Zeitlose Geschichten aus aller Welt. Die (d.i. Mira Alfassa) Mutter
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Auf diese Weise lernte Hussein, sein Temperament zu zügeln, denn er war ebenso großzügig wie er auch jähzornig war. Da sein Charakter weder böse noch grausam war, war er es wert, beherrscht zu werden.
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Wenn euch also eure Eltern oder eure Lehrer manchmal drängen, eure Natur zu beherrschen, dann nicht deswegen, weil sie denken, eure kleinen oder großen Fehler seien unverbesserlich; ganz im Gegenteil, weil sie wissen, dass euer wacher und feuriger Geist wie ein junger Vollblüter im Zaum gehalten werden muss.
Wenn ihr die Wahl hättet, in einer schäbigen Hütte oder in einem Palast zu leben, was würdet ihr wählen? Sehr wahrscheinlich den Palast.
Es ist überliefert, dass Mohammed, als er das Paradies besuchte, große Paläste sah, die auf einer Anhöhe gebaut waren, von der man die ganze Landschaft überblicken konnte.
,,O Gabriel“, sprach Mohammed zu dem Engel, der ihm all diese Dinge zeigte, „für wen sind diese Paläste bestimmt?“ Der Engel antwortete:
„Für diejenigen, die ihren Zorn beherrschen und Beleidigungen vergeben können.“
Nun, ein friedfertiger Geist, der frei von Groll ist, gleicht wahrhaftig einem Palast, nicht aber ein Geist voll Rachsucht und Aufruhr. Unser Denken ist eine Wohnung, die wir, wenn wir wollen, sauber, freundlich und behaglich, voller harmonischer Züge gestalten können; aber wir können sie auch in eine dunkle, furchterregende Stätte verwandeln, angefüllt mit klagenden Tönen und misstönendem Geschrei.
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In einer Stadt im Norden Frankreichs kannte ich einmal einen Jungen, der ein offenes, jedoch ungestümes Gemüt hatte und immer dazu neigte, seine Beherrschung zu verlieren. Eines Tages meinte ich zu ihm:
„Was glaubst du, ist für einen so starken Jungen wie dich schwieriger, einen Schlag mit einem anderen Schlag zu vergelten und einem Freund, der dich beleidigt hat, mit deiner Faust ins Gesicht zu schlagen, oder in diesem Moment deine Faust in der Hosentasche zu lassen?“
„Sie in meiner Tasche zu lassen“, antwortete er.
„Und was glaubst du, ist eines tapferen Jungen wie dich würdiger, das Einfachere oder das Schwierigere zu tun?“
„Das Schwierigere“, sagte er nach kurzem Zögern.
„Nun gut, dann versuche es zu tun, wenn du das nächste Mal Gelegenheit dazu hast.“
Einige Zeit später kam der Junge zu mir, um mir nicht ohne berechtigten Stolz zu erzählen, dass er in der Lage war, „das Schwierigere“ zu tun. Er sagte:
„Einer meiner Kameraden, der für seinen Jähzorn bekannt ist, schlug mich in einem Augenblick des Zorns. Da er weiß, dass ich normalerweise so etwas nicht verzeihe und dass ich stark bin, bereitete er sich darauf vor, sich zu verteidigen. Da erinnerte ich mich an das, was du mir gesagt hast. Es war für mich schwieriger, als ich gedacht hatte, dennoch steckte ich meine Faust in die Hosentasche. Und sobald ich das getan hatte, fühlte ich keinen Zorn mehr in mir, nur noch Mitleid für meinen Freund und darum streckte ich ihm meine Hand entgegen. Das überraschte ihn so sehr, dass er mich für einen Moment mit offenem Mund sprachlos anstarrte. Dann ergriff er meine Hand, schüttelte sie kräftig und sprach voller Rührung: „Von nun an kannst du mit mir tun, was du willst, ich bin für immer dein Freund.“
Dieser Junge hatte seinen Zorn ebenso beherrscht wie Kalif Hussein.
Aber es gibt noch viele andere Dinge, die gezähmt werden müssen.
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Der arabische Dichter Al Kosai lebte in der Wüste. Eines Tages stieß er auf einen feinen Nababaum. Aus seinen Ästen fertigte er einen Bogen und ein paar Pfeile.
Bei Einbruch der Nacht zog er los, um wilde Esel zu jagen. Schon bald hörte er den Hufschlag einer vorbeiziehenden Herde. Also schoss er seinen ersten Pfeil. Er hatte jedoch den Bogen mit solcher Kraft gespannt, dass der Pfeil, nachdem er den Körper eines der Tiere geradewegs durchbohrt hatte, auf einen nahen Felsen schlug. Als er das Geräusch von Holz auf Eisen hörte, dachte Al Kosai, er hätte sein Ziel verfehlt. Und so schoss er seinen zweiten Pfeil ab, und wiederum durchbohrte der Pfeil einen Esel und schlug auf den Felsen. Wieder dachte Al Kosai, er hätte vorbeigeschossen. Auf die gleiche Weise schoss er einen dritten, vierten und fünften Pfeil und jedes Mal hörte er das gleiche Geräusch. Beim fünften Mal zerbrach er vor Wut seinen Bogen.
Beim Morgengrauen sah er fünf tote Esel vor dem Felsen liegen.
Hätte er mehr Geduld gehabt und bis zum Morgen gewartet, wäre ihm nicht nur sein innerer Frieden, sondern auch sein Bogen erhalten geblieben.
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Doch sollte niemand glauben, dass eine Erziehung, die den Charakter schwächt, indem sie ihm jeden Antrieb und jede Stärke raubt, hoch zu schätzen ist. Wenn wir einem wilden Pferd Zaumzeug anlegen, wollen wir es dabei nicht verletzen. Und wenn wir wollen, dass es seine Arbeit gut verrichtet, müssen wir die Zügel so führen, dass wir es dadurch lenken, und dürfen nicht so fest daran ziehen, dass es nicht vorwärts laufen kann.
Unglücklicherweise gibt es nur zu viele schwache Charaktere, die sich wie Schafe durch ein bloßes Bellen treiben lassen.
Es gibt unterwürfige und unempfindsame Naturen, denen es an Mut mangelt und die mehr Duldsamkeit zeigen, als sie sollten.
Abu Otman al-Hiri war für seine übertriebene Geduld bekannt. Eines Tages wurde er zu einem Fest eingeladen. Als er eintraf, meinte der Gastgeber zu ihm: „Du musst schon entschuldigen, ich kann dich nicht empfangen. Geh also bitte nach Hause, und möge Allah mit dir sein.“
Abu Otman kehrte nach Hause zurück. Kaum war er daheim, als sein Freund erschien und ihn noch einmal einlud.
Abu Otman folgte seinem Freund bis zu dessen Türschwelle, dort aber blieb der Freund stehen und entschuldigte sich erneut dafür, ihn nicht empfangen zu können. Abu Otman ging ohne Murren davon.
Ein drittes und viertes Mal wiederholte sich die gleiche Szene, schließlich jedoch empfing ihn sein Freund und sagte zu ihm vor der ganzen Gesellschaft: „Abu Otman, ich habe mich dir gegenüber so schlecht verhalten, um dein gutmütiges Wesen auf die Probe zu stellen. Ich bewundere deine Geduld und Nachsicht.“
„Lobe mich nicht“, erwiderte Abu Otman, „denn Hunde zeigen die gleiche Tugend: Sie kommen, wenn sie gerufen und gehen, wenn sie fortgeschickt werden.“
Abu Otman aber war ein Mensch und kein Hund. Und es konnte niemandem nutzen, dass er sich aus freien Stücken, würdelos und ohne guten Grund, dem Gespött seiner Freunde aussetzte.
Hatte denn dieser demütige Mann nichts in sich, dass er beherrschen musste? Oh doch, das hatte er! Es war das, was von allem am Schwierigsten zu kontrollieren ist – seinen schwachen Charakter. Und gerade weil er diesen nicht beherrschen konnte, war er der Willkür aller anderen preisgegeben.
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Ein junger Brahmacharin war sehr klug und er wusste darum. Er wollte zu all seinen Talenten und Fähigkeiten immer noch mehr und mehr hinzufügen, damit ihn jeder bewundern würde. Deshalb reiste er von Land zu Land.
Bei einem Bogenmacher lernte er, Pfeil und Bogen herzustellen.