Mord à la carte in Schwabing. Jörg Lösel
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Читать онлайн книгу Mord à la carte in Schwabing - Jörg Lösel страница 11
Auch Lisa war wieder zuversichtlicher als bei ihrem letzten Treffen. Steineberg hatte eine einstweilige Verfügung gegen die Schließung seines Restaurants erwirkt, und nun konnte das Odeon seine Tore wieder öffnen. Lisa berichtete, sie hätten schon einen Großteil des Chaos beseitigt, das durch den Polizeieinsatz entstanden war, und bald könnten sie wieder normal arbeiten. Zumindest erst einmal war das Gespenst einer drohenden Arbeitslosigkeit abgewendet.
Endlich standen sie vor dem Weinbauer, einem der urbayerischen Wirtshäuser, die in Schwabing immer seltener wurden. Eine Bedienung in bayerischer Tracht wies ihnen in dem gut besuchten Lokal einen Platz an einem Tisch zu, an dem schon ein anderes Paar saß, und fragte nach ihren Wünschen. Auf der Speisekarte standen vornehmlich bayerische Gerichte wie Jungschweinebraten, Tellerfleisch oder Rahmschwammerl. Tom bestellte eine Ochsensuppe mit Nudeln und Rindfleisch, Lisa einen gemischten Salat mit Hähnchenbrustfilet. Ihren Durst löschten sie mit je einem leichten Weißbier.
Tom plagte noch ein Problem, bei dem er sich von Lisa Hilfe erhoffte, aber er hatte Gewissensbisse, da er wusste, wie gereizt und zurückhaltend sie reagierte, wenn es um ihre Arbeit ging.
Nach den ersten Schlucken Bier fragte er sie: »Dieser Edgar war doch heute auch im Odeon, als wir mit Steineberg gedreht haben?«
»Ja, schon. Warum?«
»Fährt der Motorrad?«
»Ja. – Wieso willst du das wissen?«
»Weil mich jemand mit einem Motorrad gestern Nacht verfolgt hat, und ich bin mir sicher, dass er das war.«
»Warum sollte er das tun?«
»Keine Ahnung.«
Lisa zuckte mit den Schultern. »Wenn er dich wirklich verfolgt hat, war es vielleicht Eifersucht? Ich glaube, er mag mich, und es stört ihn, dass ich mit dir ausgehe.«
»Vielleicht stört ihn, dass ich beim Fernsehen arbeite und an einer Geschichte recherchiere, bei der Drogen eine Rolle spielen? Der Typ ist doch nicht wirklich koscher!«
»Na ja, die ersten Artikel in den Boulevardzeitungen waren schon ein Schock für uns.«
»Wie fing das denn eigentlich an?«
Lisa seufzte, rückte näher zu Tom und sprach leise, damit die anderen Gäste sie nicht verstehen konnten. »Vor etwa vier Monaten gab es bei uns als Dessert eine Schokoladenterrine mit leicht gerösteten Hanfsamen.«
Tom zog die Augenbrauen hoch. »Dann stimmt es doch: Dope in der Sterneküche!«
»Das dachten viele, und Steineberg hat sicher auch ein wenig auf so eine Reaktion gehofft und wollte dem Odeon damit einen medialen Kick verpassen. Hanfsamen sind ausgesprochen gesund, schmecken nussig und enthalten kein THC, sind also kein Haschisch.«
»Oh!« Tom war beinahe enttäuscht.
»Wir hatten einen Schauspieler zu Gast, der so reagierte wie du, und ihm wurde das gesagt, was ich dir gerade gesagt habe. Er aß seine Schoko-Hanf-Terrine und etwa eine viertel Stunde später hatte er einen Lachanfall. Alle Gäste bekamen das mit. Schließlich zahlte er und ging.«
»Wer war der Schauspieler? Und wie ging’s weiter?«, fragte Tom gespannt.
»Das war Baldur Kröninger, der mal im Tatort, mal in ›Hubert und Staller‹ kleinere Rollen spielte. Er behauptete, noch nie gekifft zu haben. Auf seinem Nachhauseweg ist er mit einem Radler zusammengestoßen, weil er bei Rot über die Ampel gelatscht war. Der Radler hatte sich aufgeschürft, und unser Schauspieler hatte sich eine Platzwunde am Kopf zugezogen, mit der er in die Klinik ging. Dort hatte man den Verdacht, dass er stoned war. Man hat ihm – wohlgemerkt mit seinem Einverständnis – Blut abgenommen, und fand eine ziemlich große Menge von THC. Daraufhin nutzte er seine Chance auf Publicity, ging zur Boulevardpresse, und sprach über Berufsausfall wegen der Verletzung im Gesicht und solche Dinge. Er zeigte Steineberg an.«
»Nun weiß man nicht, ob das THC bei euch im Restaurant in sein Essen gelangte oder ob der Schauspieler sich irgendwo einen Joint durchgezogen hat?«
»Die Zeitspanne zwischen dem Verlassen des Odeon und dem Unfall war nicht sehr groß.«
»Also ist es doch bei euch passiert?«
»Wir vermuten, dass es Haschischöl war. Da kann man sich leicht mit der Menge vertun.«
»War das Haschischöl also im Essen?«, fragte Tom ungeduldig.
Lisa rückte noch ein Stück näher an Tom heran und flüsterte: »Ich glaube, dass er es sich selbst ins Essen getan hat. Wahrscheinlich hat ihn jemand dazu angestiftet, aber wir wissen es nicht. Ein krummes Ding, das zum Himmel stinkt! – Jedenfalls hatte die Presse jetzt ein Thema, man konnte ständig von Hanfsamen, Haschischöl und vielen anderen Rauschgiften lesen, immer war das Odeon mit dabei im Gerede. Außerdem wurden schon damals Ermittlungen und Untersuchungen angestellt, aber man fand nichts bei uns. Steineberg behielt die Schoko-Hanf-Terrine auch weiter auf der Speisekarte – wie als trotzigen Beleg für seine Unschuld.«
Lisa presste die Lippen fest zusammen, als hätte sie zu viel erzählt. Tom schien plötzlich einer anderen Person gegenüberzusitzen, einer, aus der alle Energie gewichen war.
Er war sehr unsicher geworden, wie er sich nun verhalten sollte. Hatte Lisa vielleicht vor etwas Angst? Hatte sie ein dienstliches Redeverbot von Steineberg erhalten? Tom wusste, dass sie ihre Erzählung große Überwindung gekostet hatte.
»Deine Mundwinkel hängen ganz schön runter. Sieht aus, als müsste man dich auf den Kopf stellen, damit du wieder lachst«, versuchte er sie aufzumuntern.
Während Lisa Tom fest am Jackenärmel packte, sagte sie eindringlich: »Das sind Interna, Tom, die sind nicht fürs Fernsehen gedacht – ist das klar?«
»Okay, ich verstehe.«
Draußen hatte es zu regnen begonnen. Tom schulterte seine Sporttasche und versuchte Lisa in den Arm zu nehmen, aber sie wehrte ihn ab. »Das geht jetzt nicht. Lass uns nach Hause fahren. Aber jeder zu sich«, fügte sie mit schelmischer Miene hinzu.
Tom ließ enttäuscht von ihr ab. Eigentlich war doch alles so gut gelaufen an diesem Tag. Nun hatte er noch eine Kerbe erhalten. War wohl nicht der richtige Augenblick. Was sie wohl bedrückte? Schweigend, aber schnellen Schrittes gingen beide zur nächsten U-Bahn-Station.
1
Tom war in Gedanken, als er sich auf dem Heimweg befand. Von den meist dreistöckigen Häusern aus den 50er- und 60er-Jahren waren um diese Uhrzeit nur noch wenige Wohnungen beleuchtet, durch manche Fenster flackerte graublaues Fernsehlicht. Für die nächtliche Orientierung sorgten ein paar Straßenlaternen, Tom hätte den Weg auch im Schlaf gefunden. Als er vor seinem Wohnhaus ankam, stand da eine schwere schwarze Harley-Davidson mit glänzend polierten Chromteilen am Randstein. Das war ungewöhnlich.
Gerade als er seinen Schlüssel aus der Jackentasche zog und die Haustür aufsperren wollte, kam plötzlich ein Typ mit der Figur eines alten Eichenschrankes hinter einem Gebüsch hervor. Der Kerl war mindestens 1,90 Meter groß, 130 Kilogramm schwer, Ende 40. Er trug eine schwarze Lederjacke, einen dunkelbraunen Vollbart mit einigen grauen Stellen, auf dem Kopf hatte er keine Haare. Ein Rocker – mit einer Miene, die besagte, dass mit ihm