DIE SIDHE. John Matthews

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DIE SIDHE - John  Matthews

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nicht. In vielerlei Hinsicht ist das hier eine ganz normale Ausgrabungsstätte. Was mich beunruhigt, sind die Unterschiede, auf die wir gestoßen sind. Aber ich überlasse es dir, dir deine eigene Meinung zu bilden.«

      Wir gingen hinüber auf einen anderen Acker, der durch eine Hecke abgeteilt war. Nun lag etwas vor uns, das lediglich ein Haufen Steinbrocken zu sein schien, in einer Bandbreite von sehr mächtig bis hinunter zu Kopfgröße. Auf den ersten Blick schien es nicht mehr als das zu sein. Aber ich hatte genug solcher Stätten besucht, um die eindeutigen Zeichen menschlicher Bautätigkeit erkennen zu können.

      Die Steine waren gar nicht so zusammengewürfelt, wie es zunächst den Anschein erweckte. Dort, wo sie noch halb unter der Erde begraben waren, sah man, dass sie zu einem aus dem Untergrund aufragenden Mauerwerk gehörten, während sie an anderer Stelle seitwärts aus diesem noch grob erkennbaren Mauerrund eines künstlich errichteten Hügels herausgefallen waren. Als wir um die Steine herumgingen, sah ich Spuren archäologischer Forschungsarbeit: Torf war weggeschaufelt worden, und ein langer Graben von etwa sechzig Zentimetern Breite und einem Meter achtzig Tiefe führte im rechten Winkel von dem Hügel weg.

      Dann gelangten wir zu der, wie ich wusste, Westseite des Hügels. Zwischen zwei besonders mächtigen Steinen befand sich dort eine niedrige, rechteckige Öffnung ins Dunkle. Das war offensichtlich der Eingang. Man hatte ihn mit Bändern abgesperrt und ein Schild hingehängt. Darauf stand:

       PRIVATGRUNDSTÜCK

      BETRETEN VERBOTEN!

      Keith öffnete die Absperrung.

      »Das, was du dir anschauen sollst, ist drinnen«, sagte er. »Auf einem Steinsims neben dem Eingang findest du eine Taschenlampe.«

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      Als ich vor dem Eingang des künstlichen Hügels stand, kehrte dieses Gefühl zurück, das ich schon zweimal verspürt hatte – nur dass es diesmal doppelt so stark war. In diesem Moment wäre ich keinesfalls überrascht gewesen, wenn eine Gestalt aus lange zurückliegenden Zeiten plötzlich vor uns gestanden hätte und aus dem Hügel ins Freie getreten wäre. Der Eindruck einer zeitlosen Energie, die aus dem dunklen Loch drang, war so stark, dass ich mich für einen Moment nicht vom Fleck rühren konnte. Dann, so plötzlich, wie es gekommen war, verschwand das Gefühl. Ich ging in die Hocke und spähte in die Dunkelheit.

      Ein kalter Luftzug traf mein Gesicht – was, hätte ich in dem Moment darüber nachgedacht, recht sonderbar war. Normalerweise waren solche Hügelanlagen nicht sehr tief oder großräumig, so dass eigentlich keine solche Luftströmungen auftraten. Aber ich gestehe, dass ich derartige Überlegungen nicht anstellte. Ich spürte eine steigende Erregung, während ich mich gebückt in die Dunkelheit hineinschob. Meine Hände fühlten überall rauen Stein. Tastend suchte ich nach dem Sims und der Taschenlampe.

      Das ging recht schnell, und im nächsten Moment erhellte der breite, goldene Lichtstrahl der Lampe die Dunkelheit. Ich sah einen schmalen Gang, dessen Wände und Decke aus riesigen Steinplatten bestanden. Vor mir befand sich eine zweite Öffnung, und wieder bemerkte ich einen kalten, feuchten Lufthauch. Die Decke war zu niedrig, um aufrecht zu stehen. Also war ich gezwungen, mich kriechend der zweiten Öffnung zu nähern.

      Kapitel 2

      Gortnasheen

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       »Wir sind die Sídhe.«

      Damit Sie verstehen, was als Nächstes geschah, was ich sah und empfand, muss ich mir einen Moment Zeit nehmen und Ihnen erklären, was ich an einem solchen Ort vorzufinden erwartete.

      In weiten Teilen Westeuropas gibt es zahlreiche Megalith-Bauwerke. Errichtet wurden sie in der Steinzeit und bis hinein in die Eisenzeit, also etwa von 4500 bis 1500 v. Chr. Dazu gehören die großen Steinkreise wie Avebury und Stonehenge in Berkshire, Brodgar auf den Orkneys und Callanish auf den Hebriden. Hinzu kommen die großen Hügelfiguren wie der Lange Mann von Wilmington in Sussex und das Weiße Pferd, das in die Kreidelandschaft der Marlborough Downs eingraviert wurde. Auch gibt es zahllose Grabstätten, von denen viele aus der Frühzeit stammen und in späteren Zeitaltern erneut genutzt wurden – manche für Beisetzungen, andere für rituelle Zwecke. Stätten wie Wayland’s Smithy in Wiltshire oder das zurecht berühmte Newgrange in Irland sind, trotz der dort durchgeführten intensiven Ausgrabungen und der zahlreichen wissenschaftlichen Veröffentlichungen, noch immer von Geheimnissen umgeben, und vielleicht wird das auch ewig so bleiben.

      Viele dieser Stätten sind stumme Zeugen erstaunlicher Ingenieurleistungen. Gewaltige Steinblöcke wurden bewegt und mit äußerster Genauigkeit aufgestellt. Ihre schiere Größe und Massivität kündet von einer Mentalität der Erbauer, die etwas Einschüchterndes, Beängstigendes hat. Und natürlich gibt es eine der mysteriösen Natur der Monumente adäquate Vielzahl an Theorien über ihren Gebrauch und Zweck. Von Landemarkierungen für außerirdische Raumschiffe zu komplexen astronomischen Observatorien wurden in den letzten Jahren alle möglichen Erklärungen präsentiert. Manche dieser Ideen wurden von akademischen Forschern anerkannt, die meisten jedoch nicht. Tatsächlich wissen wir über die wahre Verwendung dieser gewaltigen Baudenkmäler so wenig wie über Sinn und Zweck jenes prozentual sehr großen Teiles unserer Gehirnmasse, den wir nie zu benutzen scheinen.

      Diesen Hintergrund hatte ich im Kopf, als ich das Monument von Gortnasheen betrat. Keith hätte es vermutlich als »Ganggrab« bezeichnet, und wir beide hätten Hunderte solcher Grabstätten auflisten können, die verstreut über Irland und Schottland anzutreffen waren. Manche hatte man in völlig intaktem Zustand entdeckt – sie enthielten noch die dort bestatteten Toten, zusammen mit oft kunstvollen Grabbeigaben. Andere – die geheimnisvollsten – waren auf den Innenwänden mit kunstvollen Ritzbildern ausgestattet: Spiralmuster, Zickzackformen, Dreiecke und Kreise von bislang ungeklärter Bedeutung. Dass sie aber für die Menschen, die sie anfertigten, sehr wichtig gewesen sein mussten, galt weithin als unumstritten.

      Das vermittelt Ihnen eine Vorstellung, was ich erwartete: eine steinerne Kammer von vielleicht ein Meter achtzig bis zwei Meter vierzig Länge und sechzig bis neunzig Zentimetern Breite, vielleicht ein oder zwei Ritzbilder, und (je nachdem, wie weit Keith mit seiner Arbeit war) ein paar verstreut herumliegende Knochen.

      Ich schob mich also durch den engen Gang, halb kriechend, halb gebückt, bis der Boden sich abwärts neigte. Gleichzeitig öffnete sich die Decke steil nach oben, so weit, dass ich mich aufrichten konnte. Ich schwenkte den Lichtkegel der Taschenlampe und erlebte meine erste Überraschung des Tages.

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      Die Kammer musste ungefähr drei Meter lang sein und mindestens zwei Meter hoch. Durch den abfallenden Boden befand sie sich mindestens zur Hälfte unter der Erdoberfläche. Ich ließ den Lichtkegel wandern und erlebte meine zweite Überraschung – sie war so groß, dass ich laut aufstöhnte.

      Wie schon erwähnt, finden sich auf den Wänden dieser Bauwerke oft Ritzbilder, aber normalerweise nur wenige Dutzend. Hier waren die Wände, wohin man schaute, mit Ritzzeichnungen bedeckt – ein scheinbares Gewirr von Spiralen, Zickzackmustern und ineinander verwobenen Formen, manche miteinander verknüpft, andere freistehend.

      Ich muss gestehen, dass meine Knie in diesem Moment nicht wenig zu zittern anfingen. Schneller als beabsichtigt, setzte ich mich auf den Boden aus festgestampfter Erde. Von dort sah ich, dass die Ritzbilder sich bis an die Decke fortsetzten, die als Kraggewölbe ausgeführt war, so gekonnt wie die beste Kirchenarchitektur, aber mehrere Jahrtausende

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