Mord à la carte in Schwabing. Jörg Lösel

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Mord à la carte in Schwabing - Jörg Lösel

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der Latino ist sein Lustknabe – oder?«

      »Davon kannst du ausgehen. Wieso fragst du das eigentlich mich?«

      »Ich kenn mich da nicht so aus, ich bin hetero.«

      »Und was glaubst du, was ich bin?«

      Tom sah zur Seite. »Sorry, ich wollte dir nicht zu nahe treten.«

      Eike grinste feixend.

      Als er das Kommando gab, zurück zum Sender zu fahren, mischte sich Tom ein: »Lass uns noch beim Odeon vorbeifahren, wir können Steineberg befragen. Ich bin sicher, dass er sich äußert, wenn er hört, was Wissler gesagt hat.«

      Eike ließ sich überzeugen. Es wäre die erste Stellungnahme des Odeon-Chefkochs in dieser Angelegenheit. Das zählte eine Menge im journalistischen Geschäft, und dafür konnte man natürlich einen kleinen Umweg machen.

      Reglos und still wie der steinerne Epikur wirkte das Sterne-Restaurant bei der Ankunft des Teamwagens. Wenn man aber durch die großen Glasflächen der Fenster schaute, sah man Männer und Frauen in hektischer Betriebsamkeit hin und her laufen.

      Eike und Tom läuteten an der Eingangstür. Nach einer Weile öffnete Williams und fragte sie etwas ungehalten, was sie wollten.

      »Wir würden gerne kurz mit Herrn Steineberg sprechen.«

      »Und in welcher Angelegenheit?«

      »Sagen Sie ihm bitte, wir möchten ihm ein Statement von Wissler vorspielen.«

      Der Amerikaner grummelte, drehte sich um und schloss die Tür hinter sich.

      Nach wenigen Minuten kam Steineberg. Er sah bedrückt aus, sein blondes Haar schien einen grauen Schimmer bekommen zu haben, und es wirkte unfrisiert. Mit einem müden Ausdruck in den Augen fragte er: »Wie kann ich Ihnen behilflich sein?«

      »Wir haben Herrn Wissler zu den Arbeitsabläufen in einer Sterneküche befragt. Er hat sich dazu geäußert, man kann seine Bemerkung als eine unterschwellige Kritik an Ihnen verstehen. Wir können Ihnen das Interview über das Kameradisplay vorspielen, wenn Sie wollen.«

      Steineberg nickte, der Kameramann suchte die Stelle im Rückwärtslauf, dann bekam der Sternekoch einen Kopfhörer aufgesetzt und vernahm, was Wissler zu sagen hatte.

      »Wie verstehen Sie diese Äußerung?«, fragte Eike, als Steineberg den Kopfhörer wieder absetzte.

      »Ein aufmerksamer Chefkoch«, wiederholte er in Wisslers Tonfall, »dass ich nicht lache … Ein widerlicher Arsch!« Nach einer Weile fügte er hinzu: »Das ist nicht zitabel, meine Herren!«

      »Sind Sie zu einem Statement vor der Kamera bereit?«

      Steineberg nickte.

      Nach einigen Minuten stand er frisch frisiert vor dem Eingang des Odeon und sagte in die Kamera: »Natürlich wird in meinem Restaurant jedes Gericht fein säuberlich abgeschmeckt, der Chefkoch hat den Überblick und garantiert für das Essen. Mehr möchte ich hierzu nicht sagen. Grundsätzlich möchte ich aber festhalten, dass im Odeon keine verbotenen Rauschmittel gefunden worden sind – weder im Zusammenhang mit dem Prozess gegen mich noch mit dem Fall des Guide-Michelin-Testers. Aber der Ruf wird ruiniert, den sich das Odeon in vielen Jahren mühsam erworben hat. Und es wird sicher lange dauern, bis diese Rufschädigung wieder aus der Welt geschafft ist.«

      Die halbe Belegschaft des Sterne-Restaurants war aufgetaucht, um sich die Aufnahmen nicht entgehen zu lassen; auch Williams und Edgar waren darunter, nur Lisa konnte Tom nicht entdecken.

      »Aber wieso wurden Sie dann überhaupt angeklagt, wenn in Ihrem Lokal keine Rauschmittel gefunden worden sind?«, fragte Eike nach.

      »In Absprache mit meinem Rechtsanwalt möchte ich mich zu dem Prozess nicht öffentlich äußern.«

      6

      Sechs Stunden später warteten Eike und Tom im Schneideraum auf die Abnahme durch Neuwirt. Die Cutterin nutzte die Pause für ein von zu Hause mitgebrachtes Käsebrot und einen Schluck Tee aus der Thermoskanne. Eike hatte damit begonnen, für eine Story zu recherchieren, die er für den nächsten Tag realisieren sollte. Tom saß herum, sah auf seinem Laptop die Meldungen auf Spiegel Online und anderen Nachrichtenwebsites durch und freute sich auf seine Taekwondo-Stunde, bei der er hoffte, Lisa zu treffen. Endlich erschien Neuwirt gut gelaunt, als hätte er gerade eine Gehaltserhöhung erhalten.

      Eike trug ihm den Text zu seinem Filmbericht vor, und Neuwirt hatte nichts auszusetzen. Tom war richtig überrascht, dass er den Beitrag uneingeschränkt lobte: »Dass Sie ein Statement von Steineberg bekommen haben, ist schon richtig gut!«

      »Die Idee dazu kam von Tom«, bemerkte Eike.

      Neuwirt hob den Daumen und sagte spitz: »Sehr gut, Herr Umweltaktivist!«

      Kaum hatte Neuwirt den Schneideraum verlassen, begann Tom zu strahlen. »Vielen Dank für den Support. Jetzt hab ich endlich mal etwas richtig gemacht.«

      »Heute hat er einen seiner besseren Tage.«

      »Aber ich verstehe immer noch nicht, warum er mich als Umweltaktivist bezeichnet; einmal einen Vorschlag gemacht aus dem Bereich der Ökologie …«

      »Mach dir nichts draus«, meinte Eike, »das sagt er auch zu anderen Kollegen. Ich glaube, da hat er ein Trauma. Als Student hatte er sich einmal beim ›Bund für Umwelt und Naturschutz‹ engagiert. Das sieht er heute offenbar als Jugendsünde. – Die Kollegen haben das rausgefunden.«

      »Ha, das kann ich mir gar nicht vorstellen.«

      »Leute ändern sich, vor allem, wenn sie in solche Positionen kommen. Durch ein ökologisches Engagement wurde man lange Zeit auf der linken Seite der Gesellschaft eingeordnet, und das führte bei den Regierenden eher zu einem Punktabzug. Diese Scharte aus der Vergangenheit wollte und will Neuwirt wohl auswetzen, aber vielleicht ändert er sein Verhalten auch bald wieder, nachdem das Thema ›Klimawandel‹ sogar bei den Neoliberalen angekommen ist.«

      »Das klingt nach einer Menge Lebenserfahrung«, neckte ihn Tom, der seinen politischen Einsatz für den Klimaschutz während des Studiums lieber nicht preisgeben wollte.

      »Pass auf, du Grünschnabel, dass du dir keinen Satz heiße Ohren holst.«

      Die Taekwondo-Stunde leitete ein 70-jähriger Koreaner, der als Koryphäe in dieser Sportart galt. Er hatte den Trainingsraum in einem Hinterhof der Hohenzollernstraße mit einem ganzen Panoptikum von skurrilen Gegenständen ausstaffiert – an den Wänden hingen neben Hirschgeweihen Lebensweisheiten auf Chinesisch, in einer Ecke stand ein metergroßer Wolpertinger aus Stoff mit Fuchskopf und Adlerflügeln. Es roch nach altem Schweiß, und nach dem Training musste man sich an den zwei verfügbaren Duschen anstellen. Billigend nahmen die Schüler diese einfachen Umstände angesichts des Renommees des Großmeisters in Kauf.

      Tom hatte Glück gehabt, Lisa war auch gekommen, und sie beschlossen, nach den schweißtreibenden Übungen in einem Wirtshaus einzukehren.

      Sie schlenderten die Einkaufsstraße zwischen Kurfürstenplatz und Leopoldstraße entlang, vorbei an hippen Klamottenläden, Supermärkten, Friseurgeschäften, Cafés und chicen Restaurants. Tom hatte vor allem Augen für Lisa, freute sich an ihrem ebenmäßigen Profil und ihren

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