Heidejagd. Angela L. Forster

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Heidejagd - Angela L. Forster

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sagen Sie?“ Mark drehte den Kopf zu seinem Kollegen, der zwei Meter abseits mit dem Rücken am hölzernen Brückengeländer lehnte.

      Jacob Amselfeld nickte. Er war müde und gähnte. „Sicher war es ein Tierwesen, ein Mensch in einem Pelzkostüm“, sagte er.

      „Sie sprechen von einer Fetischgeschichte, Kollege.“ Aus der Hocke sah Inka zu Amselfeld hoch.

      „Wäre möglich. Allerdings müssen wir zwischen Petplayern und Pelzliebhabern unterscheiden.“

      „Können Sie sich genauer ausdrücken?“, drängelte Inka, während sie aus der Hocke aufstand.

      „Es gibt die Petplayer, bei denen einer den dominanteren Part, der andere den devoteren Part spielt. Ein Partner verkleidet sich als Pferd, Zebra, Hund oder beliebiges Tier, das vom anderen Partner dressiert und dominiert wird. Es ist eine Erotik, die nur im Kopf stattfindet. Wobei die Petplayer diese sogar öffentlich zur Schau stellen, indem sie durch Parks oder auf Straßen herumlaufen oder ­-fahren. Die anderen sind die Pelzliebhaber. Menschen, die ihr zweites Ich ausleben. Anhänger gibt es auf der ganzen Welt. Sie verkleiden sich zum Spaß als Tierwesen, veranstalten Partys, Tanzveranstaltungen oder Picknicks in ihren Pelzen, die sie Suits nennen, also Anzüge. Aber von einem Mord hab ich noch bei keinem etwas gehört.“

      Marks, Teresas und Inkas Augen richteten sich neugierig und ebenso belustigt auf den Kollegen. „Wow“, sagte Inka, die als Erste wieder Worte fand. „Sie kennen sich in der Szene gut aus.“

      „Das liegt an meiner Frau …, weil …“, begann Amselfeld und stockte, als er sah, dass Teresa, Inka und Mark ihn grinsend ansahen.

      „Sparen Sie sich Ihr Hohngelächter. Ich weiß, was Sie denken“, sagte er, das Gesicht zu einer strengen Miene verzerrt. „Meine Frau promoviert über das ungeschürte Verlangen in Sex-, Arbeits- und Organisationspsychologie. Das Thema ist Teil ihrer Arbeit“, setzte er erklärend nach.

      „Ähm, ja“, sagte Teresa, „wie spannend, bald eine weitere Doktorin in unserer Runde zu finden, aber wenn wir uns trotzdem wieder unserem Fall zuwenden könnten, denn wir haben nicht nur den Fußabdruck, sondern auch eine Zeichnung.“ Mit dem behandschuhten Zeigefinger tippte Teresa neben den Fußabdruck auf ein gemaltes Zeichen.

      „Das sieht wie ein umgedrehtes Z mit einem Strich in der Mitte aus“, sagte Amselfeld.

      „Es ist das Zeichen der Wolfsangel“, erklärte Inka. „Das Zeichen der Forst- und Waldwirtschaft, das der Heidedichter Hermann Löns gerne unter seine Unterschrift gesetzt hat.“

      „Es sprach unsere Geschichtslehrerin, Inka Brandt.“ Teresa lachte. „Aber du hast recht. Als Flora und ich den Resthof in Egestorf gekauft haben, lag an unserer Einfahrt auch ein Hofstein mit dem Zeichen der Wolfsangel. Wir haben ihn entfernt, da die Angel nicht nur ein Zeichen für die Forstwirtschaft war, sondern auch für die Hitlerjugend.“

      „Davon hab ich nie gehört. Zeichen, Hitlerjugend, Wolfsangel. Wie hängt das zusammen?“, fragte Jacob Amselfeld, der in die Heide zugezogene Kölner Kollege.

      „Es ist nicht nur ein Zeichen, sondern auch ein eiserner Doppelhaken, ein Köderträger und Fanggerät für Wölfe“, ergänzte Inka. „Im 16. Jahrhundert wurde er von den Bauern mit Ködern versehen und mittels eines Ankers in Bäume gehängt oder darin befestigt. Die Wölfe, die hochsprangen und sich die Beute schnappten, blieben mit der Schnauze an den Widerhaken hängen und verendeten.“

      „Aber was hat diese Grausamkeit mit der Hitlerjugend zu tun? Die Wolfsangel hab ich …“, begann Amselfeld, als ihn Inka unterbrach.

      „Verschlafen?“ Inka grinste, wurde aber sofort wieder ernst und sagte: „Richtig populär machte die Wolfsangel der Heidedichter Hermann Löns durch sein Buch Der Werwolf. Darin geht es um eine Heidebauerngemeinschaft, die sich Werwölfe nannte. Den mystischen Bezug gaben die Nazis der Wolfsangel, indem sie das Symbol, das noch heute auf vielen Städte- und Gemeindewappen zu finden ist, zu einer germanischen Rune erklärten. Die Nazis verehrten Hermann Löns, der im Ersten Weltkrieg gefallen war. Auf Befehl Hitlers betteten sie seine mutmaßlichen Gebeine um in ein Grab in die Lüneburger Heide nach Bad Fallingbostel, das heute zu einer Art Pilgerstätte geworden ist. Wie Sie sehen, Kollege Amselfeld, ist das Feld der Angel vielfältig und weitreichend, wobei wir uns offensiv mit der Geschichte des Nationalsozialismus und auch mit den heutigen rechtsextremistischen Strömungen auseinandersetzen müssen. Es wird immer Menschen geben, die Meinungen vertreten, die wir nicht unter einem kritisch aufgeklärten Geschichtsbild verstehen.“

      „Ich stimme dir in allen Punkten zu, Inka. Aber wir agieren als Polizisten mit einer Vorbildfunktion“, bemerkte Mark, dann: „Kennt ihr Hitlers Spitznamen?“

      Kopfschütteln.

      „Onkel Wolf wurde er genannt. Ich erwähne es nur, weil es außerdem die Organisation Werwolf gab, die Jagd auf kriegsmüde Deutsche machte. Angeführt gegen Kriegsende von dem ehemaligen Hühnerzüchter Heinrich Himmler“, ergänzte Mark.

      „Bei ,Hühnerzüchter‘ klingelt es.“ Amselfeld wurde zusehends munterer. „Ich glaub, davon hab ich doch schon gehört. Haben nicht sogar Papst Benedikt XVI. und der Literaturnobelpreisträger Günter Grass in Uniform als Jugendliche stolz für die Fahne gekämpft?“

      „Stimmt, das war auch bei uns Thema im Geschichtsunterricht“, bemerkte Mark.

      „Meint ihr, wir kriegen es jetzt mit den Braunen zu tun, während ein Werwolf bei Vollmond durch die Lüneburger Heide streift und sich seine Opfer sucht? Sollten wir Silberkugeln in unsere Waffen laden, bevor wir gebissen werden und selbst zum Werwolf mutieren?“, fragte Amselfeld. Er legte den Kopf in den Nacken und sah in den Himmel. Die Luft war klar und belebend. Der Mond präsentierte sich in milchig leuchtender Form und es schien, als sähe er amüsiert auf die vier Menschen herab, die auf der Brücke standen.

      „Das sind alberne Aussagen und nur konstruierte Fiktionen der Filmindustrie, Kollege“, bemerkte Mark. „Die Wölfe sind in die Lüneburger Heide zurückgekehrt, aber ein Werwolf war sicher nicht unter ihnen. In drei Tagen ist Halloween, vielleicht hat sich jemand einen Scherz erlaubt.“

      „Sehe ich genauso“, antwortete Inka. „Terry, kannst du uns etwas über den Todeszeitpunkt sagen?“

      „Euer Opfer ist vier bis fünf Stunden tot.“

      „Dann ist er gegen zweiundzwanzig Uhr ermordet worden.“

      „Eine Stunde, ein paar Minuten früher oder später, du kennst das ja. Die Leichenstarre ist noch nicht vollständig ausgeprägt und ich kann sehen, was er in der rechten Hand hält, die er in der Hosentasche vergraben hat.“

      „Einen Ring“, staunte Inka.

      „Nicht nur einen Ring. Einen Diamantring. Er wollte einen Heiratsantrag machen.“ Sie ließ den Ring mit einer behandschuhten Hand in ein Beweistütchen rutschen.

      „Bestimmt nicht einer Werwölfin“, scherzte Amselfeld. „So ein Gemetzel richtet keine Frau an, die einen Antrag bekommt.“

      „Da haben Sie recht“, erwiderte Inka nachdenklich und nahm das Tütchen mit dem Ring entgegen. „Nur was hatte unser Opfer, bleiben wir beim Todeszeitpunkt zweiundzwanzig Uhr, am See auf der Holzbrücke zu suchen?“

      „Ein Rendezvous mit seiner Herzallerliebsten“, sagte Amselfeld.

      „So spät am Abend und in der Kälte am

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