Eine Geschichte des Krieges. Группа авторов

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Aspekte der Drohnentechnologie miteinander kombiniert wurden: die Fähigkeiten zur Überwachung und zum Zielbeschuss. Der Prozess der Aufklärung und Identifizierung der Ziele einerseits und die Mechanismen zu ihrer Eliminierung andererseits, die normalerweise räumlich und zeitlich getrennt waren, unterscheiden sich immer weniger. Grégoire Chamyou hat dies als den »Blick, der tötet«, beschrieben. Je mehr sich diese Prozesse beschleunigen, desto mehr verschwindet das menschliche Bedienpersonal aus der Entscheidung zum Angriff und desto weniger Zeit und Spielraum bleiben uns zur kritischen Prüfung und Reflexion.

      Während sich der Zielapparat der Drohnen zunehmend auf Metadaten, Algorithmen und Automatisierung stützt, ist es außerdem notwendig, die Aufmerksamkeit darauf zu lenken, wie Individuen allmählich in Abstraktionen verwandelt werden, und zwar in dem Maße, wie die »Analyse der Lebensgewohnheiten« immer öfter als Grundlage der Drohnenangriffe dient. Die militärischen und akademischen Argumente für die Entwicklung automatisierter Drohnen betonen deren Fähigkeit zur Berechnung und Bewältigung gigantischer Datenmengen, die ihnen erlauben, besser und schneller zu entscheiden und zu töten, als Menschen dies können. Manche Kritiker*innen erwidern, dass die Entscheidung über das Töten aus grundsätzlichen ethischen Erwägungen das Vorrecht der Menschen bleiben muss. Allerdings trägt diese Debatte nicht recht der Tatsache Rechnung, dass die Verschiebung hin zur Automatisierung nur das Ergebnis einer viel älteren Geschichte von Versuchen ist, unbemannte Flugzeuge in Militäroperationen zu integrieren. Die Berücksichtigung dieser Geschichte zeigt, dass die Frage nicht so sehr als diejenige nach dem Roboter- oder nichtmenschlichen Krieg gestellt werden darf: Die heutigen Drohnenangriffe stellen nur neue Formen dar, in denen die Menschen – wie sie es immer versucht haben – die geografischen und technologischen Grenzen des Krieges verschieben.

      Katharine Hall ist Postdoctoral Fellow am Institut für Geografie in Dartmouth. Sie arbeitet über westliche Gewalt und die gegenwärtigen Konfigurationen der Staatsmacht.

       Literaturhinweise

      Zu Daten über die Drohnenangriffe siehe Jessica Purkiss und Jack Serle, »Obama’s Covert Drone War in Numbers: Ten Times more Strikes than Bush«, The Bureau of Investigative Journalism, 17. Januar 2017, https://www.thebureauinvestigates.com/stories/2017-01-17/obamas-covert-drone-war-in-numbers-ten-times-more-strikes-than-bush [10. 6. 2019].

      Zu Quellen über die Geschichte der Drohnentechnologie siehe Katharine Kindervater, »The Emergence of Lethal Surveillance. Watching and Killing in the History of Drone Technology«, Security Dialogue 47, Nr. 3 / 2016, S. 223–238.

      Zu spezifischen Informationen über den Vietnamkrieg siehe Ian Shaw, Predator Empire. Drone Warfare and Full Spectrum Dominance (Minneapolis 2016).

      Für Beispiele der Debatte über automatisierte Drohnen siehe Ronald Arkin, »The Case for Ethical Autonomy in Unmanned Systems« (Journal of Military Ethics 9, Nr. 4 / 2010), sowie Peter Asaro, »On Banning Autonomous Weapon Systems. Human Rights, Automation, and the Dehumanization of Lethal Decision-Making« (International Review of the Red Cross 94, Nr. 886 / 2012, S. 687–709). Siehe auch Grégoire Chamayou, Ferngesteuerte Gewalt (Wien 2014).

       Querverweise

      Technologie ist nichts ohne Strategie132

      Der Bombenkrieg, vom Boden aus betrachtet568

      Richard Overy

       Der Aufstieg des Kriegsstaates

      Nur durch extreme Beanspruchung ihrer ökonomischen Ressourcen und ihrer aktiven Bevölkerung konnten die Staaten im 20. Jahrhundert Kriege auf globaler Ebene führen. Sowohl Demokratien als auch Diktaturen haben dabei ihre Vorrechte und ihre Macht ausgebaut.

      Über Jahrhunderte haben die Staaten Kriege geführt, aus denen sie gestärkt oder geschwächt hervorgingen. Die qualitative Veränderung des Krieges im 20. Jahrhundert hingegen hat den Staaten die Mobilisierung ihrer gesamten ökonomischen Ressourcen und aktiven Bevölkerung abverlangt, um in den Krieg ziehen und die Kriegsanstrengung aufrechterhalten zu können. Indem sich der Staat in den »totalen Krieg« stürzte, wie man ihn von nun an nannte, hat er selber Veränderungen durchlaufen. Doch die Wirkung war eine gegenseitige: Der Übergang zum totalen Krieg, wie er sich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts vollzog, ist auch eine Folge der ökonomischen und sozialen »Modernisierung« des Staates. Ohne einen Staat mit voll entwickelter Verwaltungsstruktur, hochentwickelten Kommunikationsmitteln, Statistikamt, einer Propaganda, die die Bevölkerung überzeugen und dazu bringen kann, aktiv zu werden, mit geschulten Männern und Frauen und einer zur Massenproduktion fähigen Industrie hätte die Mobilisierung der gesamten aktiven Bevölkerung und der ökonomischen Ressourcen nur wenig bewirken können.

      Da diese Bedingungen erfüllt waren, konnten die Großmächte zur Zeit der Massenmobilmachung zwei Weltkriege führen und die Supermächte des langen Kalten Krieges dank beträchtlicher und weiterentwickelter militärischer Mittel ihre Kriegsbereitschaft aufrechterhalten. In der Gegenwart haben sich kleinere Länder manchmal durch den Krieg gezwungen gesehen, sich zu »Kriegsstaaten« zu entwickeln. Das gilt beispielsweise für Israel, den Irak und Nordkorea, wo der Zustand ständiger militärischer Bereitschaft eine große Rolle spielt.

       Anfänge des »Militär-Industrie-Komplexes«

      Die Beziehung zwischen Kriegführung und Staatsmacht gab es lange vor dem 20. Jahrhundert. Das Ausmaß der französischen Revolutionskriege und des Ersten Weltkrieges zwangen die Großmächte zu einer umfangreichen Mobilisierung der Arbeitskräfte und industriellen Ressourcen. Wehrpflicht und Beschlagnahme erweiterten die Befugnisse des Staates, auch wenn für den Hauptteil der ökonomischen Erfordernisse des Krieges noch nichtstaatliche Akteure verantwortlich blieben und die lokalen Behörden maßgeblich an der Mobilmachung beteiligt waren. Zu dieser Zeit befand sich der »Militär-Industrie-Komplex«, wie er heute genannt wird, noch in seinen Anfängen. Der Staat organisierte seine Ressourcen nicht auf systematische Weise. Außerdem waren die meisten Kriege des 19. Jahrhunderts kurzlebig und erforderten nur wenige Anstrengungen seitens des Staates, Arbeitskräfte und Versorgung bereitzustellen.

      Der Amerikanische Bürgerkrieg, der manchmal als der erste totale Krieg beschrieben wird, bildet eine Ausnahme. Ohne Aussicht auf einen schnellen Sieg wurde er zum Schauplatz einer breiten Mobilisierung der ökonomischen und sozialen Ressourcen. In den 1850er Jahren war der Zentralstaat noch schwach, die Besteuerung niedrig, und die Interessen der verschiedenen Unionsstaaten blieben gewahrt. Die Entscheidung der Südstaaten, sich abzuspalten, zwang die Bundesregierung in Washington, dem Staatsapparat mehr Gewicht zu verleihen (1865 zählte man 200 000 Angestellte auf Bundesebene, fünfmal so viel wie 1861), neue Steuern zu erheben und Kredite in beispielloser Höhe aufzunehmen. Zwischen 1857 und 1860 belief sich der Bundeshaushalt lediglich auf 274 Millionen Dollar. Im Verlauf der vier Jahre des Bürgerkrieges erreichten die Aufwendungen eine Gesamtsumme von 3,4 Milliarden Dollar, 1,8 Milliarden davon direkt für Militärkampagnen.

      Paradoxerweise war es die weniger urbanisierte, weniger industrialisierte, jeder Zentralstaatlichkeit feindlich gesinnte Konföderation im Süden,

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