch nicht schlecht. Sei­ne Ku­gel fuhr mir dicht an der Schlä­fe vor­über. Ich habe den Wind­hauch ver­spürt.«

      Sie saß auf sei­nen Kni­en und hielt ihn mit ih­ren Ar­men um­schlun­gen, als woll­te sie an der Ge­fahr teil­neh­men; sie flüs­ter­te:

      »Mein ar­mer Lieb­ling! Mein ar­mer Lieb­ling!«

      Als er mit sei­ner Er­zäh­lung fer­tig war, sag­te sie:

      »Oh, du weißt nicht; ich kann nicht mehr ohne dich le­ben. Ich muss dich se­hen, aber so­lan­ge mein Mann in Pa­ris ist, geht das gar nicht so leicht. Mor­gens hät­te ich oft eine Stun­de frei, ehe du auf­ge­stan­den bist, und ich könn­te dich um­ar­men kom­men, aber ich will nicht wie­der in die­ses scheuß­li­che Haus. Was ma­chen wir nur?«

      Er hat­te plötz­lich einen Ein­fall und frag­te:

      »Was zahlst du hier Mie­te?«

      »Hun­dert Fran­cs.«

      »Gut; ich über­neh­me die Woh­nung auf mei­ne Rech­nung und zie­he hier­her um. Mei­ne alte passt nicht mehr für mei­ne neue Stel­lung.«

      Sie dach­te ein paar Au­gen­bli­cke nach, dann sag­te sie:

      »Nein, das will ich nicht!«

      »Wa­rum denn nicht?« frag­te er er­staunt.

      »Da­rum.«

      »Das ist kein Grund. Die Woh­nung passt mir glän­zend. Ich bin hier und ich blei­be hier.«

      Er be­gann zu la­chen:

      »Üb­ri­gens ist sie ja auf mei­nen Na­men ge­mie­tet.«

      Doch sie wei­ger­te sich nach wie vor:

      »Nein, nein, ich will nicht!«

      »Wa­rum nicht? Sag’s doch!«

      Da flüs­ter­te sie ihm lei­se ins Ohr:

      »Weil du Wei­ber hier­her bräch­test, und das will ich nicht!«

      Er war ent­rüs­tet:

      »So was täte ich nie im Le­ben, ich ver­spre­che es dir.«

      »Du tust es ja doch.«

      »Ich schwö­re es dir.«

      »Wirk­lich?«

      »Wahr­haf­tig. Mein Ehren­wort. Das ist un­ser Heim hier, es ge­hört nur uns.«

      Sie um­arm­te ihn lei­den­schaft­lich:

      »Dann ist es mir recht, mein Lieb­ling. Aber du musst wis­sen, wenn du mich be­trügst, nur ein­mal be­trügst, dann ist es zwi­schen uns aus, end­gül­tig aus, und für im­mer!«

      Er schwor noch­mals und ver­wahr­te sich ge­gen ih­ren Ver­dacht, und sie ver­ab­re­de­ten, er soll­te noch am sel­ben Tage um­zie­hen, da­mit sie ihn be­su­chen konn­te, wenn sie an der Tür vor­bei­käme.

      Da­rauf sag­te sie zu ihm:

      »Je­den­falls kom­me Sonn­tag zu uns zum Es­sen. Mein Mann fin­det dich rei­zend.«

      Er fühl­te sich ge­schmei­chelt:

      »Ah, wirk­lich?«

      »Ja, du hast sein Herz ge­won­nen. Und dann noch eins: du hast mir doch er­zählt, du wä­rest auf dem Lan­de auf ei­nem Schloss auf­ge­wach­sen, nicht wahr?«

      »Ja. Aber was …?«

      »Dann musst du auch et­was von Land­wirt­schaft ver­ste­hen?«

      »Ja.«

      »Nun gut, dann un­ter­hal­te dich mit ihm über Gar­ten­bau und Ern­te, er liebt das sehr.«

      »Gut, ich wer­de es mir mer­ken.«

      Dann ver­ließ sie ihn, nach­dem sie ihn end­los ge­küsst hat­te. Das Duell hat­te ihre Lie­be nur noch mehr ent­flammt.

      Du­roy aber dach­te auf dem Wege zur Re­dak­ti­on: »Was ist sie doch für ein wun­der­li­ches Ding. Wie ein Vo­gel! Man weiß nie, was sie will und was sie möch­te. Und die­se merk­wür­di­ge Ehe! Wel­cher Toll­kopf hat die­sen Al­ten mit die­sem leicht­sin­ni­gen We­sen zu­sam­men­ge­kop­pelt? Wie ist die­ser Herr In­spek­tor auf den Ge­dan­ken ge­kom­men, die­ses Stu­den­ten­mä­del zu hei­ra­ten? Ein Rät­sel. War es viel­leicht Lie­be? Wer weiß?!«

      Dann kam er zu dem Schluss: »Je­den­falls ist sie eine rei­zen­de Ge­lieb­te. Und ich wer­de mich hü­ten, mit ihr zu bre­chen.«

      VIII.

      Durch sein Duell war Du­roy in die Rei­he der Leit­ar­ti­kel­schrei­ber der Vie Françai­se auf­ge­rückt. Doch be­rei­te­te es ihm un­end­li­che Mühe, ei­ge­ne Ide­en zu fin­den; so wähl­te er sich als Spe­zia­li­tät, ge­gen den Nie­der­gang der Sit­ten, ge­gen die Ent­ar­tung des Cha­rak­ters, ge­gen das Nach­las­sen des Pa­trio­tis­mus und die Anämie des fran­zö­si­schen Ehr­ge­fühls zu don­nern. (Das Wort Anämie war sei­ne ei­ge­ne Er­fin­dung, auf die er sehr stolz war.)

      Und wenn Ma­da­me de Ma­rel­le mit ih­rem spöt­ti­schen, skep­ti­schen und schar­fen Witz, den man Pa­ri­ser Esprit nennt, sich über sei­ne Ti­ra­den lus­tig mach­te und sie mit ei­nem kur­z­en, ver­nich­ten­den Wort ab­tat, so ant­wor­te­te er lä­chelnd:

      »Da­mit be­kom­me ich einen gu­ten Ruf für spä­te­re Zei­ten.«

      Er wohn­te jetzt in der Rue Con­stan­ti­no­ple, wo­hin er sei­ne gan­ze Ein­rich­tung, die aus ei­nem Kof­fer, ei­ner Bürs­te, dem Ra­sier­zeug und der Sei­fe be­stand, trans­por­tiert hat­te. Zwei- oder drei­mal in der Wo­che be­such­te ihn dort die jun­ge Frau schon früh am Mor­gen, be­vor er auf­ge­stan­den war, zog sich in ei­ner Mi­nu­te aus und glitt in sein Bett, zit­ternd vor der drau­ßen herr­schen­den Käl­te.

      Du­roy da­ge­gen aß je­den Don­ners­tag abend bei ihr und mach­te dem Mann den Hof, in­dem er mit ihm über Land­wirt­schaft

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