Berliner Kriminalpolizei von 1945 bis zur Gegenwart. Polizeihistorische Sammlung
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Die Berliner Kriminalpolizei im strukturellen Wandel
von Peter-Michael Haeberer Landeskriminalpolizeidirektor
Es war eine hervorragende Idee, dem 1998 erschienenen Buch über die Berliner Polizei ein weiteres über die Kriminalpolizei Berlins nach 1945 folgen zu lassen. Deshalb danke ich an dieser Stelle sowohl dem Herausgeber und den Autoren als auch allen Helfern, die es ermöglicht haben, dieses Werk der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Die vorliegende Ausgabe soll und kann kein geschlossenes Bild der Berliner Kriminalpolizei wiedergeben. Vielmehr legten die Autoren Wert darauf, in Episoden darzustellen, unter welchen teils schwierigen Bedingungen kriminalpolizeiliche Arbeit von 1945 bis heute vollzogen werden musste.
Eine solche Arbeit bedarf des Rahmens, um die Akzente und Leistungen Einzelner vor dem Hintergrund der Verhältnisse in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zu erkennen. In dem Bemühen, die unterschiedlichen Artikel des Buches mit einer gemeinsamen Klammer zu verbinden, muss ich aber freimütig bekennen, dass mir dies nur zum Teil gelungen ist. Das lag nicht zuletzt daran, dass ich den 13. August 1961 im Westen der Stadt erlebte und sich mein beruflicher Werdegang aus diesem Grunde auch hier vollzog.
Dadurch wurden mir zwangsläufig Einblicke in die Entwicklung des Ostteiles der Stadt verwehrt und viele derjenigen, die kompetent darüber berichten könnten, standen dem Herausgeber mit eigenen Aufsätzen nicht zur Verfügung.
So wie man Berlin aber nicht ohne seine geschichtlichen Wurzeln verstehen kann, so kann man die Entwicklung der Kriminalpolizei nach 1945 auch nur begreifen, wenn man sie in der Tradition der zwanziger und frühen dreißiger Jahre, aber auch belastet durch die schwere Hypothek des ehemaligen Reichssicherheitshauptamtes, sieht und erkennt, wie sehr sie durch die politischen Verhältnisse unserer zweigeteilten Stadt vor und hinter dem Eisernen Vorhang beeinflusst wurde.
Keine andere Stadt in Deutschland war so mit der Weltpolitik verbunden wie Berlin. Nach der Machtübernahme der Roten Armee herrschte hier zunächst nur das Besatzungsrecht. Doch bereits im Mai 1945 wurde die Einrichtung einer Kripo-Zentrale in der Dircksenstraße in Berlin-Mitte befohlen und darüber hinaus im Oktober 1945 durch den Alliierten Kontrollrat die Organisation der Polizei in die drei Säulen Verwaltung, Schutz- und Kriminalpolizei festgelegt.
Nachdem es aufgrund der eskalierenden politischen Umstände zur Spaltung im Jahre 1948 kam, wurde am 26. Juli 1948 Dr. Johannes Stumm zum Polizeipräsidenten ernannt. Die Alliierten etablierten ihn mit dem gesamten Präsidium in der Friesenstraße in Berlin-Kreuzberg.
Weil der Polizeipräsident aber nach wie vor dem Alliierten Kontrollrat unterstellt war, ging die Befehlsgewalt über die Polizei noch immer von allen Alliierten gemeinsam aus. In der Praxis hatten die einzelnen Sektorkommandanten jedoch die eigentliche Machtbefugnis. Während im Ostteil der Stadt diese Befugnis allein bei den Repräsentanten der Sowjetarmee lagt, gab es in den drei Westsektoren auch drei Zuständigkeiten für die Sicherheit der Stadt. Da es nur einen Polizeipräsidenten gab (mit Dienstsitz im amerikanischen Sektor), erstreckte sich die Befehlsgewalt de jure nur auf die Sektorassistenten – ein Amt, das in der Polizei extra eingeführt wurde. Weisungen an den Polizeipräsidenten wurden von allen (West-)Alliierten über Allied Kommandantura Order oder Letter verfügt. Daneben gab es die direkte Befehlsgewalt alliierter Offiziere gegenüber jedem einzelnen Polizeibeamten, die bis zum Abzug der Alliierten im Jahre 1994 galt.
In den Jahren der Zusammenarbeit entwickelte sich ein durchaus freundschaftliches Verhältnis zwischen den Sicherheitsoffizieren der drei West-Alliierten und ihren schutzpolizeilichen Partnern.
Mit der Kriminalpolizei waren die Verbindungen mit Ausnahme der Abteilung I („Polizeilicher Staatsschutz“) eher lose. Deren Hauptaugenmerk lag – wen wundert’s angesichts der politischen Rahmenbedingungen – auf der Bekämpfung geheimdienstlicher Agententätigkeit und auf der Aufarbeitung nationalsozialistischen Unrechts.
Als eine Arabeske der Geschichte sei angemerkt, dass die Kriminalpolizei des Landes Berlin heute so gut wie keine Spionagefälle mehr bearbeitet, es aber immer noch vereinzelte Ermittlungshandlungen wegen Verbrechen aus der nationalsozialistischen Zeit gibt.
Erst die ab Mitte der siebziger Jahre zu verzeichnende Terrorwelle mit weltweiten Anschlägen auf die zivile Luftfahrt führte zu einer engen Zusammenarbeit zwischen den Alliierten, die die Lufthoheit beanspruchten, und der Kriminalpolizei, die dazu führte, dass in den Maßnahmenkatalogen weniger militärische als vielmehr polizeiliche Taktik in den Vordergrund rückte. Die Alliierten hatten gelernt, dass sie sich auf die Polizeilicher Lagen verlassen konnten und angesichts der damals bereits beginnenden Truppenabzüge auch mussten.
Bei allem gegenseitigen Verständnis war das Rechtsverhältnis zwischen Polizei und Alliierten letztlich aber noch immer durch das Kriegsrecht bestimmt und dieses zugleich auch Ausdruck der durch die unterschiedlichen Machtbefugnisse verursachten Zweiteilung dieser Stadt. Nichts anderes dürfte für den Ostteil der Stadt gegolten haben, wo das Präsidium der Volkspolizei direkt oder indirekt über das Ministerium für Staatssicherheit der russischen Besatzungsmacht zuzuarbeiten hatte.
Mit dem historischen Abstand von 15 Jahren betrachtet, war das Jahr nach dem Fall der Mauer und vor der Wiedervereinigung Deutschlands das wohl interessanteste in Berlin.
Zweistaatlichkeit im unmittelbaren Erleben – so konnte man als Bürger dieser Stadt die „Grenze“ jederzeit überschreiten, als Angehöriger der Organe staatlicher Rechtspflege durfte man es in amtlicher Eigenschaft dagegen nicht.
Nur, wer konnte und wollte sich daran halten? Observationskräfte beider Seiten überschritten die „Grenze“ mit und ohne Erlaubnis, und Ermittler bekamen Hinweise zu Straftaten auf der jeweils anderen Seite.
Die Zusammenarbeit war dabei nicht immer einfach, zumal Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), zunächst aus dem Ministerium ausgeschieden, über die „Runden Tische“ bei dem Präsidium der Berliner Volkspolizei wieder eingestellt wurden.
Verräterische Einträge in Personalakten durften die Probanden, soweit möglich, selbst bereinigen. Schnelles und pragmatisches Handeln wurde deshalb mit der Vereinigung erforderlich, um Unheil zu vermeiden, zugleich aber auch Partnerschaften zu bilden, um die Kollegen aus dem Ostteil der Stadt in die für sie fremde Rechtsmaterie einzuführen, sie auszubilden und ihnen die Grundzüge demokratischer Kontrollinstanzen zu vermitteln.
Dass sich die Eingliederung auf sehr professionelle Weise vollzog, ist letztlich einem Mann zu verdanken, der kein Kriminalbeamter, aber ein überaus engagierter und für die Aufgabe prädestinierter Mann war. Der Leiter der Schulabteilung des Polizeipräsidenten in Berlin, LtdPD Simon. Er entwickelte gemeinsam mit seinen Mitarbeitern ein Konzept zur Aus- und Fortbildung des personellen Zuwachses und setzte es erfolgreich um. Sein Name wird deshalb zu Recht mit diesem über Jahre dauernden Mammutwerk in Beziehung gesetzt werden.
Die Kriminalpolizei hatte von Anfang an darauf verzichtet, reine Ost- oder reine Westdienststellen zu gründen. Eine Entscheidung, die sich schnell bezahlt machen sollte. Allerdings war sie auch mit dem Nachteil behaftet, dass diese Dienststellen, die ihrer neuen Größe von Berlin angepasst und deshalb für die gesamte Stadt zuständig waren, immer wieder reduziert werden mussten, weil viele der neuen Mitarbeiter sehr schnell durch ihre Vergangenheit eingeholt wurden und konsequenterweise entlassen werden mussten.
Mit dem Hauptstadtbeschluss des Deutschen Bundestages vom 20. Juni 1991 wurde klar, dass die „Hauptstadt im Wartestand“ in kürzester Zeit wieder Hauptstadt „in vivo“ werden würde.
Für die Kriminalpolizei