Die Frau am Meer. Ursula Isbel-Dotzler

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Die Frau am Meer - Ursula Isbel-Dotzler

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lange dein Auto nicht abhebt und Loopings macht, müsste es gehen«, sagte ich.

      Er steckte den Zündschlüssel ins Schloss, startete aber noch nicht, sondern musterte mich wieder und bemerkte dann: »Es ist schon seltsam mit dieser Ähnlichkeit. Ich dachte, es verliert sich mit der Zeit, wenn du erwachsen wirst, aber ich würde eher sagen, es hat sich noch verstärkt. Verrückt, was die Gene oft für Sprünge machen, wie? Sie scheinen in den Familien kreuz und quer herumzuhüpfen wie Kugelblitze.«

      Obwohl mir nach wie vor ziemlich elend war, musste ich lachen. Die Ähnlichkeit zwischen ihm und mir war wirklich verblüffend. Ich glich Onkel Harald weit mehr als meinem Vater oder meiner Mutter. Wir hatten die gleichen grauen, weit auseinander stehenden Augen und seine Nase zeigte wie die meine mit einem kleinen Kick nach oben. Nur seine Haare, die früher so rot gewesen waren wie meine, hatten inzwischen einen gelblich grauen Farbton wie ein alter Fuchspelz.

      Während ich ihn ansah, entdeckte ich plötzlich, dass sich seine Augen auf die gleiche Weise verengten wie meine, wenn er lächelte.

      »Verrückt, echt!«, sagte ich. »Jeder würde dich für meinen Vater halten.«

      »Aber da gab’s keinen Seitensprung mit deiner Mutter, Ehrenwort!«

      Ich lachte wieder, diesmal, weil er es von mir zu erwarten schien. »Und deine Kids? Sehen die dir ähnlich?«

      »Überhaupt nicht. Rian kommt nach Helen und Sally nach ihrem Großvater mütterlicherseits. Schwarzes Haar und dunkle Augen – da schlägt das keltische Erbe voll durch.«

      Ich hatte meinen Onkel und seine Familie vor sieben oder acht Jahren zum letzten Mal gesehen. Damals war Rian gerade erst ein paar Monate alt gewesen, ein dünnes, zartes, ewig quengelndes Baby. An Sally erinnerte ich mich kaum noch. Sie hatte sich immer schüchtern im Hintergrund gehalten. Das Einzige, was mir im Gedächtnis geblieben war, waren ihre großen, scheu wirkenden Augen.

      Von Exeter sah ich nicht viel. Ich lehnte mich in den bequemen Sitz zurück und hielt die Augen meist geschlossen.

      Bis Onkel Harald sagte, es wäre besser für mich, wenn ich sie aufmachte. »So wirst du die Übelkeit nicht los«, meinte er.

      Da hatten wir die Stadt schon hinter uns gelassen und fuhren übers offene Land, hinein ins Dartmoor, das ich mir immer als öde, düstere Gegend vorgestellt hatte, mit Nebelschwaden und Sumpflöchern, in denen ausgebrochene Sträflinge herumirrten und versanken, untermalt vom schaurigen Geheul des Hundes von Baskerville.

      Doch es war ganz anders. Die Moor- und Heidelandschaft war von melancholischem Liebreiz, mit kleinen Bächen und Tümpeln zwischen Felsbrocken und Schafen, die friedlich im Heidekraut weideten. In der Ferne ragten Hügel auf, die wie Zuckerhüte geformt waren. Und mitten in der Heide erhoben sich bizarre Türme aus Granit, Tors genannt, wie Onkel Harald mir erklärte.

      Der Wind trieb pastellfarbene Wolken über den Himmel, sodass das Licht ständig zwischen gleißender Helligkeit und jagenden Schatten wechselte. »Hier gibt es wild lebende Pferde, wusstest du das?«, sagte mein Onkel. »Aber warte, bis du das Meer siehst. Die Küste von Cornwall ist atemberaubend, wenn man sie zum ersten Mal sieht. Schade, dass man sich an alles so rasch gewöhnt, selbst an die Schönheit.«

      Er steuerte den Wagen an einem Bus vorbei, der mitten auf der Fahrbahn stand. Ein Trupp kahlköpfiger Männer in Shorts und mehrere alte Damen mit bläulichem Silberhaar fotografierten die fernen Zuckerhüte.

      »Nicht allzu weit von hier ist auch ein See, Dozmare Pool. In den soll Bedivere das Schwert Excalibur geworfen haben. Früher hielt man Dozmare Pool für unergründlich tief.«

      »Excalibur? Ist das nicht dieses Zauberschwert? Das hat doch etwas mit König Arthus zu tun, oder?«

      Onkel Harald nickte. »Excalibur war König Arthus’ magisches Schwert.«

      »Hat es König Arthus eigentlich wirklich gegeben?«, fragte ich.

      »Darüber streiten sich die Wissenschaftler. Der Überlieferung nach war Arthus ein keltischer Stammesfürst, dem es gelang, mit einem Heer von etwa zehntausend Männern die Invasion der Angelsachsen aufzuhalten. Es heißt, er wurde christlich erzogen, soll aber auch von Merlin, dem Zauberer, in die ›Anderwelt‹ der Kelten eingewiesen worden sein.«

      »Das klingt aber, als hätte er tatsächlich gelebt«, sagte ich.

      »Vermutlich schon. Er war wohl ein großer Heerführer, dem im Laufe der Geschichtsüberlieferung immer mehr Wunderdinge angedichtet wurden. So sind ja viele Sagen entstanden.«

      Er begann, von Merlin, dem Zauberer, zu erzählen und von Arianrhod, der Herrin des Turms zum Jenseits. Seine Stimme war angenehm gleichmäßig und einschläfernd, der große Wagen fuhr schnurrend dahin. Ich begann, mich zu entspannen, und schloss die Augen wieder. Mein Magen beruhigte sich. Ich döste ein und erwachte davon, dass jemand meine Schulter berührte.

      »Wir sind da, Fanny«, sagte Onkel Harald.

      4

      Das Haus hieß Rhiannon Hall nach einer alten walisischen Göttin, die eine weiße Stute besaß und selbst Pferdegestalt annehmen konnte. Das erklärte mir Onkel Harald, während wir aus dem Wagen stiegen.

      Es war viel größer, als ich vermutet hatte, ein lang gestrecktes Gebäude aus grauem Naturstein, mit grauem Schieferdach, sieben Kaminen und einer Menge weiß gestrichener Fenster.

      Der Rasen, der das Haus umgab, wirkte ungepflegt. Er war begrenzt von wild wuchernden Rhododendronbüschen und Hecken aus Lorbeer, Stechpalmen und schwarzgrünen Eiben. Abends, wenn ich aus dem Fenster schaute, musste ich oft zweimal hinsehen, um sicher zu sein, dass diese gespenstischen Schatten keine Monster waren. Auch die Kinder hatten es bei Einbruch der Dunkelheit immer eilig, die Vorhänge zuzuziehen, um »sie« auszusperren.

      »Da draußen lauern sie«, sagte Rian manchmal; keiner konnte ihm ausreden, dass das Haus von jeder Menge schauriger Wesen umgeben war, sobald es finster wurde.

      Jetzt, bei hellem Tageslicht, wirkte alles nur etwas vernachlässigt, so als wäre das Anwesen schon seit längerem unbewohnt. Doch während wir über den Trampelpfad gingen, der von der Auffahrt zur Gartenseite des Hauses führte, tat sich eine der Terrassentüren auf, und Tante Helen erschien auf der Schwelle.

      Sie trug einen Kimono aus blauer Seide, der sie wie einen Schmetterling aussehen ließ. Neben ihr tauchte rechts und links je ein Kinderkopf auf. Zwei dunkle Augenpaare spähten mich aus sicherer Deckung hervor an.

      »Hi!«, sagte ich, aber sie antworteten nicht.

      »Entschuldige«, sprudelte Tante Helen hervor. Ihre Haare waren zerzaust und türmten sich wie ein Vogelnest abenteuerlich schief auf ihrem Kopf. »Ich bin nicht besuchsfein. Mein Kopf schmerzt mir heute so, ich habe gerade erst aus die Bett gekrochen.«

      Sie blinzelte in die Helligkeit wie eine verirrte Eule. Wir umarmten uns. Sie roch ganz wie früher, als ich noch ein Kind war, nach Zitrone und italienischem Puder. Auch ihr Deutsch war genauso witzig wie damals. Sie und Onkel Harald hatten mehrere Jahre in Bonn gelebt, ehe sie in Tante Helens Heimat zurückkehrten; daher stammten Tante Helens Deutschkenntnisse.

      Rian und Sally waren verschwunden. »Meinetwegen brauchst du nicht hier herumzuwandern«, sagte ich. Sie war wirklich sehr blass. Ihr zartes, dünnes Gesicht wirkte fast durchscheinend, die Augen lagen tief in den Höhlen und

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