Zeitlose Geschichten aus aller Welt. Die (d.i. Mira Alfassa) Mutter
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Ein griesgrämiger Mann sah, welch großen Gewinn sie mit ihren süßen Waren machte und beschloss, den gleichen Handel zu beginnen.
Also baute er einen Stand auf, doch hinter den Reihen von Honigtöpfen wirkte sein Gesicht wie Essig. Jeder, der zu ihm kam, wurde mürrisch behandelt. Deshalb ging jeder an ihm vorbei und er blieb auf seinen Waren sitzen. „Nicht einmal eine Fliege wagte sich an seinen Honig“, erzählt der Dichter. Als der Abend kam, hatte er immer noch nichts verdient. Eine Frau bemerkte ihn und meinte zu ihrem Mann: „Ein bitteres Gesicht macht auch den Honig bitter.“
War die Honigverkäuferin nur freundlich, um Kunden anzulocken? Lasst uns lieber hoffen, dass ihre Fröhlichkeit ihrem guten Charakter entsprang. Wir sind nicht bloß auf der Welt, um zu kaufen oder zu verkaufen; wir sollten hier einander Kameraden sein. Die Kunden der guten Frau spürten, dass sie mehr war als eine Honigverkäuferin: Sie war eine fröhliche Bewohnerin dieser Welt.
*
In der nächsten Geschichte, die ich euch erzählen werde, ist die Freude wie ein sprudelndes Wasser einer schönen Quelle. Die Person, um die es dabei geht, hat nichts im Sinn mit Profit und Handel: Es ist der berühmte und glorreiche Rama.
Rama erschlug Ravana, den Dämonenkönig mit zehn Köpfen und zwanzig Armen. Ich habe euch bereits den Beginn der Geschichte erzählt. Es war die schrecklichste aller Schlachten. Tausende von Affen und Bären im Gefolge Ramas wurden getötet und die Leichen der Dämonenfeinde häuften sich. Ihr König lag leblos am Boden. Doch wie schwer war es gewesen, ihn zu besiegen! Wieder und wieder hatte Rama seine zehn Köpfe und zwanzig Arme abgeschlagen, doch wuchsen sie sofort wieder nach. Es waren so viele, dass es schließlich schien, als würde es Arme und Köpfe vom Himmel regnen.
Als der schreckliche Krieg vorbei war und die dabei getöteten Affen und Bären wieder zum Leben erweckt worden waren, standen alle da wie eine große Armee und erwarteten ihre Befehle.
Der ruhmreiche Rama, der auch nach dem Sieg bescheiden und ruhig blieb, blickte seine treuen Kameraden freundlich an.
Vibhishan, der Ravana auf den Thron folgen sollte, hatte einen Wagen voll Juwelen und kostbaren Gewändern für die Krieger gebracht, die sich so heldenhaft geschlagen hatten.
„Höre, Freund Vibhishan“, sprach Rama, „steige hoch in die Lüfte auf und schütte deine Gaben vor den Kriegern aus.“
Der König tat, wie ihm geheißen wurde und verstreute von seinem schwebenden Streitwagen glitzernde Juwelen und prächtig gefärbte Gewänder aus.
Die Affen und Bären purzelten übereinander, als sie sich beeilten, die fallenden Kostbarkeiten zu erhaschen. Es war eine lustige Balgerei.
Rama lachte herzlich bei diesem Anblick, und seine Gemahlin Sita und sein Bruder Lakshman stimmten in sein Lachen ein.
Denn die Mutigen verstehen es, so herzlich zu lachen. Es gibt nichts Herzlicheres als eine gutmütige und aufrichtige Heiterkeit. Und das Wort „herzlich“ besitzt den gleichen Ursprung wie das Wort „mutig“. In schwierigen Augenblicken ist Fröhlichkeit, die aus dem Herzen kommt, wahrhaft ein Ausdruck von Mut.
Natürlich muss man nicht ständig lachen; aber Lebendigkeit, Heiterkeit und gute Laune sind nie fehl am Platz. Und wie hilfreich können sie sein! Mit ihnen schafft die Mutter ihren Kindern ein glückliches Heim; die Krankenschwester beschleunigt die Genesung ihrer Patienten; der Herr erleichtert die Arbeit seiner Diener; der Arbeiter fördert den guten Willen seiner Kollegen; der Reisende hilft seinen Gefährten, die Mühen der Reise zu überstehen; der Bürger nährt die Hoffnung in den Herzen seiner Landsleute.
Und ihr, glückliche Jungen und Mädchen, gibt es irgend etwas, das ihr mit eurer Fröhlichkeit nicht erreichen könnt?
***
Selbstvertrauen
Hatim Tai war im alten Arabien wohlbekannt für die verschwenderische Fülle, mit der er Geschenke und Almosen verteilte.
„Bist du jemals jemandem begegnet, der noch vortrefflicher ist als du?“ fragte ihn einmal ein Freund.
„Ja“, antwortete Hatim Tai.
„Wer war das?“
„Eines Tages hatte ich vierzig Kamele geopfert und lud jeden, der kommen wollte, zu einem großen Fest ein. Daher zog ich mit einigen Familienoberhäuptern aus, um Gäste von nah und fern einzuladen. Auf dem Weg trafen wir einen Holzfäller, der gerade ein Bündel Dornenzweige geschnitten hatte. Auf diese Weise verdiente er sich seinen Lebensunterhalt. Da ich sah, dass er arm war, fragte ich ihn, warum er nicht zu den vielen Festmählern ginge, die von Hatim Tai gegeben wurden. Er antworte mir folgendes: Wer sich seinen Lebensunterhalt verdient, braucht keine Gaben von Hatim Tai.“
Warum also behauptete Hatim Tai, dass der Holzfäller ein besserer Mensch war als er selbst?
Weil er dachte, es sei edler, zu arbeiten und für sich selbst zu sorgen, als an andere Geschenke zu verteilen, die weder Mühe noch Opfer kosten, und die Beschenkten überdies auch noch den Mut nehmen, ihren eigenen Fähigkeiten zu vertrauen.
Natürlich ist es ganz selbstverständlich, dass Freunde einander Geschenke machen; es ist auch richtig, dass starke Hände den Armen und Bedürftigen zur Hilfe kommen; aber ein gesunder Mensch sollte mit seinen eigenen Händen arbeiten und sie nicht für Almosen aufhalten. Das gilt natürlich nicht für diejenigen, die sich einem Leben in innerer Einkehr und der Suche nach Weisheit verschrieben haben.
*
Obwohl die Haltung des Holzfällers edel war, war sie doch weniger bewundernswert als die des persischen Prinzen, von dem ich euch erzählen möchte.
Dieser Prinz lebte in alten Zeiten, und sein Name war Gushtasp.
Er ärgerte sich sehr darüber, dass sein Vater ihn nicht so behandelte, wie es einem Thronerben zugestanden wäre, und verließ deshalb sein Heimatland und wanderte gen Westen. Einsam und hungrig, wie er war, erkannte er, dass er von nun an für sein Überleben arbeiten musste. Daher ging er zum Herrscher dieses Landes und sprach zu ihm:
„Ich verstehe die Kunst des Lesens und des Schreibens und ich würde gerne als Schreiber für dich arbeiten.“
Es wurde ihm gesagt, dass er einige Tage warten müsse, da zu diesem Zeitpunkt keine Schreiber gebraucht würden. Aber er war zu hungrig, um zu warten, und so ging er zu den Kameltreibern und fragte dort nach Arbeit. Jedoch brauchten auch sie keinen neuen Gehilfen, da sie aber seine Not erkannten, gaben sie ihm etwas zu essen.
Ein wenig später hielt Gushtasp an der Tür eines Schmiedes und bot ihm seine Dienste an.
„Hier“, sagte der Mann zu ihm, „du kannst mir helfen, dieses Eisenstück zu formen.“ Und er gab Gushtasp einen Hammer in die Hand.
Der Prinz verfügte über eine enorme Kraft. Er hob den schweren Hammer, schlug ihn nieder auf den Amboss und zerschmetterte diesen beim ersten Schlag. Der Schmied raste vor Zorn und warf den Prinzen sofort hinaus.
Und so wanderte Gushtasp in großer Not weiter umher.
Wohin auch immer er sich wandte, nirgends konnte er sich nützlich machen.
Schließlich