Der Bergpfarrer Paket 4 – Heimatroman. Toni Waidacher
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Während er nach Hause gefahren war, um ein paar Sachen zu packen, hatte Martin Ernst nach einer Unterkunft für ihn gesucht. Jetzt klingelte Hellwigs Handy.
»Chef, das war knapp«, hörte der Kriminalhauptkommissar die Stimme seines Mitarbeiters. »Dieses St. Johann scheint ein beliebter Urlaubsort zu sein. Fremdenzimmer sind dort Mangelware. Aber ich hatte Glück, in der Pension Stubler wartet ein gemütliches Einzelzimmer auf Sie.«
»Danke, Martin«, sagte Hellwig. »Ein bissel Glück gehört nun mal zu unsrem Beruf dazu.«
»Dann gute Fahrt, Chef, und Weidmannsheil«, verabschiedete sich der Anrufer.
»Das kann ich brauchen«, knurrte der Beamte grimmig und trat das Gaspedal durch, als er auf die Autobahn kam.
*
»Das Einkaufszentrum gab’s damals noch net«, sagte Sebastian, als sie nach dem Frühstück ihren Spaziergang machten. »Auch auf der anderen Seite des Dorfes stehen ein paar neue Häuser.«
Bevor sie sich auf den Weg gemacht hatten, war Maria auf den Friedhof gegangen und hatte das Grab ihrer Eltern besucht. Als sie damals St. Johann verließ, hatte sie nicht die Absicht gehabt, jemals wieder zurückzukehren und deshalb die ortsansässige Gärtnerei mit der Pflege der Ruhestätte beauftragt. Zwar standen frische Blumen vor dem Stein, und eine niedrige Hecke aus Lebensbäumchen säumte das Grab ein, trotzdem stellte Maria einen Strauß Margariten in eine leere Vase; Blumen, die ihre Mutter immer so gern gehabt hatte.
»Ist der Herr Glauser denn noch da?« erkundigte sie sich, während sie durch das Einkaufszentrum bummelten.
Alois Glauser hatte sie seinerzeit die Tischlerei und das Haus verkauft.
»Freilich, der Loisl schafft immer noch«, erwiderte der Geistliche. »Er hat sogar einen Gesellen und zwei Lehrbuben eingestellt.«
»Vater hat ja net mehr so viel arbeiten können«, sagte Maria. »Mutters Tod hatte ihm schon den Lebensmut genommen, und dann wurd’ er ja auch noch so krank.«
Sie zuckte die Schultern.
»Wer weiß«, setzte sie hinzu, »vielleicht wär’ alles anders gekommen, wenn er net so früh hätt’ gehen müssen.«
»Du meinst, du wärst vielleicht geblieben?« fragte der Bergpfarrer.
»Wahrscheinlich«, nickte sie. »Aber das weiß man ja alles vorher net.«
»Aber du bist net unzufrieden, mit dem, was du erreicht hast, oder?«
»Nein, unzufrieden bin ich net. Ich denk’, in meiner damaligen Lage war’s das Beste, was ich machen konnte.«
Ein paar Leute, die vorübergingen, grüßten Sebastian und schauten Maria neugierig an.
»Jetzt überlegen s’ wohl, wo sie mich hinstecken sollen«, vermutete sie. »Bald wird’s im ganzen Ort rum sein, daß die Geliebte des Millionendiebes nach Hause zurückgekommen ist.«
»Laß sie reden und denken, was sie wollen«, erwiderte Sebastian. »Du hast dir nix vorzuwerfen.«
»Manchmal frag’ ich mich aber, ob ich wirklich nix hätt’ merken müssen«, überlegte Maria laut. »Thorsten hat diesen Coup von langer Hand vorbereitet, eigentlich müßte er sich doch dabei irgendwie verraten haben. Irgendeine Äußerung, ein unbedachtes Wort. Ich hab’ mir schon den Kopf darüber zerbrochen, aber es will mir nix einfallen. Wahrscheinlich war ich blind vor Liebe.«
»Nun, erst einmal traut man so etwas einem anderen Menschen net zu. Zumindest keinem, den man liebt und von dem man net glaubt, daß er zu solch einer Tat fähig wäre. Auch in dieser Hinsicht hast du dir keine Vorwürfe zu machen.«
Sie schlenderten langsam zu der Straße, in der Marias Elternhaus stand. Die Tischlerei befand sich hinten auf dem Hof. Joseph Berger hatte seinerzeit seinen Betrieb am Rande des Dorfes errichtet, und auch heute noch standen keine Häuser in unmittelbarer Nachbarschaft. Schon von weitem hörten sie das Kreischen der Bandsäge und das Klopfen von Hämmern. Je näher sie kamen, um so näher rückten auch die längst vergessenen Eindrücke. Maria glaubte förmlich den Geruch von Holz und Sägemehl in der Nase zu haben.
Sie betraten das Gelände durch die Einfahrt, und die junge Frau blieb einen Moment stehen, um das Haus zu betrachten, in dem sie aufgewachsen war. Äußerlich war es unverändert, lediglich das Holz am Giebel war gestrichen worden. Drinnen hatten die neuen Besitzer wahrscheinlich alles nach ihrem Geschmack eingerichtet. Maria erinnerte sich an Alois Glauser als einen Mann von Mitte vierzig. Seine Frau mochte vielleicht ein paar Jahre jünger sein. Sie erkannte den Tischlermeister sofort wieder, als dieser durch die breite Werkstatttür trat und ihnen entgegenkam.
»Grüß Gott, Hochwürden«, sagte er freundlich und sah Maria stirnrunzelnd an. »Das darf doch net wahr sein! Frau Berger? Ja, guten Tag. Was führt Sie denn hierher? Möchten S’ sich mal umschauen, was aus dem allen hier geworden ist?«
Er reichte ihr die Hand.
»Das ist aber eine Freud’, Sie zu sehen«, setzte er dabei hinzu. »Kommen S’, gehen wir ins Haus. Meine Frau wird staunen!«
Maria spürte, wie ihr diese freundliche Begrüßung guttat. Gerne folgten sie der Einladung und gingen durch die Hintertür hinein.
»Traudel«, rief Alois Glauser, »jetzt rat’ mal, wer zu Besuch gekommen ist!«
Edeltraud Glauser machte die Buchführung, nahm die Aufträge an, schrieb die Rechnungen und erledigte, was es sonst noch alles an Büroarbeiten gab. Sie steckte den Kopf durch die Tür und schaute die Besucher neugierig an.
»Nein, die Frau Berger!« rief sie sofort, als sie Maria erkannt hatte. »Na, das ist aber eine Überraschung!«
Wenig später saßen sie in der Küche und tranken Kaffee. Für Maria war es, als sei sie erst jetzt richtig angekommen. Natürlich hatten die Glausers alles neu gestrichen und tapeziert, aber dennoch war ihr alles vertraut.
»Die Maria hat eine schwere Zeit hinter sich«, sagte Sebastian. »Ihr habt ja vielleicht von der Sache gehört.«
»Freilich«, nickte der Tischler. »Es stand ja in allen Zeitungen, und im Fernsehen haben s’ darüber auch berichtet. Aber ich hab’ gleich zur Traudel gesagt, daß die Frau Berger unschuldig ist. Ich konnt’ mir einfach net vorstellen, daß Sie was damit zu tun haben.«
Die letzten Worte hatte er direkt an Maria gerichtet, die ihn dankbar anlächelte.
Nachdem sie noch einen Moment über dieses Thema gesprochen hatten, bot das Ehepaar an, Maria durch das Haus zu führen.
»Danke, nein«, lehnte sie ab. »Ich möcht’s lieber so in Erinnerung behalten, wie ich’s damals verlassen hab’. Aber vielen Dank für Ihre Gastfreundschaft.«
»Wirklich nette Leute«, sagte Sebastian, als sie wieder auf dem Weg zum Pfarrhaus waren. »Und ich glaub’ dem Loisl, daß er von deiner Unschuld überzeugt ist. So, wie er’s gesagt hat, spürte man, daß es von Herzen kam.«
Im Pfarrhaus angekommen, wartete Max auf sie. Er hatte eine Nachricht,