Der Arzt vom Tegernsee Staffel 4 – Arztroman. Laura Martens
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»Es ist alles in Ordnung, Katharina«, beruhigte sie Eric und öffnete die Fondtür. Während Jörg und Melanie ausstiegen, erzählte er mit wenigen Worten, was passiert war. »Ich hole Franzl nachher ab. Mach dir keine Sorgen.« Er schloß die Praxis auf und ließ Melanie, die von Jörg gestützt wurde, an sich vorbeigehen.
Jörg nahm im Wartezimmer Platz. Er wäre gern bei Melanie geblieben, doch er sah ein, daß das nicht ging. Nervös blätterte er in einer Zeitschrift. Sein Vater hatte ihn am Morgen wieder gewarnt und gemeint, daß etwas mit der jungen Frau nicht stimmen würde. Spürte er womöglich, daß Melanie krank war? Andererseits mußte sein Vater ihn doch gut genug kennen, um zu wissen, daß ihn das nicht von einer Beziehung zu ihr abhalten würde.
Dr. Baumann nahm Melanie einen Tropfen Blut ab. Nachdenklich schaute er in den Monitor des kleinen Gerätes, das den Blutzucker bestimmen konnte. Er hatte die junge Frau zwar schon gefragt, ob sie an Diabetes litt, jetzt erkundigte er sich, ob es in ihrer Familie Fälle von Zuckerkrankheit gab.
»Meine Großmutter hatte seit ihrer Kindheit Diabetes«, antwortete Melanie erschrocken. »Sie wollen doch nicht etwa sagen, daß ich zuckerkrank bin? – Ich habe heute morgen ziemlich süß gegessen und nach dem Mittagessen auch noch eine Portion Eis.«
»Das könnte natürlich Ihren hohen Blutzucker erklären«, antwortete der Arzt, »überzeugt bin ich jedoch nicht davon.« Er stellte das Gerät auf die Seite. »Ihr starker Durst, die Tatsache, daß Sie nachts nicht durchschlafen können, die Gewichtsabnahme, von der Sie mir erzählt haben, Ihre Müdigkeit und Schwäche deuten daraufhin, daß Ihr Stoffwechsel massiv gestört ist. Wie ich vermute, auf Grund von Insulinmangel.«
»Und aus diesem Grund bin ich bewußtlos geworden?«
»Es wäre möglich, doch das muß noch genau abgeklärt werden.« Eric stand auf und lehnte sich seitlich von ihr gegen den Schreibtisch. »Heutzutage kann ein Diabetiker ein fast normales Leben führen, wenn er sich an einige Regeln hält.« Er schenkte ihr ein zuversichtliches Lächeln. »Allerdings ist es erforderlich, daß ich Sie noch heute zu weiteren Untersuchungen ins Krankenhaus einweise. Wenn…«
»Nein.« Melanie schüttelte den Kopf. »Bis nicht hundertprozentig erwiesen ist, daß ich wirklich zuckerkrank bin, gehe ich in kein Krankenhaus. Die notwendigen Blutuntersuchungen können sicher auch Sie durchführen.«
»Das ist keine Frage, doch ich halte es für sehr gefährlich, so lange zu warten, bis genaue Ergebnisse vorliegen, Frau Berger. Sie könnten erneut bewußtlos werden oder sogar ins Koma fallen.« Er sah sie ernst an. »Im Krankenhaus könnte Ihnen dann sofort geholfen werden.«
Melanie dachte über seine Worte nach. Im Grunde ihres Herzens wußte sie, daß Dr. Baumann recht hatte. »Eigentlich sollte mein Aufenthalt am Tegernsee ein Traumurlaub werden, und kurze Zeit hat es auch so ausgesehen, als wäre ich im siebten Himmel«, meinte sie. »Und nun…« Sie atmete tief durch. »Nein, ich denke nicht daran, mir meinen Urlaub durch einen möglicherweise unnötigen Krankenhausaufenthalt zu verderben.«
»Es ist sehr leichtsinnig, was Sie vorhaben«, erwiderte der Arzt und gab sich keine Mühe, seinen Ärger zu verbergen. »Sie spielen mit einem sehr hohen Einsatz. Wenn Sie verlieren, könnte Ihr Traumurlaub der letzte in Ihrem Leben gewesen sein.«
Melanie spürte einen kalten Schauer. »Muß aber nicht«, beharrte sie. »Bitte, seien Sie mir nicht böse. Ich bin sehr froh, daß Sie zur Stelle gewesen sind, als ich Hilfe brauchte. Es wäre besser gewesen, ich hätte Herrn Thomson gebeten, den Ausflug zu verschieben. Wir hätten auch etwas anderes unternehmen können.«
»Befürchten Sie, Herr Thomson könnte sich in der Zwischenzeit einer anderen zuwenden?«
»Das ist es nicht.« Melanie hatte Angst, daß Jörg durch einen Krankenhausaufenthalt erfahren würde, wie es um ihre finanziellen Verhältnisse stand. Immerhin war sie nur gesetzlich versichert und hatte keinen Anspruch auf ein Einzelzimmer. »Darf ich morgen zur Blutsenkung kommen?« Sie stand auf.
»Gut, wie Sie wünschen«, meinte Eric kühl. Er hielt Melanie Berger für eine intelligente, junge Frau. Weshalb wollte sie nicht begreifen, daß sie mit ihrem Leben spielte? Erneut versuchte er, sie zu überreden, einer Einweisung ins Krankenhaus zuzustimmen. Es war vergebens.
Dr. Baumann brachte die jungen Leute zu der Stelle, an der Jörg seinen Wagen geparkt hatte, und verabschiedete sich dort von ihnen. Arm in Arm winkten sie ihm nach, als er zum Löblhof zurückkehrte.
»Tut mir leid, daß ich den Ausflug verdorben habe«, sagte Melanie leise.
»Da gibt es nichts, was dir leid tun müßte«, versicherte der junge Hotelier. »Unseren Ausflug können wir jederzeit wiederholen.« Er nahm sie zärtlich in die Arme. »Mach dir keine Sorgen. Doktor Baumann ist ein ausgezeichneter Arzt. Was immer dir auch fehlen mag, er wird dir bestimmt helfen können.«
Melanie fragte sich, ob es nicht besser sein würde, Jörg die Wahrheit zu gestehen. Wenn sich Dr. Baumann nicht irrte, würde sich ein Krankenhausaufenthalt nicht verhindern lassen. Zudem war es wirklich mehr als leichtsinnig, was sie tat. Sie legte die Arme um den Nacken ihres Freundes. »Ich muß dir etwas sagen«, bekannte sie.
»Daß du mich liebst?« fragte er, ohne zu ahnen, daß er mit diesen Worten ihre guten Vorsätze zunichte machte.
»Ja, genau das«, antwortete sie und küßte ihn.
*
Andrea hatte solche Schmerzen in ihrem Knie, daß sie kaum auftreten konnte, trotzdem stand sie an diesem Montagabend in der kleinen Küche der Kneipe und kochte. Am Nachmittag hatte sie einen heftigen Streit mit Herbert Freytag gehabt. Sie hatte ihn gebeten, für kurze Zeit eine Aushilfe einzustellen. Die Arbeit fiel ihr von Tag zu Tag schwerer, und sie wußte, daß ihr das lange Stehen in der Küche schadete. Aber Herbert hatte sie nur angeschrien, sie faul und undankbar genannt.
Er steckte seinen Kopf durch die Durchreiche. »Wo bleibt der Leberkäse!« fragte er fast schreiend. »Los, beeil dich ein bißchen. Wie lange sollen meine Gäste denn noch warten?« Wütend sah er sie an. »Noch langsamer geht es wohl nicht?«
»Einen Moment noch.« Andrea verteilte rasch noch gebratene Zwiebeln auf dem Leberkäse, dann stellte sie die schwere Pfanne auf den Herd zurück. Als sie sich umdrehte, stieß sie gegen das Tablett mit den vollen Tellern. Es rutschte vom Tisch. Scheppernd schlug es auf dem gefliesten Boden auf. Scherben, Leberkäse, Zwiebeln und Spiegeleier verteilten sich über die ganze Küche. Entsetzt wich die junge Frau bis zum Herd zurück.
»Du dumme Kuh!« stieß Herbert Freytag außer sich hervor. Sein aufgedunsenes Gesicht rötete sich vor Zorn. »Jetzt reicht’s mir endgültig.«
»Ja, gib’s ihr endlich!« rief einer der Gäste.
»Wir können sowieso nicht begreifen, weshalb du dich mit so einer eingelassen hast!« schrie ein anderer. »Da hättest du ja gleich ein Walroß in dein Bett nehmen können.«
Herbert Freytag riß die Küchentür auf. »Da hörst du’s!« schrie er Andrea an. »Deinetwegen spottet man über mich.« Um seine Lippen spielte ein gemeines Lächeln. »Wie gut ich heute deinen Stiefvater verstehen kann. Dein Anblick wird ihm ganz einfach zuwider gewesen sein.«
»Früher hast du nicht so gedacht«, flüsterte Andrea und versuchte, sich möglichst klein zu machen.
»Da