Der Verdrüssliche. Eva Holzmair

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Der Verdrüssliche - Eva Holzmair

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überlegt. Was soll sie bloß sagen? Frau Miklos lässt sich nicht abspeisen, sie ist hartnäckig. Dieser blöde Juckreiz in den Augen. Wie soll sie sich da konzentrieren?

      - Paul, mein Mann, Sie haben ihn ja bereits kennengelernt, er ist recht spät Vater geworden. Er gehört einer anderen Generation an …

      Gitta merkt, dass sie so nicht aus der Ecke kommt, in die sie sich selbst manövriert hat. Deshalb setzt sie rasch nach:

      - Nein, das ist es nicht … wie soll ich sagen, er stammt aus einer Familie, für die einzig der Erfolg zählt. Schulische Leistungen sind meinem Mann sehr wichtig.

      - Ihnen nicht?

      - Schon, aber nicht in … in … dem Ausmaß.

      Die Frau Lehrerin fragt etwas ab, das Gitta noch nicht gelernt hat. So oft hat sie sich vorgenommen, die Lektion über Bernhard, Paul und sich selbst, die ganze vertrackte Geschichte durchzunehmen, es aber immer aufgeschoben. Die Müdigkeit. Die Flucht in ihre Bilderwelt, die gemalte und die andere. Doch auch so weiß sie, dass Paul nicht der allein Schuldige ist. Trotzdem will sie dabei bleiben. Leise, wie es Gittas Art zu sprechen ist, fügt sie nach einer Weile, in der Frau Miklos geduldig wartet, hinzu:

      - Kann es sein, dass Bernhard seinen ganz persönlichen Kampf mit dem Vater austrägt?

      - Diese Frage müssen Sie beantworten, nicht ich. Wie reagiert denn Ihr Mann darauf?

      - Ich fürchte, er übertreibt mit seinen Reaktionen.

      - Was meinen Sie damit?

      - Er ist streng.

      - Wie streng?

      - Na ja …

      - Misshandelt er den Buben?

      Gitta ist perplex. Paul macht alle möglichen Fehler, aber sicher nicht den. Sie ist mit ihren Erklärungsversuchen eindeutig zu weit gegangen.

      - Wie kommen Sie denn darauf?

      - Bernhard zeichnet manchmal seltsame Bilder.

      - Was heißt das?

      Frau Miklos zieht ein vorbereitetes Blatt aus einer Mappe. Gitta erkennt sofort, dass es sich um eine von Bernhards Zeichnungen handelt. Sie kann darauf nichts Ungewöhnliches entdecken. Eine Wiese voll bunter Fantasieblumen, am rechten Rand hohe Bäume. Die Sonne scheint am sorgsam ausgemalten Himmel, der sogar verschiedene Blauschattierungen aufweist. Ungewöhnlich für einen Siebenjährigen. Toll hat er das gemacht. Ein warmes Gefühl von Stolz überkommt sie. Ihr Bernhard! Auch die Bäume sind schön ausgearbeitet. Aber was ist das? Da steht ja jemand! So dunkelbraun wie die Stämme, kaum von ihnen zu unterscheiden und deshalb umso bedrohlicher. Was sie zuerst für ein Astloch gehalten hat, ist ein großes Auge, das auf die Wiese starrt. Hält es Ausschau? Aber wonach? Frau Miklos tippt mit dem Finger auf eines der größeren Blumenblätter. Nun sieht es auch Gitta: Darunter sitzt kaum wahrnehmbar eine Gestalt, so winzig, dass unklar ist, ob es sich um ein Kind oder Märchenwesen handelt. Aber dass es sich vor dem baumgroßen Ungetüm versteckt, ist unschwer zu erraten. Die Lehrerin legt ihr noch andere Zeichnungen vor. Von Häusern, Straßen, Gärten, Flugzeugen und Autos.

      - Ich habe die zwei auch nicht sofort bemerkt, vor allem nicht das versteckte Kind, aber jetzt, wo ich weiß, wonach ich suchen muss, sehe ich sie immer wieder. Nicht auf allen Zeichnungen, aber doch auf ungewöhnlich vielen. Ich habe sie der Psychagogin gezeigt …

      - Sie haben was?

      Gittas Stimme kippt. Bloß nicht hyperventilieren! Bernhard ist doch kein Psycho-Fall. Er ist ein Kind, ein verträumtes. Nichts weiter.

      - Beruhigen Sie sich. Das ist nur unsere Beratungslehrerin, eine Art interne Schulpsychologin. Ich habe sie beigezogen, weil ich Ihrem Bernhard helfen will.

      Gitta atmet bewusst aus und ein, aus und ein, so wie sie es in den Therapiesitzungen gelernt hat. Sehr gut, Frau Hausladen.

      - Und was hat … was hat die Psycho…, Psychoberaterin gesagt?

      - Sie ist sich nicht sicher. Wenn ich Bernhard frage, warum er die beiden zeichnet, zuckt er mit den Schultern oder aber erzählt mir, dass sich das Kind vor einem bösen Trapper versteckt.

      Natürlich, das ist es! Dass sie nicht gleich daran gedacht hat.

      - Mein Mann liest ihm Karl May vor. Er hat alle Bände.

      - Ich weiß, Bernhard hat der Klasse schon von Winnetou und den Apachen erzählt. Es kann durchaus sein, dass er das Gehörte so verarbeitet.

      Freilich kann es das sein. Und wenn nicht?

      VI.

      Das Warum. Fragt ihr nicht auch zuweilen danach? Ja? Nein? Wispert nicht dauernd. Sagt laut, was ihr denkt.

      - Jaaaaaaaa.

      Chapeau, Belisarius. Für zerknüllte Nachrichten von vorvorgestern nicht schlecht. Nenn mir ein Beispiel.

      - Warum missmutig? Warum aus dem Wasser gerettet?

      Wovon redest du?

      - Von unseren Nachfolgern.

      Von wem?

      - Von denen, die Carl angekündigt hat.

      Ach so, die Kameraden, dero Namen. Sie stammen nicht vom Meister. Er gab uns keine. Wir waren nichts als seine Kopfstücke, namenlos, doch mit außergewöhnlichen Kräften ausgestattet. Lacht nicht, ihr werdet schon sehen. Der Meister hatte auch Perücken mit besonderen Eigenschaften. Die meinige setzte er stets auf, wenn sich Ungemach durch Nackenschmerzen ankündigte. Sobald er die Geister herannahen spürte, versperrte er das Haus und traf seine Vorkehrungen. Da konnten die Gehülfen oder Auftraggeber noch so sehr Einlass begehren. Die Tür blieb verschlossen. Der Meister musste sich wappnen, ohne Zuschauer, dafür mit uns, seinem Freikorps gegen den Feind. Niemand sonst sollte ihn so sehen, wie wir ihn sahen. Unser Meister war ein tapferer Mann. Er hatte den Kampf mit dem Bösen aufgenommen, lange bevor ich in sein Bataillon eintrat. Mit mir setzte er ihn bloß fort. Meine Brüder und ich waren der Beweis, dass er die hinterhältigen Angreifer beherrschte und nicht sie ihn.

      - Was hat das mit den Namen zu tun?

      Ach, Belisarius, unterbrich mich nicht dauernd, wenn ich gerade so schön im Erzählen bin. Die Namen. Sie bekamen wir später, als wir mit Herrn Strunz nach Wien gezogen waren. Damals gab es unser nur noch 49. Die anderen hatte der Meister zerschlagen. Aus Wut. Aus Verzweiflung. Diese Gemütsschwankungen. Ausgelassenheit und Trübsinn, so nah beisammen. Doch zur Zeit unserer Übersiedlung waren sie nichts als Erinnerung. Nahezu zehn Jahre hatten wir tatenlos zugebracht, von einigen wenigen Scherzen einmal abgesehen, und nun sollten wir weg von Preßburg. Doch würde unsere Mission je zu Ende sein? Wegen einer dummen Verkühlung, die sich auf die Lunge geschlagen hatte, war der Meister im Augusto Anno Domini 1783 verstorben. Ilona war untröstlich gewesen. Die Preßburger Zeitung veröffentlichte einen wunderschönen Nachruf, aber nicht allein in dem lokalen Blatt wurde er gewürdigt, auch die Wiener Zeitung tat desgleichen. Ach, hätte unser Meister das erlebt! Wien gedachte seiner. Und 1785 erschien im Musenalmanach sogar ein Gedicht auf ihn. Hört nur:

      Unter diesem Leichenstein

      Liegt

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