Die Kuh gräbt nicht nach Gold. Bernd Gunthers
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Die Kuh gräbt nicht nach Gold - Bernd Gunthers страница 3
»Wenn du dich samt Paddel weiter über den Süllrand hinauslehnst, liegen wir beide gleich neben ihm im Wasser«, mahnte Kriminalhauptkommissar Eichert eindringlich, angesichts der zunehmenden Schräglage des Kanus. »Milka, lass das, der treibt uns sonst weg! Hilf mir mal, wir müssen ein Stück zurück und anlegen.«
»Du willst jetzt nicht deinem Beruf nachgehen, oder? Das ist doch nicht dein Jagdrevier. Weißt du überhaupt, wo du bist?« Milka gelang es, ihrem ironischen Tonfall einen Hauch aufkommenden Ärger beizumischen.
»Auf der Jagst!« Paul gab sich kurz angebunden. »Wir sind hier kurz vor Bieringen«, fügte er erläuternd hinzu.
»Das sagt mir jetzt viel – außer, dass dieser Ort nicht zu deinem Verantwortungsbereich gehört, Herr Hauptkommissar«, meinte Milka.
»Wir legen dennoch an, hilf mal mit. Kurze Strecke zurück, da ist es flach.« Das konzertierte Anlegemanöver gelang im zweiten Anlauf.
»Jetzt konnte ich zumindest deine Neoprensocken testen. Schuhe nass, Füße trocken«, meinte Milka, als sie das Kanu glücklich ans Ufer gebracht hatten. Pauls Hosenbeine trieften.
Der Kommissar blickte auf sein Handy. »Unser Standort: Länge 9,5386, Breite 49,3393.«
»Danke. Das sagt jetzt wirklich alles.«
»Ein paar 100 Meter vor der Stelle, wo die Landstraße die Jagst quert«, sagte Paul, das Handy jetzt am Ohr. »Kripo in Künzelsau, die ist da zuständig, und …«, er unterbrach seinen Kommentar. »Herr Karle? … Ja, ich warte. Herr Karle? Wir sind hier auf der Jagst, kurz vor Bieringen. Nein, ich will Sie nicht zu einer Kanufahrt einladen. Wir haben hier einen Toten. … Ja doch. Sehr tot, soweit ich sehen kann. Ja, wohl ein Mann. Schlage vor, Sie kommen mit der Spurensicherung. Sanitäter? Nein bestimmt nicht, Tage zu spät. Ja, über die Brücke in Ortsmitte und dann gleich links, da müsste ein befahrbarer Weg in kurzer Distanz zum Ufer verlaufen. … Klar warte ich.«
Milka kramte in ihrer Tasche.
»Was machst du denn da?«
»Ich hab Durst. Und Hunger. Und Schöntal kann ich jetzt wohl abschreiben? Oder paddeln wir gleich weiter, wenn dein Kommissar kommt?«
Paul Eichert zuckte mit den Achseln und versuchte, das Wasser aus den Hosenbeinen zu wringen und sich mit dieser Aktivität einer Festlegung zu entziehen.
»Aha«, meinte Milka. Sie schnappte sich eine Wasserflasche und ihr Handy.
»Wo willst du hin?«
»Ein kleiner Spaziergang. Flussaufwärts. Ich gebe hier keine Totenwache. Der Tag dürfte wohl gelaufen sein.«
Paul unterdrückte seinen aufkommenden Ärger. Schließlich – da konnte er nichts für (manchmal dachte er auch im hanseatischen Idiom). Und sie wollte doch unbedingt die Stelle näher in Augenschein nehmen, nicht er. Mit seiner abschließenden Schuldzuweisung war Milka bereits hinter den ersten Bäumen verschwunden. Paul griff nach seinem Handy. »Wollte nur wissen, ob du hier ein Netz hast. Verirr dich nicht. Ja … nein. Vielleicht 20 Minuten, Milka. Nicht länger.«
Milka bewegte sich auf dem in geringem Abstand zum Fluss verlaufenden Weg, machte einzelne kurze Abstecher ans Ufer, das sich hier als wenig anlegefreundlich zeigte. Nicht allein wegen der Böschung. Auch der dichte Bewuchs mit den krautigen Brennnesseln störte. Ihr spontaner Ärger über den Abbruch der Kanufahrt wich einer insgeheimen Neugier. War der Mann – ihrer Meinung nach musste es ein Mann sein – gestolpert, gefallen? Konnte sich nicht mehr aufrichten? Der Kopf im Wasser – ertrunken, erstickt? Ein Unfall? Gar ein Mord? Die Überlegungen umschwirrten sie wie ein Mückenschwarm an der Badestelle. Nach zehn Minuten öffnete sich ein schmaler Zugang zum Ufer. Sie sollte jetzt umkehren. Nur ein letzter Blick auf den Fluss. Die Stelle bot sich an. Milka stoppte kurz vor der dünn bewachsenen Uferlinie abrupt, wenige Meter vor der Böschung, die hier einen guten Meter steil zum Wasser der Jagst abfiel. Sie sah sich um, rief. Niemand zu sehen, niemand gab Antwort. Merkwürdig. Sehr merkwürdig. Sie richtete ihren Blick auf den Boden. Das Gras stand relativ hoch. Es gab nur eine einzige Spur: ihre eigene. Milka kehrte um, versuchte, exakt auf den eigenen Fußstapfen bis zum Weg zurück zu gehen, keine zusätzliche Spur zu verursachen.
Milka hatte das Kanu noch nicht erreicht, als schon die ersten Martinshörner von der gegenüberliegenden Straße zu hören waren. Ihr Fund am Ufer bewegte sie. Gab es irgendeine Beziehung zu dem Toten am Fluss? Sie legte die leere Wasserflasche ins Kanu, wechselte nach einem sichernden Rundblick ihr Polo und ging in Richtung des Fundortes. Drei Streifenwagen und ein Zivilfahrzeug blockierten den schmalen Weg. Vier Mann in Uniform sperrten einen weit gesteckten Bereich mit Flatterbändern ab. Ein blau besternter Polizeihauptmeister, ein Ende des Absperrbandes um einen Baum wickelnd, bedeutete Milka freundlich, aber bestimmt, weiterzugehen. Ich werde mich hier nicht vom Acker machen, sagte sich Milka in ihrer landwirtschaftlichen Sprache, und blieb stur stehen. Bevor der PHM, jede Freundlichkeit war von ihm abgefallen, handgreiflich werden konnte, kam Paul auf sie zu. Mit einem ebenfalls in Zivil gekleideten Mann etwa in ihrem Alter, schätzte Milka. Paul winkte dem pflichtbewussten PHM ab und stellte Kriminalhauptkommissar Oliver Karle vor. Irgendeine Story, die sich bestimmt nicht auf ihre Paddelleistung im Kanadier beschränkte, musste Paul seinem Kollegen bereits erzählt haben. Jedenfalls begrüßte er Milka nach einer raschen Musterung, als trage sie zumindest einen silbernen Stern. Sein Blick zeigte dabei ein leichtes Funkeln, das sich nur auf Milkas attraktives Erscheinungsbild beziehen konnte.
»Wir haben den engeren Tatort und die einzuhaltenden Pfade zur Fundstelle festgelegt. Werden gerade markiert«, informierte Karle in knappem Tonfall. Wir warten jetzt auf …« Er blickte über die Schulter. »Kommen gerade. Spurensicherung und Rechtsmediziner.«
Milka wunderte sich. Rechtsmediziner so schnell vor Ort? Aus Künzelsau? An einem Samstag? Sie musterte Karle. Er war etwa so groß wie sie selbst, durchtrainiert, kurzer dunkler Bürstenschnitt. Ihren Blick bemerkend, fuhr er sich mit der rechten Hand über die Frisur, als gäbe es da auch nur irgendetwas zu richten.
Drei Mann der Spurensicherung und ein Fotograf, alle bereits in Tatort-Schutzanzügen und Überschuhen, nahmen Karle in Beschlag und reichten nach einer kurzen Instruktion ihm und Paul Eichert zwei verpackte Einwegoveralls.
Paul fing Milkas fragenden Blick auf, interpretierte ihre Botschaft richtig und nahm sie beiseite. »Hab mit Karle gesprochen. Du musst da leider außen vor bleiben. Das ist seine Entscheidung.« Sein bedauernder Gesichtsausdruck konnte Milka allerdings nicht trösten. »Ich hab den Typ entdeckt. Du wärst doch glatt vorbei gerauscht, wenn ich nicht …«
»Milka, hier gilt nicht ›ich hab ihn zuerst gesehen, also gehört er mir‹. Und, wir haben nicht genügend Schutzanzüge. Und, je mehr herumtrampeln, umso größer die Gefahr einer …«
»Jaja.« Milka winkte mürrisch ab. »Hör schon auf mit deiner Aufzählung.«
»Bist du jetzt mucksch?«
»Nein, ich bin nicht ärgerlich.« Dennoch sah es ganz danach aus. »Und was mach’ ich jetzt? Soll ich hier rumstehen?«
Bevor Paul Eichert eine Antwort fand, eilte ein Mann in weißem Schutzanzug an ihnen vorbei, ihm auf dem Fuß folgte ein koffertragender zweiter, ebenfalls in weißem Einwegoverall, die Kopfhaube gab ein braun gebranntes Gesicht frei. Er nickte nach vorn: »Doktor Sven Rühle, Rechtsmedizin, Uni Heidelberg. Ich bin Peter Riegel. Nur Assi.« Er streifte Milka mit einem kurzen Blick, eilte weiter, vorbei an Karle, vorbei an Paul.
Der Hauptkommissar interpretierte Milkas