Eine Geschichte des Krieges. Группа авторов

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durchgesetzt, sodass 1938–1939 ungefähr 13 Prozent des Nationalprodukts in die Kriegsvorbereitungen floss. Die beschleunigte Industrialisierung der 1930er Jahre schloss eine umfangreichere Planung durch den Staat ein, wobei man die Vorstellung hatte, dass die Kontrollinstrumente an den Kriegsstaat angepasst werden könnten. In Deutschland machte Hitler es zur Priorität, das Land wiederzubewaffnen und seine Wirtschaft so umzugestalten, dass eine drohende Wirtschaftsblockade unterlaufen werden könne. Der im Herbst 1936 beschlossene und von Hermann Göring umgesetzte zweite Vierjahresplan regulierte alle entscheidenden ökonomischen Variablen, von den Preisen und Devisen bis zu den Löhnen und Rationierungen. Die private Wirtschaftstätigkeit verschwand indes nicht gänzlich, sondern blieb in dem Maße bestehen, wie sie mit den staatlich definierten Zielen in Einklang stand. Es sei der Staat, der die Wirtschaft lenkt, wie ein nationalsozialistischer Ökonom erklärte. 1939 hatte sich Deutschland, obwohl der Krieg noch nicht begonnen hatte, eine Friedenswirtschaft zugelegt, die ganz einer Kriegswirtschaft glich: Fast ein Viertel des Nationalprodukts war Verteidigungsprojekten gewidmet, ein Drittel der industriellen Arbeitskräfte war zur Produktion von kriegsbezogenen Gütern herangezogen. Hitler wollte sichergehen, dass Deutschland seine Lehren aus der Niederlage von 1918 zog und als Staatsapparat hinreichend vorbereitet in Auseinandersetzungen ging, Konflikte größeren Ausmaßes mit eingeschlossen. Als Deutschland im September 1939 den Weltkrieg begann, hatte der deutsche Staat bereits eine Art Kriegsmobilmachung durchgesetzt. Der Kriegswirtschaftserlass vom 4. September erweiterte und verstärkte die staatliche Kontrolle über alle Aspekte des Wirtschaftslebens des Landes, worin sich die Situation fundamental vom deutschen Staat von 1914 unterschied.

       1945 war die Situation irreversibel geworden

      Im Weltkrieg übernahmen die wichtigsten Kriegsmächte das Konzept des »Kriegsstaates«, ab 1941 sogar die Vereinigten Staaten, wo vor dem Konflikt der Argwohn gegenüber dem Staat doch beträchtlich gewesen war und wo sich die institutionelle Erfahrung auf die Durchführung einer nationalen Kriegsunternehmung beschränkte. Die Ausweitung der Macht und der Zuständigkeiten des Staates manifestierte sich in der Entwicklung jeweils gerade passender Strukturen, die zu den aus Friedenszeiten verfügbaren Formen der Kontrollausübung hinzutraten. Neue Ministerien wie das Munitionsministerium (später Ministerium für Bewaffnung und Kriegsgerät) in Deutschland oder das Ministry of Economic Warfare und das Ministry of National Service in Großbritannien sowie neue staatliche Behörden entstanden. In Deutschland gab Hitler einem System von »Sonderbevollmächtigten« den Vorzug, die mit der Lösung bestimmter momentaner Probleme beauftragt waren: zum Beispiel der Generalbevollmächtigte für den Arbeitseinsatz oder der Reichsbevollmächtigte für den totalen Kriegseinsatz. In der Sowjetunion wurde im Juli 1941 ein Staatskomitee für Verteidigung geschaffen. Es war mit einem System von Unterkomitees ausgestattet, die für die Hauptbereiche der Kriegsunternehmung und die Zusammenarbeit mit den bestehenden Kommissariaten verantwortlich waren. Von allen Kriegsteilnehmern war die Sowjetunion der Staat, der am stärksten zentralisiert war, errichtet auf dem Modell lokaler und regionaler Organe der Kommunistischen Partei. Im Unterschied zu den Demokratien regierten die sowjetischen Behörden im Krieg durch einfache Dekrete. Um in Friedenszeiten auf Erfordernisse zur Mobilisierung reagieren zu können, war seit Langem ein Zwangs- und Sanktionssystem in Kraft. Doch Stalins Aufruf, die Sowjetunion in ein »Militärlager« zu verwandeln, war mehr als bloße Rhetorik. Arbeiter*innen, die unerlaubt ihre Arbeit verließen, wurden als Deserteur*innen angesehen und als solche behandelt.

      In den Vereinigten Staaten stützte sich Präsident Roosevelt auf Behörden, die für spezifische Problembereiche eingerichtet worden waren. Am Ende des Krieges gab es 112 davon. Die wichtigste war für die Einteilung und Mobilisierung der Arbeitskräfte zuständig, andere verwalteten die Ölressourcen, den Transport, den Wirtschaftskrieg, den Schiffsverkehr und andere Schlüsselbereiche. Die Feindseligkeit, die die Amerikaner*innen dem Zentralstaat noch immer entgegenbrachten, zwang Roosevelt dazu, umsichtiger vorzugehen, als Hitler und Stalin dies mussten. Dennoch gelang es ihm, sich eine Form von Zwang zunutze zu machen – so sah sich der Direktor einer wichtigen Fabrik in Chicago, der sich weigerte, eine gewerkschaftliche Organisation der Arbeit zuzulassen, eines Tages in seinem Büro mit dem Generalstaatsanwalt in Begleitung bewaffneter Soldaten konfrontiert, die gekommen waren, um die Kontrolle über sein Unternehmen zu übernehmen. Anfang 1944 versuchte Roosevelt angesichts von Arbeitskräfteproblemen, einen National Service Bill einzuführen, der aber letztlich vom Kongress abgelehnt wurde. Von so manchen wurde die Niederlage des Präsidenten begrüßt, da sie annahmen, dass die Vereinigten Staaten so nicht in eine Diktatur abgleiten würden. Dennoch hatte sich 1945 der Eingriffsbereich des Zentralstaates derart ausgeweitet, dass die Situation irreversibel geworden war. Das mit den Herausforderungen einer Weltmacht und dem sich ankündigenden Kalten Krieg konfrontierte Nachkriegsamerika war mit einem im Vergleich zu 1941 deutlich gewachsenen Staatsapparat ausgestattet.

      Von allen Lehren des Ersten Weltkrieges war die Notwendigkeit eines genauen makroökonomischen Bilds der verfügbaren Ressourcen und ihrer Verteilung die bedeutendste. Man rekrutierte Ökonomen, um nationale Rechenmodelle zu erstellen, die Mobilisierung der Arbeitskräfte, die Entwicklung des Konsums und die finanziellen Erfordernisse des Krieges zu berechnen. In der Sowjetunion ließ sich dieses Programm am leichtesten durchführen: Die Industrialisierung der 1930er Jahre war auf Grundlage einer nationalen Wirtschaftsplanung durchgesetzt worden, ideal für die Umwandlung in eine Kriegsökonomie, deren Hauptelement die Ressourcenzuweisung ist. In Deutschland ernannte der Wirtschaftsminister Walther Funk im Herbst 1939 ein »Professorenkomitee«, das Empfehlungen zur Kontrolle der ökonomischen Variablen im Krieg ausarbeiten sollte. Ziel war es, die Inflation zu bekämpfen (oder ihre Auswirkungen zu begrenzen), konstante Reallöhne zu ermöglichen und dafür zu sorgen, dass die Verwendung industrieller und finanzieller Ressourcen für die Kriegsunternehmung nicht die Lebensgrundlagen der Bürger*innen zerstörte: eine Mobilisierungsstrategie, die in den folgenden fünf Jahren weitgehend aufging.

      Im Zweiten Weltkrieg nahm die deutsche Kriegsunternehmung auf ihrem Höhepunkt 70 Prozent des Sozialprodukts in Beschlag, ohne zu den verhängnisvollen Konsequenzen wie am Ende des Ersten Weltkrieges zu führen. Zum Teil ist das auf die ökonomische Ausbeutung der eroberten Gebiete und auf Tributzahlungen der besetzten Länder zurückzuführen. Wie in Deutschland stattete in Japan die Ausdehnung der Staatsmacht auf die neu eroberten Territorien den Staat mit einer wichtigen Reserve an Zwangsarbeiter*innen aus, die den Mangel an Arbeitskräften an der Heimatfront abmilderte.

      In Großbritannien wurde John Maynard Keynes 1940 wie schon im Ersten Weltkrieg zum Berater im Schatzamt. Zusammen mit anderen renommierten Ökonomen arbeitete er an der Entwicklung von Kontrollmechanismen, um zu hohe Inflationsraten zu verhindern, stabile Löhne zu gewährleisten und die Produktion nicht notwendiger Güter auf ein Minimum zu reduzieren – Ergebnisse wurden ebenfalls dank der Ausdehnung des britischen Staates auf seine Kolonialgebiete erzielt. Das Ziel des Staates war, eine Wirtschaftsstrategie zu finden, die die Arbeitskräfte nicht von ihm entfremdete. Keynes empfahl daher die Einrichtung eines Steuerregimes, das dem Staat die bitter benötigten Einnahmen brachte und gleichzeitig mit dem »sozialen Gerechtigkeitsempfinden im Volk«7 konform ging. Nichtsdestotrotz gaben die National Service Acts von 1939 und 1941 dem Staat eine für demokratische Verhältnisse außerordentliche Rolle im Bereich der Wehrpflicht und der Zuweisung der Arbeitskräfte. Der Gewerkschaftsführer Ernest Bevin, der mit der Mobilisierung betraut wurde, gestand zu, dass er über eine beispiellose Macht verfügte. Da der Zuwachs an Entscheidungsbefugnissen des Staates im Unterschied zu den Diktaturen auf einem allgemeinen Konsens beruhen sollte, mussten die Sonderbefugnisse Bevins, damit er effektiv arbeiten konnte, mit den Gewerkschaften und Unternehmen ausgehandelt werden. Die Kriegsanstrengung beanspruchte ein Maximum von 55 Prozent des britischen Nationalprodukts, was weit über den Zahlen des Ersten Weltkrieges lag. Einzig den Vereinigten Staaten gelang es, ihre Streitkräfte und ihre Verbündeten mit Ausrüstung, Verpflegung, Rohstoffen und Waffen zu versorgen, ohne ein Wirtschaftsregime des »totalen Krieges« einrichten zu müssen. Obwohl der Zentralstaat ebenfalls nie da gewesene Befugnisse besaß, verstand Roosevelt, dass in einer Gesellschaft, in der man dem »Etatismus« einhellig mit Misstrauen begegnete, bestimmte Grenzen nicht

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