Berliner Kriminalpolizei von 1945 bis zur Gegenwart. Polizeihistorische Sammlung
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Um den Ängsten der Neuberliner mit Bundesaufgaben zu begegnen, wurde recht schnell eine gemeinsame Lagebetrachtung zwischen Berlin und Brandenburg einerseits und Berlin und dem Bund andererseits angestrebt. Das Bundeskriminalamt und die Berliner Kriminalpolizei stellten als Erstes ein gemeinsames Lagebild auf, mussten aber bald erkennen, dass die Deliktsfelder der allgemeinen Kriminalität auf Parlamentarier oder Ministerien keinen Einfluss hatten, noch diese den ihren geltend machten, um der steigenden Kriminalität Einhalt zu gebieten.
Die Sogwirkung der wirtschaftlichen Metropole war nach dem Fall des Eisernen Vorhangs nicht zu übersehen. Zwar entwickelte sich der gemeinsame Kriminalitätsraum Berlin-Brandenburg erst langsam, dennoch zeigte er bereits erste Konturen, als sich der Speckgürtel nicht nur mit stadtmüden Berlinern, sondern auch mit der dazugewonnenen positiven und negativen Infrastruktur füllte.
Hinzu kam als weiteres Phänomen das der russischen Emigranten. Zu tausenden strömten Russen, Russlanddeutsche und Angehörige der früher zur UdSSR gehörenden und nunmehr selbständigen Völker in die Stadt und brachten nicht nur ihre Sprache und Gebräuche mit.
Zusammen mit den hier verbliebenen Vertragspartnern aus der ehemaligen DDR, die afrikanischen oder südostasiatischen Völkern angehörten, zeigten sie wenig Neigung zur sozialen Integration. Soziale Abschottungstendenzen waren unübersehbar und bezogen sich erst recht auf die Kontakte zu der Berliner Polizei.
Neue Formen der ethnisch abgeschotteten Bandenkriminalität bei den Eigentumsdelikten, der Kraftfahrzeugverschiebung, des Falschgeldabsatzes und des Gewaltinkassos waren die Folge.
Kriminalität im ethnisch-sozialen Umfeld in dieser Schärfe war eine neue Erfahrung für die Berliner Kriminalpolizei, eine Herausforderung, der sie sich im Großen und Ganzen mit gutem Erfolg gestellt hat und auch in Zukunft stellen wird. Doch davon später.
Anfang der siebziger Jahre wurde klar, dass die Polizei sich aus der kleinräumigen Verteilung in der Fläche zurückziehen musste, um ihre Ressourcen zu bündeln und zielgerichteter einzusetzen. Mit der Polizeireform von 1974 ergaben sich auch für die Kriminalpolizei einschneidende Veränderungen.
Ohne ins Detail zu gehen, weil das den Rahmen der einführenden Worte zu diesem Buch bei weitem sprengen würde, sei nur so viel angemerkt:
Die bestehenden 112 Polizeireviere wurden in 31 Abschnitte umgewandelt. Die Revierkriminalbüros wurden aufgelöst. Die bisher auf zwölf Inspektionen verteilten örtlichen Kriminalpolizeien wurden in fünf örtlichen Polizeidirektionen in jeweils zwei Inspektionen zusammengefasst. Der Rückzug der Kriminalpolizei aus der Fläche wurde durch kriminalpolizeiliche Sofortdienste der Polizeidirektionen kompensiert.
Die zentralen Kriminalreferate und Inspektionen der ehemaligen Abteilung K wurden zu einer „Direktion Verbrechensbekämpfung“ zusammengefasst. Die in der Kriminaldirektion der ehemaligen Abteilung K zentral durchgeführten Aufgaben wurden in einem „Dezernat Verbrechensbekämpfung“ in der Landespolizeidirektion zusammengefasst.
Drei Anmerkungen sind zu der „Reform von 1974“, wie sie gemeinhin genannt wird, zu machen.
Der daraus entstandene Dualismus zwischen der „Direktion Verbrechensbekämpfung“ und dem „Dezernat Verbrechensbekämpfung“ prägte die nächsten Jahre deutlich. Abhängig von den jeweiligen Leitern der Dienststellen entwickelte sich daraus entweder ein fruchtbares Miteinander oder aber ein hemmendes Konkurrenzverhältnis.
Erst mit der Entscheidung, am 1. Juni 1994 das LKA-Modell in die Praxis umzusetzen, entspannte sich dieses Verhältnis. Berlin hatte erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik ein verfassungsgemäßes Landeskriminalamt.
Der Rückzug aus der Fläche war für die Kriminalpolizei, die gut 80 bis 90 Prozent ihrer Arbeit bezogen auf den Tatortbezirk verrichtet, ein schwerwiegender Fehler. Erst mit der Umsetzung des Berliner Modells, das heißt mit der Reform der schutzpolizeilichen Aufgaben vor Ort, wurde in den letzten Jahren dem Erfordernis, Kriminalbeamte in der kleinsten örtlichen Gliederungseinheit zu verwenden, erneut Rechnung getragen. Mit dem „Hauptsachbearbeiter K“ ist zwar der alte Revierkriminalbeamte noch nicht zurückgekehrt, aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung.
Die Reform von 1974 war keine „Reform“ im Sinne der alten preußischen Heeresreformen mit definiertem Beginn und definiertem Ende. Leider wurde sie so (falsch) verstanden! Mit ihr hätte der Prozess der kontinuierlichen Anpassung und Verbesserung eingeleitet werden müssen. Statt dessen begann mit dem Streit, wer denn nun die Fachaufsicht über „die Kriminalpolizei“ habe, ein schädliches Konkurrenzdenken zwischen örtlicher und zentraler Kripo. Erst 2003 mit der „Neuordnung der Führungsstrukturen“ und der unbestrittenen Verantwortung des Landeskriminalamtes für die Qualitätssicherung der Kriminalitätsbekämpfung in der ganzen Stadt wurde dieser Streit beendet.
Es war aber auch nicht zu übersehen, dass immer neue Ideen innerhalb der Schutz- und Kriminalpolizei eine Reformmüdigkeit mit sich brachten.
Anfang der neunziger Jahre wurde im Zuge einer Organisationsuntersuchung durch „Mummert und Partner“ das „Berliner Modell“ entwickelt. Von der Kriminalpolizei anfänglich eher misstrauisch betrachtet, wurden einfache kriminalpolizeiliche Aufgaben an die Schutzpolizei auf den Abschnitten zur Endbearbeitung abgegeben mit dem Ziel, die Kriminalpolizei spürbar zu entlasten.
Kriminalistik war für die Schutzpolizei im mittleren Dienst seit Anfang der siebziger Jahre nur Hörfach gewesen. Also musste ein neues Ausbildungsvorhaben aufgelegt werden. Die Probleme sind nicht gering, aber der Erfolg wird sichtbar. Kriminalitätsbearbeitung gehört heute bereits in vielen Bereichen der Schutzpolizei zu den ganz normalen Aufgaben.
Die Ende der neunziger Jahre stadtweit eingeführte Verwaltungsreform im Zuge der bundesweit angestrebten neuen Steuerungsmodelle in den Verwaltungen dagegen wurde für die Berliner Polizei um zwei Jahre verschoben.
Eine schicksalhafte Entscheidung. Zunächst schien alles gut zu laufen. Für das Jahr 2001 wurden fünf Pilotdienststellen ausgewählt. Auch das Landeskriminalamt hatte eine Abteilung ausgewählt, die für das gesamte LKA als Pilot-Projekt fungieren sollte, die Abteilung LKA 5, der Polizeiliche Staatsschutz. Der Startschuss dazu fiel am 1. Januar 2001.
Trotz aller Wirren und Widrigkeiten überlebte die Abteilung 5 das erste Jahr fiskalischer Verantwortung und schloss mit einem positiven Ergebnis ab.
Man hatte der Polizei bei der Umsetzung des Reformvorhabens einen Aufschub von zwei Jahren gewährt, nicht aber bei der Fortsetzung der Neugestaltung.
Seit dem 1. Januar 2004 sind alle Organisationseinheiten in den Vollbetrieb als Leistungs- und Verwaltungszentrum oder aber als Serviceeinheit in den Betrieb gegangen. Das insgesamt positive Resultat der Pilotphase konnte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Übergang in die fiskalische Verantwortung in Zeiten des allgemeinen Mangels mit Problemen behaftet ist. Dieses Dilemma besteht in der Haushaltsmisere des Landes Berlin, bei der jährlich drei Milliarden mehr Ausgaben als Einnahmen verzeichnet werden.
Diese Tatsache führte zur Konsequenz: sparen, sparen und nochmals sparen!
Natürlich kann die Polizei nicht von den Sparnotwendigkeiten des Landes ausgenommen werden, andererseits hat sie aber – und hier insbesondere die Kripo – einen gesellschaftlichen Auftrag, der zwar volkswirtschaftlich betrachtet werden muss, aber im Einzelfall nicht einfach betriebswirtschaftlich gegenzurechnen ist.
Wenn kriminalpolizeiliche Arbeit nicht mit dem Rotstift durchgeführt werden soll, bedeutet das für alle, die in der Kripo Verantwortung tragen, dass sie