Eine Geschichte des Krieges. Группа авторов

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die Produzenten die Versorgung sichern und die Soldaten kämpfen«1, konstatierte Robert Edward Lee, Oberbefehlshaber der Konföderiertenarmee. 1863 brachte der Süden mit der Wehrpflicht, der Zunahme der staatlichen Kontrolle und der Überwachung der Kriegsproduktion effektiv die gesamte Bevölkerung auf Linie. Die Rhetorik in beiden Lagern definierte den Konflikt als »Volkskrieg«: Alle mussten dazu beitragen und sich zu Opfern für den Endsieg bereit erklären. Dennoch blieb auf beiden Seiten ein Großteil der Kriegsanstrengung auf Freiwilligkeit gegründet. Nach Schätzungen waren lediglich 10 Prozent der Unionssoldaten eingezogen, alle anderen hatten sich freiwillig gemeldet. Die Union war stark von privatem Handel und privater Finanzierung abhängig, da ihr die Mittel und die Erfahrung zur staatlichen Wirtschaftskontrolle fehlten. Nach 1865 verschwanden die neuen Bundesbehörden, und der Bundeshaushalt und der Staatsapparat schrumpften in einem Maße, dass am Ende die Unionsarmee die Besetzung der Südstaaten organisierte und leitete.

      Wenn man sagen kann, dass der Amerikanische Bürgerkrieg die Konflikte des 20. Jahrhunderts bereits ankündigte, dann gilt das vor allem für die Ausdehnung der Kämpfe und die Einbeziehung der Zivilist*innen. In den Vereinigten Staaten wie in den großen europäischen Ländern entsprachen die Militärausgaben in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nur einem Bruchteil des Nationalprodukts – 1914 im Allgemeinen zwischen 2 und 4 Prozent –, aber dafür einem viel größeren Teil der Gesamtausgaben: In dieser Zeit erhoben die Staaten noch wenig Steuern und spielten auch keine große Rolle in der Finanzierung der Wohlfahrt sowie des Gesundheits-, Bildungs- und Transportsystems. Die Streitkräfte bildeten, wenn sie Krieg führten oder sich darauf vorbereiteten, tendenziell »einen Staat im Staate« und stützten sich für ihre Belange auf freiwilliges Engagement oder nichtstaatliche Institutionen. Die Militärbehörden übten eine strenge Kontrolle über die Waffenproduktion und -entwicklung aus. Wenn sich der Staat an der Beaufsichtigung der Mobilmachung versuchte, wie Frankreich im Sommer 1870 in Reaktion auf den Einmarsch der deutschen Armeen oder Großbritannien während des Zweiten Burenkrieges 1899–1902, erschwerten die fehlende Voraussicht und Verwaltungspraxis die kurzfristige Aushebung, Ausbildung und Ausrüstung der Truppen.

      Die beiden Weltkriege veränderten die Rolle des Staates in Kriegszeiten. 1914–1918 standen sich ganze Gesellschaften gegenüber, in denen die Staaten die Hauptrolle in der Mobilisierung der ökonomischen, sozialen, moralischen und kulturellen Ressourcen spielten. Nur die staatlichen Behörden auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene konnten die Einbeziehung der Zivilist*innen, Wehrpflichtigen oder Arbeiter*innen, Büroangestellten oder Bauern und Bäuerinnen organisieren, die zu der Kriegsanstrengung hinzugezogen wurden. Die Mobilmachung der gesamten Nation brachte auch mit sich, dass die Schwächung oder Zerstörung der Heimatfront des Gegners zu ebenso wichtigen strategischen Zielen wurden wie der Sieg über seine Streitkräfte. Der Begriff des »totalen Krieges« stammt vom deutschen General Erich Ludendorff, der ihn während des Ersten Weltkrieges entwickelte und in einem 1935 erschienenen Buch theoretisch ausarbeitete: »Das Wesen des totalen Krieges beansprucht buchstäblich die gesamte Kraft eines Volkes.«2 Der Staat müsse sich den Erfordernissen des Krieges beugen und für die »Bereitstellung seiner [des Volkes] seelischen, physischen und materiellen Kräfte für die Kriegführung«3 sorgen.

      Auch wenn über die Definition des totalen Krieges viel gestritten wurde, hat sich in erster Linie die Ludendorffs durchgesetzt. Der britische Militärtheoretiker Cyril Falls sah in einem Essay über »die Doktrin des totalen Krieges« (»The Doctrine of Total War«) von 1941 darin »die Ausrichtung jedes Teilbereichs der Nation, jeder Phase ihres Tuns auf den Kriegszweck«4. Die fast universelle Anerkennung dieser Idee galt schließlich als eine selbsterfüllende Prophezeiung. Im Zweiten Weltkrieg teilten die Bevölkerung und ihre Führung das Postulat, dass der moderne Krieg vom Staat verlangt, die Mobilmachung auf ein historisch beispielloses Niveau zu heben oder anders die Niederlage in Kauf zu nehmen.

       Victory-Bonds: Aus dem Patriotismus Kapital schlagen

      Bei Kriegseintritt im Sommer 1914 rechneten die Großmächte nicht damit, dass der Staat eine Schlüsselrolle in einem lang andauernden Konflikt spielen würde. Man erwartete eine Reihe kurzer Feldzüge, durchgeführt von den aus bestehenden Reserven gezogenen verfügbaren Truppen. Es stimmt, dass der Konflikt schon 1914 hätte enden können, wenn Deutschland die Erste Schlacht an der Marne oder Russland die bei Tannenberg gewonnen hätte. Erst mit der Zeit begriffen die Kriegsparteien, dass sie es mit einem Abnutzungskrieg zu tun hatten. Zu Beginn der Kampfhandlungen rechnete die französische Armee damit, täglich 13 600 Artilleriegeschosse zu brauchen; im September 1914 forderte sie 50 000, im Januar 1915 dann 80 000; im folgenden Herbst waren 150 000 nötig. Der unerwartete Bedarf an zusätzlichen Truppen und die zunehmende Zahl an Arbeiter*innen, die zur Munitionsherstellung herangezogen wurden, zwangen die Staaten, ihre Kontrolle über die Arbeitskräfte in der Industrie und in der Landwirtschaft zu erhöhen.

      Selbst in den Ländern, die wie Frankreich oder Russland bereits über einen starken Staat und eine bürokratische Kultur verfügten, nahmen die Veränderungen Proportionen an, die man sich zuvor nicht vorgestellt hatte. Davon zeugt der Anteil des Nationaleinkommens, der für die Staatsausgaben aufgewendet wurde. In Großbritannien, wo der öffentliche Sektor relativ bescheiden ausgebaut war, stiegen sie von 8,1 Prozent im Jahr 1913 auf 37,1 Prozent 1917; in Frankreich von 10 Prozent vor dem Krieg auf 53,5 Prozent 1918; in Deutschland, wo die Macht des Zentralstaates vor dem Krieg reduziert war, von 9,8 Prozent 1913 auf 59 Prozent 1917, was der größte Anteil unter allen kriegführenden Mächten war. In Russland, wo das Nationaleinkommen nach 1915 rasant einbrach, stiegen die Staatsausgaben von 3,4 Milliarden Rubel 1913 auf 30,6 Milliarden 1917. In den Vereinigten Staaten, die 1917 in den Krieg eintraten, stiegen die Staatsschulden des Bundes von 1,2 Milliarden Dollar 1916 auf 25,5 Milliarden 1919, und dies nicht nur zur Finanzierung der eigenen Kriegsanstrengung, sondern auch zur Vergabe von Krediten in Höhe von 7,5 Milliarden Dollar an die Alliierten.

      Die Forderungen, die der Staat zum Kriegführen stellte, brachten Finanz-, Industrie- und Agrarsektor durcheinander. Bis 1914 blieben seine Eingriffe im Allgemeinen in engen Grenzen und die Steuersätze niedrig. Das vorherrschende Wirtschaftsmodell war liberal: auf Freihandel, Industrie und Geschäft in Privathand und freiwillige Mitwirkung gegründet. Das alles änderte sich mit Kriegseintritt. Zivilist*innen wurden sehr viel stärker direkt und indirekt besteuert, was das Konsumniveau im selben Maße absenkte; die Anleihen zur Deckung der wachsenden Staatsschulden bewirkten eine beträchtliche Verlagerung von Geldern, die in den Privatsektor hätten investiert werden können, hin zum öffentlichen Sektor und in sein Budget für Armee und Kriegsindustrie. Diese Anleihen wurden von den Regierungen unter massiver Propaganda ausgegeben, die die Bürger*innen dazu anhielt, zur Finanzierung der Kriegsanstrengung beizutragen. Für den amerikanischen Finanzminister William Gibbs McAdoo waren die Liberty-Bonds und die Victory-Bonds ein Mittel, »aus dem Patriotismus Kapital zu schlagen«. Daraus resultierten auf den Finanzmärkten, die so starke staatliche Eingriffe nicht gewöhnt waren, hohe Inflationsraten. 1918 verloren die deutsche Mark und der französische Franc die Hälfte ihres Werts. In Russland genügten die Anleihen und Steuern nicht zur Deckung der Schulden, sodass der Staat neues Geld ausgab, auch wenn der Rubel 1918 fast wertlos geworden war. In Großbritannien, wo der Staat stärker als anderswo auf eine Erhöhung der direkten Steuern zurückgriff, stiegen die öffentlichen Einnahmen fast auf das Fünffache, und dennoch wuchsen die Schulden Jahr für Jahr, sodass sie 1917–1918 bei 47 Prozent des BIP lagen. Der junge Ökonom John Maynard Keynes, zu der Zeit hoher Beamter beim britischen Schatzamt, beklagte die finanziellen Risiken, die die Regierung eingegangen war, bevor amerikanische Unterstützung eintraf: »Wir schleppten uns mit immer nur ein oder zwei Wochen Liquidität voran, bis dann im März 1917 die Vereinigten Staaten eingriffen und das Problem gelöst war.«5

      Die Inflation speiste sich aus dem allgemeinen Scheitern der Staaten, die Preise zu kontrollieren oder die Rationierung der Waren zu organisieren. Ab einem bestimmten Niveau drückte dies auf die Motivation der Arbeiter*innen, deren Löhne im Allgemeinen nicht dem Preisanstieg entsprechend angehoben wurden. In Russland misslang es dem Staat, die Inflation

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