Mord à la carte in Schwabing. Jörg Lösel
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Lisas Teint schimmerte nun rosa unter dem hellen Puder.
4
Man hatte Tom in einem Großraumbüro einen kleinen Schreibtisch mit einem Dienstcomputer zugewiesen. Neonlicht, miese Luft und laute Telefonate sorgten bei ihm für das Gefühl, in einer Legebatterie gelandet zu sein. Er musste sich den PC mit anderen Autoren teilen, und da diese keine Frischlinge mehr waren und in den normalen Arbeitsalltag eingebunden, musste er sich hinten anstellen. Er hatte sich fest vorgenommen, am nächsten Tag sein Laptop mitzubringen. Da hatte er zwar keinen Zugang zu den Presseagenturen, die für die Themenfindung wichtig waren, aber er konnte wenigstens unkompliziert recherchieren und schreiben.
Er saß verloren auf einem Stuhl neben dem kleinen Schreibtisch, Eike benötigte den Computer erst einmal für sich. Bei der morgendlichen Redaktionssitzung war keine Arbeit für Tom abgefallen. Karen war wieder mit im Redaktionsteam – auf der Stirn ein transparentes Pflaster und auf dem Gesicht eine Miene, als würde sie nun zu den hässlichen Entlein gehören und niemand, vor allem kein Vorgesetzter, würde noch ein Auge auf sie werfen.
Als Tom sie fragte, wie es ihr denn ginge, funkelten ihre blauen Augen vernichtend, und sie giftete ihn an: »Wegen dir musste ich mich von Neuwirt beschimpfen lassen. ›Wie kannst du so jemanden vor die Kamera lassen? Das wäre beinahe in die Hose gegangen‹, hat er gesagt. Und von meiner Verletzung wollte er gar nichts wissen.«
Mit diesen Worten warf sie die blonden Haare über die Schulter, drehte sich um, und ließ Tom geknickt zurück.
Während er dem Konflikt mit Karen noch in Gedanken nachhing, hörte er plötzlich von Eike: »Wow! Das ist ja ’n Ding!«
Eike druckte eine Meldung aus dem News-Portal aus.
»Was ist los?«, fragte Tom.
»Der Franzose ist tot, Monsieur Lalonge, der dein Auto vollgekotzt hat. Bei der Obduktion hat man Reste von Liquid Ecstasy gefunden, das für seinen Tod mitverantwortlich sein soll. Das ist doch ’ne Bombe! Und es kommt noch besser! Weißt du, was er von Beruf war? Tester vom Guide Michelin! Ausgerechnet so einer stirbt im Sterne-Restaurant an Rauschgift. Komm, wir gehen zum Chef!«
Neuwirt saß lässig, die Füße auf den Schreibtisch gelegt und mit einem Zahnstocher in Mund, in seinem Büro und sah sich eine Sendung vom Vorabend an. Flapsig fragte er: »Was wollt ihr denn schon wieder von mir?«
Eike setzte sich dem Redaktionsleiter gegenüber auf einen Stuhl, Tom blieb mit einem Sicherheitsabstand dahinter stehen. Als Neuwirt die Geschichte um den Tod des Testers von Eike gehört hatte, stimmte er einem Dreh sofort zu. »Setzt euch dran, bestellt bei der Kameradispo ein Team. Wir brauchen diese Story. Eike, Sie machen den Beitrag!«
Vorsichtig räusperte sich Tom. »Ich hätte da noch eine Idee.«
»Und welche?«
»Ich könnte als Augenzeuge interviewt werden. Ich war der Einzige, der Lalonge beim Verlassen des Lokals gesehen hat, ich habe ihn mit versorgt, und ich habe den Notarzt rufen lassen.«
Neuwirt nahm seine Füße vom Tisch, warf den Zahnstocher in einen Abfalleimer und rieb sich die Hände. »Sie sind wohl auf den Geschmack gekommen.« Er richtete sich in seinem Sessel auf und fixierte Tom. »An einem Tag Reporter im On, am nächsten Augenzeuge in derselben Sache, das ist merkwürdig, da kriegen wir ein Glaubwürdigkeitsproblem, Herr Kollege.«
Tom sah betroffen auf den Boden, Neuwirts Argumentation klang für ihn recht plausibel. Dass er da selbst nicht dran gedacht hatte …
Eike, der den Disput angespannt verfolgt hatte, rettete für ihn die Situation. »Ich könnte Tom aber gut für eine schnelle Recherche brauchen.«
»Natürlich, wenn Sie eine Verwendung für ihn haben.«
Kaum hatten die beiden Neuwirts Büro verlassen, sagte Eike zu Tom: »Ich finde deinen Vorschlag gar nicht schlecht. Sonst suchen wir immer Augenzeugen, jetzt hätten wir einen im Haus, und dann darf man ihn nicht nehmen.«
»Das Glaubwürdigkeitsproblem ist keins, meinst du das?«
»Genau. Du warst ja dort, du bist ein Zeuge.«
»Wahrscheinlich wollte er nach dem gestrigen Bericht nicht, dass ich noch mal im On erscheine.«
Eike klopfte Tom auf die Schulter. »So schlecht war das fürs erste Mal nicht.«
Als Tom und Eike mit dem Teamwagen beim Odeon ankamen, wimmelte es dort von Polizeifahrzeugen. Tom hatte recherchiert, dass der Einsatzleiter im Fall Lalonge autorisiert war, ein Statement abzugeben, und er machte sich auf die Suche nach dem Mann. Zunächst lief ihm Ben Williams über den Weg. Da er mitgeholfen hatte, Lalonge vor zwei Tagen vor dem Restaurant zu versorgen, fragte ihn Tom, ob er bereit wäre, etwas darüber in die Kamera zu sagen, aber das wies der »Chef de la réception« weit von sich: »Gehen Sie zur Polizei, die hat das Sagen.«
»Wo finden wir den Einsatzleiter?«
»Der ist sicher in der Küche. Die durchsuchen dort alles.«
Ben Williams drängte sich übellaunig an Tom vorbei Richtung Restaurant-Büro.
Tom und Eike sahen rund ein Dutzend Männer, die die Küche auf den Kopf stellten. Sie hatten zahlreiche schwarze und blaue Plastikkisten mitgebracht, sortierten Obst, Gemüse, Fleisch und Fisch in kleine Plastikbeutel und beschrifteten sie. Schränke standen offen, auch Kühlschränke, und auf den Tischen lagen Berge von Rhabarber, Heidelbeeren, Salaten, Eiern, Mandeln, Gewürzen, Hummer, Morcheln, Spargel, Bohnen, Blumenkohl- und Wirsing-Köpfen, dazwischen Töpfe und Pfannen jeglicher Größe, Messer, Pfannenwender, Siebe und alle möglichen anderen Kochutensilien.
Als einer der Männer, ein bulliger Typ mit rotem Gesicht, Bierbauch und schwarzer Lederjacke, die beiden Journalisten entdeckte, kam er auf sie zu und sagte unwirsch: »Das ist eine polizeiliche Ermittlung! Was wollen Sie hier? Sie haben hier nichts verloren.«
Eike stellte sich vor und erkundigte sich nach dem Einsatzleiter, aber der Rotgesichtige legte Eike die Pranke auf die Schulter und schob ihn vor sich her. »Gehen Sie jetzt! In den Gastraum! Ich informiere den Kollegen.«
Kokett und auch für den Polizisten gut vernehmbar sagte Eike zu Tom: »Was für ein roher Kerl. Und dann fasst er mich auch noch an …!«
Nach fast einer halben Stunde kam ein kleiner Mann auf die beiden Reporter zu. Er hatte eine sehr große Nase, einen an den Spitzen nach oben gezwirbeltem Schnurrbart, kurz geschnittene graue Haare und steckte in einer zu großen Jeans, bei der Hosenträger das Rutschen verhinderten. Er sagte in breitem Bayerisch: »Ich hab g’hört, Sie woll’n was von mir. Ich bin der Einsatzleiter, Obermeier, Georg.«
»Wir würden gerne für den Sender TV 1 über den Todesfall Lalonge berichten, und die Pressestelle sagte uns, Sie könnten etwas über den Stand der Ermittlungen sagen. In die Kamera, meine ich.«
»Oh, hallo, ja sauber. So viel kann i da gar ned sag’n.«
»Ich verstehe, dass Sie zu den Ergebnissen der Ermittlungen nicht viel sagen können, aber sicher etwas zum Stand der Ermittlungen.« Ein wenig belehrend hatte Eike geklungen, als ob er diesen Satz schon x-mal von sich gegeben hätte.
»Und