Guy de Maupassant – Gesammelte Werke. Guy de Maupassant

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Guy de Maupassant – Gesammelte Werke - Guy de Maupassant Gesammelte Werke bei Null Papier

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und er be­gann im Krei­se um den Kiosk her­um­zu­lau­fen, in dem die Ver­käu­fe­rin über ih­ren klei­nen Ofen ge­bückt saß, so­dass nichts wei­ter zu se­hen war als die Na­sen­spit­ze und ein paar rote Ba­cken un­ter ei­ner wol­le­nen Ka­pu­ze.

      End­lich schob der Zei­tungs­trä­ger den di­cken Bal­len durch die Öff­nung und Du­roy er­hielt so­fort sei­ne Fe­der.

      Mit ra­schen Bli­cken such­te er zu­nächst sei­nen Na­men, fand aber an­fangs nichts. Schon woll­te er er­leich­tert auf­at­men, da sah er eine No­tiz zwi­schen zwei fet­ten Stri­chen:

      »Herr Du­roy von der Vie Françai­se will uns be­rich­ti­gen und lügt da­bei selbst. Er gibt we­nigs­tens zu, dass eine Frau Au­bert tat­säch­lich exis­tiert und dass ein Be­am­ter sie zum Po­li­zei­re­vier ge­bracht hat. Er braucht hin­ter dem Wort ›Be­am­ter‹ noch die zwei Wor­te ›der Sit­ten­po­li­zei‹ hin­zu­zu­fü­gen und die Sa­che ist rich­tig. Aber lei­der ist es mit der Ehr­lich­keit ei­ni­ger Jour­na­lis­ten ge­ra­de so weit her wie mit ih­rem Ta­lent. Hier­mit zeich­ne ich:

       Louis Lan­gre­mont.«

      Ge­or­ges Herz klopf­te hef­tig, und er ging nach Hau­se, um sich um­zu­zie­hen, ohne recht zu ver­ste­hen, was er ei­gent­lich tat. Also, man hat­te ihn be­schimpft, und zwar der­art, dass es kein Zu­rück mehr gab. Und warum? We­gen nichts. We­gen ei­ner al­ten Frau, die sich mit ih­rem Schläch­ter ge­zankt hat­te. Er zog sich rasch an und be­gab sich so­fort zu Herrn Wal­ter, ob­gleich es kaum acht Uhr war. Herr Wal­ter war schon auf und las die Fe­der.

      »Nun ja«, sag­te er mit ei­nem erns­ten Ge­sicht, als er Du­roy er­blick­te. »Sie kön­nen nicht mehr zu­rück.«

      Der jun­ge Mann er­wi­der­te nichts, und der Chef fuhr fort:

      »Su­chen Sie so­fort Ri­val auf, er wird Ihre In­ter­es­sen ver­tre­ten.«

      Du­roy mur­mel­te ein paar un­ver­ständ­li­che Wor­te und ging di­rekt zu Jaques Ri­val, der noch schlief.

      Als es klin­gel­te, sprang er aus dem Bett und las schnell die No­tiz.

      »Ver­dammt,« rief er, »da müs­sen wir ran. Wen wer­den Sie als zwei­ten Se­kun­dan­ten wäh­len?«

      »Ich weiß das wirk­lich nicht!«

      »Bois­renard? — Was mei­nen Sie?«

      »Gut, Bois­renard.«

      »Sind Sie ein gu­ter Fech­ter?«

      »Gar nicht!«

      »Ver­flucht! Und wie steht es mit dem Pis­to­len­schie­ßen?«

      »Schie­ßen kann ich et­was.«

      »Gut. Sie wer­den sich üben, wäh­rend ich mich mit al­lem wei­te­ren be­fas­se. War­ten Sie eine Mi­nu­te.«

      Er ging in sein An­klei­de­zim­mer und kam bald ge­wa­schen, ra­siert und in ele­gan­ter Toi­let­te zu­rück. »Kom­men Sie mit!« sag­te er.

      Er wohn­te im Erd­ge­schoss ei­nes klei­nen Hau­ses und führ­te Du­roy in den Kel­ler hin­ab, einen rie­si­gen Kel­ler, der in einen Fecht- und Schieß­platz um­ge­wan­delt war. Sämt­li­che Öff­nun­gen nach der Stra­ße hat­te er ver­stop­fen las­sen. Er zün­de­te eine Rei­he Gas­flam­men an, die bis zum Ende des zwei­ten Kel­lers reich­ten. Im Hin­ter­grun­de stand eine ei­ser­ne, blau und rot an­ge­mal­te Fi­gu­ren­schei­be ei­nes Man­nes. Dann leg­te er zwei Pis­to­len nach dem neues­ten Hin­ter­la­der­sys­tem auf den Tisch und be­gann mit kur­z­er, schar­fer Stim­me zu kom­man­die­ren wie auf dem Kampf­platz:

      »Fer­tig?

      Feu­er — eins — zwei — drei!«

      Du­roy ge­horch­te wil­len­los; er hob den Arm, ziel­te, schoss, und da er die Pup­pe mehr­mals in den Bauch traf, denn er hat­te in sei­ner Kind­heit oft mit ei­ner al­ten Sat­tel­pis­to­le sei­nes Va­ters auf die Spat­zen im Hof ge­schos­sen, so er­klär­te Jaques Ri­val be­frie­digt:

      »Gut — sehr gut — sehr gut — es wird ge­hen. Schie­ßen Sie so bis Mit­tag. Hier lie­gen Pa­tro­nen. Ha­ben Sie kei­ne Angst, sie zu ver­brau­chen. Ich hole Sie zum Früh­stück ab und tei­le Ih­nen al­les Nä­he­re mit.«

      Und er ver­schwand.

      Du­roy blieb al­lein; er schoss noch ein paar­mal, dann setz­te er sich hin und be­gann nach­zu­den­ken. Wie tö­richt war doch die gan­ze Ge­schich­te. Was be­wies ein Duell? War ein Schuft kein Schuft mehr, wenn er sich ge­schla­gen hat­te? Was hat­te ein be­lei­dig­ter Ehren­mann da­von, sein Le­ben ge­gen einen Gau­ner aufs Spiel zu set­zen? Sei­ne Ge­dan­ken schweif­ten im Dun­keln her­um, und er dach­te dar­an, was Nor­bert de Va­ren­ne ihm von der Geis­te­s­ar­mut der Men­schen, von der Be­schränkt­heit ih­res Ge­sichts­krei­ses und von ih­rer tö­rich­ten Kin­der­mo­ral ge­sagt hat­te.

      Und er sag­te ganz laut: »Wahr­haf­tig, er hat­te recht.«

      Dann ver­spür­te er Durst; er hör­te hin­ter sich Was­ser trop­fen, er­blick­te einen Dusch­ap­pa­rat und ging hin, um aus der hoh­len Hand zu trin­ken. Dann ver­fiel er wie­der in Ge­dan­ken. Es war so trü­be hier im Kel­ler, so düs­ter und trau­rig wie in ei­nem Grab, und das fer­ne, dump­fe Rol­len der Wa­gen hör­te sich an wie das Na­hen ei­nes Stur­mes. Wie spät moch­te es sein? Die Stun­den ver­stri­chen hier un­ten, wie sie in ei­nem Ge­fäng­nis ver­strei­chen muss­ten, ohne dass ir­gend­ein an­de­res Zei­chen ih­ren Wech­sel an­kün­det, au­ßer dem Er­schei­nen des Ker­ker­meis­ters, der das Es­sen bringt. Und so war­te­te er sehr lan­ge.

      Plötz­lich hör­te er Stim­men und Schrit­te und Jaques Ri­val er­schi­en in Beglei­tung von Bois­renard. So­bald er Du­roy er­blick­te, rief er:

      »Al­les in Ord­nung.«

      Du­roy glaub­te zu­nächst, die An­ge­le­gen­heit sei durch einen Ent­schul­di­gungs­brief bei­ge­legt; er at­me­te er­leich­tert auf und stam­mel­te:

      »Ah … ich dan­ke Ih­nen.«

      Ri­val fuhr fort:

      »Der Lan­gre­mont scheint einen di­cken Kopf zu ha­ben, er hat alle un­se­re Be­din­gun­gen an­ge­nom­men. Fün­f­und­zwan­zig Schritt, ein­ma­li­ger Ku­gel­wech­sel mit Auf­he­ben der Pis­to­le. Man hat dann viel mehr Si­cher­heit im Arm als beim Sen­ken der Waf­fe. Ge­ben Sie acht, Bois­renard, was ich Ih­nen ge­sagt habe.«

      Er er­griff eine Pis­to­le und schoss, wäh­rend er dem an­de­ren aus­ein­an­der­setz­te, um wie viel si­che­rer man zie­len konn­te, wenn man die Pis­to­le hob. Dann sag­te er:

      »Jetzt wol­len wir früh­stücken ge­hen, es ist zwölf Uhr schon vor­über.«

      Und

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