Plötzlich Prinzgemahl. Regina Mars

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Plötzlich Prinzgemahl - Regina Mars

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Hand aus. Gwenna reichte ihm den schweren Pfeil.

      »Das funktioniert doch nie«, flüsterte sie, ihre Stimme schrill vor Panik.

      »Klar funktioniert das.« Er grinste breit, schlang die Beine um den Ast, auf dem er saß, und spannte den Bogen. Die Pfeilspitze war schwer. Sehr schwer, was an der Vorrichtung lag, die er dort angebracht hatte. Ein Lederhandschuh, gefüllt mit Metall. Drei Hufeisen und mehrere kleine Erzstücke, die er beim Schmied besorgt hatte, polsterten ihn aus. Gwenna sah ungläubig auf den Pfeil, der wie ein spindeldürrer Arm mit einer behandschuhten Faust aussah.

      »Das kann gar nicht klappen. Das sieht so bescheuert aus.«

      »Ein bisschen mehr Vertrauen bitte«, sagte Nat. Sein Arm zitterte jetzt schon vor Anstrengung. Wo war die verdammte Kutsche? Wo …

      Dann sah er sie. Ganz nah. Ein paar Bäume entfernt, schwebte sie langsam über die Baumkronen des Stadtparks. Wunderbar tief. Klar, die Familie von Dübelknecht bestand aus Landadligen, die weit weg auf den Schären wohnten. Vermutlich wollten sie alle Eindrücke der Stadt mitnehmen, wenn sie schon einmal da waren.

      Hinter der Glasscheibe erblickte er ein kleines Gesicht mit einer gigantischen Perücke darüber, das fasziniert nach unten schaute. An der Seite der ohnehin reich verzierten Kutsche prangte ein goldenes Emblem. Vier braune, geflügelte Pferde zogen sie, zwei vorne, zwei hinten, deren mächtige Flügel die Luft aufwirbelten, so stark, dass ein Hauch über seine verschwitzte Wange strich …

      Noch einmal atmete er tief ein. Nur ein Schuss, erinnerte er sich. Wenn er nicht traf, war es vorbei. Dann wären sie gewarnt, dann würden sie abdrehen. Sein zitternder Arm bewegte sich noch einen Millimeter nach hinten, seine verkrampften Finger packten die Sehne fester, fixierten den Kopf des Pegasus, der ganz vorne flog …

      Er schoss.

      2. Der Thronerbe

      Solan Benajovolan der Fünfte, Prinz des Felsenreichs, und begehrtester Junggeselle des Landes, war der schönste Mann der Welt. Seiner Meinung nach zumindest.

      Zufrieden betrachtete er seine schlanke, aber muskulöse Gestalt im goldgerahmten Spiegel seines Ankleidezimmers. Seine Augen waren strahlend blau wie ein Sommerhimmel, seine Haare glänzend schwarz wie Onyx und seine Haut so köstlich karamellfarben wie Milchkaffee. Diesen Ton verdankte er seiner Mutter, die aus dem Nördlichen Wüstenreich gekommen war. Seiner verstorbenen Mutter. Er schenkte seinem Spiegelbild ein huldvolles Lächeln, bevor er sich daran machte, sich anzukleiden.

      Er streifte das seidene Unterhemd über, dann das hauchdünne Kettenhemd aus Duranit. Dieses, obwohl kaum dicker als die Seide auf seiner Haut, würde ein mittelgroßes, mittelscharfes Messer abwehren.

      Blieb zu hoffen, dass ihn niemand mit einem großen, scharfen Messer angriff.

      Die zahlreichen kleinen Knöpfe des Mantels, eines traditionellen Ghars, zu schließen, erforderte Geduld, die der Thronerbe nur zähneknirschend aufbrachte. Aber ließe er sich von einem Diener ankleiden, bestünde die Gefahr, dass dieser Diener ihn umbrachte. So war es seinem Bruder Theolan ergangen.

      In einer Lache dunklen Blutes hatten sie ihn gefunden, den stammelnden Diener mit dem Messer in der Hand über sich. Der Mann war natürlich über die Klippe gesprungen für sein Verbrechen. Aber seine Familie hatte vermutlich bis an ihr Lebensende genug zu essen gehabt. Der Adel hielt seine Versprechen, vor allem, wenn er Mörder bezahlte.

      Theolan war erst sieben Jahre alt gewesen.

      Solan streifte die Hose über, deren verschlungenes Muster türkisfarbene Steppenblumen darstellte. Diese Blumen wuchsen auf der großen Ebene, über die Solans Vorfahren jahrhundertelang gezogen waren, bevor sie sich schließlich im Felsenreich niedergelassen hatten. Hier, im blauen Schloss, direkt am Meer.

      Es hatte zwölf Näherinnen über einen Monat gekostet, die Seidenstickerei herzustellen. Nun, nicht zu wenig Aufwand, wenn man bedachte, dass ihre Farben mit Solans wunderschönen Augen konkurrieren mussten. Er streifte die mit Federn besetzten Stiefel aus weichem Otterleder über und verbarg scharfe Dolche in beiden sowie in seinen Ärmeln. Dann war er fertig. Fast. Mit einem Seufzen legte er einen Samtschal zusammen und stopfte ihn unter den Mantel. Nun sah es so aus, als hätte er, trotz seines ansonsten perfekten Körpers, ein Bäuchlein. Unwillig verzog er das Gesicht. Aber was sein musste …

      »Raga, meinst du, dieser Anzug wird mir gerecht? Oder ist er doch einen Hauch zu nüchtern?«, fragte er und trat hinter dem Paravent hervor.

      Raga, seine alte Amme, betrachtete ihn mürrisch. Sie saß mit überkreuzten Beinen auf Solans ozeangroßem Himmelbett und rauchte. Mit einem schmatzenden Geräusch entließ sie den länglichen Pfeifenstiel aus ihrem Mund.

      »Passt«, schnarrte sie.

      »Musst du den ganzen Raum mit dem Qualm verpesten?« Solan sah sie streng an. Aber das hatte, wie üblich, keine Wirkung auf die Frau die ihn großgezogen hatte. Gelbliche Zähne erschienen, als sie ihn angrinste.

      »Muss meine Nerven beruhigen, kaiserliche Hoheit.« Sie hustete. Als sie wieder sprach, wurde ihre Stimme zu einem ironischen Zwitschern. »Gleich beginnt doch der große Frühlingsball.«

      Wie ein junges Mädel klimperte sie mit den Wimpern. Dabei waren ihre Wimpern so weiß wie ihr Haar, das in drei dünnen Zöpfen bis zu ihrer Taille herunterhing.

      Solan grinste zurück.

      »Hast du vor, dir einen Kerl anzulachen, Raga? Ich habe gehört, heute wären viele begehrte Junggesellen anwesend. Nicht so begehrt wie ich natürlich.«

      »Natürlich.« Sie verdrehte die Augen. »Pass auf, dass dich keine schöne Dame bezirzt. Das könnte dich von deinem Spiegelbild ablenken.«

      »So schön kann keine Dame sein.« Solan streifte einen winzigen Fussel von seinem Ärmel. »Und du musst dir keine Sorgen machen, denn ich habe nicht vor, zu heiraten. Keine andere könnte deinen Platz in meinem Herzen füllen.«

      »Ui.« Raga schien noch eine Spitzfindigkeit loswerden zu wollen, aber ihr Blick wurde unvermittelt ernst. Sie räusperte sich. »Du wirst heiraten, ob du willst oder nicht.«

      »Wie bitte?« Solan sah sie misstrauisch an. »Wie meinst du das?«

      »Du bist jetzt achtzehn und damit im heiratsfähigen Alter. Erinnere dich, deine Mutter war erst vierzehn, als sie den Kaiser heiratete. Eigentlich war das illegal, aber für Ihre Majestät gelten andere Gesetze. Schon immer.«

      »Ja, das tun sie wohl.«

      Für einen Moment sank Solans Herz. Er atmete tief ein, um sein Gesicht mit der üblichen Arroganz zu füllen. Raga sah ihn streng an. Selbst hier, allein in seinem Schlafzimmer mit seiner engsten Vertrauten, durfte er seine Maske nicht fallen lassen. Das hatte sie ihm eingeschärft.

      »Es gibt Pläne«, sagte sie. Ihre Miene verdüsterte sich. »Du sollst mit Tudans Nichte verheiratet werden.«

      »Mit Tudans Nichte?« Solan legte den Kopf schief. Kratzte sich am Kinn. »Sie ist hübsch, aber neben mir wird sie doch recht gewöhnlich aussehen.«

      »Du weißt, was ich meine.«

      »Dass sie eine Mörderin in mein Schlafzimmer schleusen wollen? Natürlich weiß ich das.« Er ballte die linke Hand zur Faust. »Langsam fragen sie sich wohl, warum das unfähigste

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