Seemanns-Legende und andere Erzählungen. Henryk Sienkiewicz
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So spintisierend wälzte sie sich schlaflos im breiten amerikanischen Bette und fühlte sich wirklich vereinsamt.
Plötzlich schnellte sie empor. Diesmal hatte ihr Schreck einen realen Grund. In der nächtlichen Stille war deutlich das Klopfen eines Hammers zu vernehmen.
»Jesus,« schrie sie auf, »man schleicht sich in mein Geschäft ein!« Dies sagend, sprang sie aus dem Bette und eilte ans Fenster. Aber hinausblickend, beruhigte sie sich gleich. Beim Mondschein sah sie eine Leiter und auf derselben stand Hans. Er entfernte die Nägel, die das Affenschild festhielten. Fräulein Naumann machte leise das Fenster auf.
»Er entfernt den Affen, das ist von seiner Seite anständig.« dachte sie. Und sie fühlte plötzlich, als taue etwas in ihrer Herzgegend auf.
Hans zog langsam die Nägel heraus. Das Blechschild fiel klirrend zu Boden. Er stieg hinunter, löste den Rahmen, rollte das Blech in seinen sehnigen Händen zusammen und trug die Leiter fort.
Das Mädchen verfolgte ihn mit den Augen. Es war eine stille, warme Nacht. »Herr Hans,« lispelte sie.
»Sie schlafen nicht?« erwiderte Hans gleichfalls flüsternd.
»Nein! Guten Abend!«
»Guten Abend!«
»Was machen Sie denn?«
»Ich entferne den Affen.«
»Herr Hans, ich danke Ihnen.«
Kurzes Schweigen.
»Herr Hans,« flüsterte wieder die Mädchenstimme.
»Was wünschen Sie, Fräulein Lora?«
»Wir müssen betreffs der Scheidung beratschlagen.«
»Ja, Fräulein Lora.«
»Morgen?«
»Morgen.« Kurzes Schweigen, der Mond lachte, alles war still.
»Herr Hans!«
»Was, Fräulein?«
»Ich habe es eilig, mich scheiden zu lassen.«
Ihre Stimme hatte einen melancholischen Klang.
»Auch ich, Fräulein Lora.« Hans’ Stimme klang traurig. »Wir wollen es nicht verzögern.«
»Je früher man darüber berät, desto besser.«
»Desto besser, Fräulein Lora.«
»So können wir gleich beratschlagen.«
»Wenn Sie erlauben, so komme ich zu Ihnen. Ich will mich nur ankleiden.«
»Es sind keine Umstände nötig.«
Unten tat sich die Tür auf, Herr Hans verschwand in der Dunkelheit und bald darauf befand er sich in einem stillen, warmen, sauberen Mädchenzimmer. Fräulein Lora hatte einen weißen Schlafrock an und war entzückend.
»Ich höre,« sagte Hans mit gebrochener, weicher Stimme.
»Denn sehen Sie, ich möchte mich gern scheiden lassen, aber – ich fürchte, daß uns jemand von der Straße erblickt.«
»In den Fenstern ist es doch dunkel,« sagte Hans.
»Ach, richtig!« erwiderte das Mädchen.
Dann begann die Beratung wegen der Scheidung, die aber nicht mehr zur Geschichte gehört …
In Struck Oil City zog der Friede wieder ein.
Die Jagd nach dem Glück
Inhalt
Erstes Kapitel. Die Seereise. – Der Sturm.
Drittes Kapitel. Das Ansiedlerleben.
Erstes Kapitel. Die Seereise. – Der Sturm.
Das deutsche Segelschiff »Blücher« hatte seine Reise von Hamburg nach New-York angetreten und wiegte sich stolz auf den Wellen des Ozeans.
Es war seit vier Tagen unterwegs, hatte vor zwei Tagen die irländische Küste verlassen und befand sich nun auf offenem Meere. So weit das Auge reichte, sah man vom Verdeck aus nichts weiter, als die graublaue Wasserfläche, welche in langgestreckten Furchen heftig hin und her wogte und in der Entfernung immer dunkler zu werden und mit dem Horizont in Eins zu verschwimmen schien. Hier und da zogen Schaumflocken auf den Wogenkämmen daher, tief unten am Horizont schwebten leichte weiße Wolken, die sich im Wasser spiegelten und da, wo ihr Schein hinfiel, demselben die Farbe der Perlmutter verliehen. In dieser Färbung spiegelte sich der Rumpf des Schiffes mit seinem nach Westen gerichteten Bug so deutlich ab, daß man genau sehen konnte, wie das Vorderteil desselben von den Wellen bald hoch emporgehoben, bald tief hinabgesenkt wurde. Er trennte die ihm entgegenströmenden Fluten, und ihm nach zog, wie eine sich wälzende Riesenschlange eine mächtige weiße Schaummasse. Einige Möven umflatterten das Steuer und stießen, in der Luft sich überschlagend, fröhliche Locktöne aus.
Seit der Abfahrt des »Blücher« aus Hamburg war das Wetter hell, zwar windig, aber nicht stürmisch. Der Wind kam von Osten und nur in einzelnen Stößen; zuweilen herrschte völlige Stille. Das schöne Wetter hatte die Passagiere auf das Verdeck gelockt. Auf dem hinteren Teile desselben sah man die schwarzen Paletots und Hüte der Kajüten-Passagiere erster Klasse, während auf dem Vorderdeck diejenigen des Zwischendecks in buntem Gewimmel sich tummelten. Einige saßen auf Bänken, aus kurzen Pfeifen rauchend, andere hatten sich gelagert, während ein großer Teil der Passagiere an der Brüstung lehnte und hinab auf das Wasser sah. Es befanden sich auch etliche Frauen mit Kindern an Bord, welche Blechgeschirre am Gürtel befestigt trugen und einige junge Männer, die im Auf- und Abschreiten, mühsam das Gleichgewicht haltend, deutsche Lieder sangen.
Ein wenig abseits von der großen Menge saßen ganz allein zwei Menschen, denen man ansehen konnte, wie vereinsamt sie sich vorkamen. Auf den ersten Blick mußte man erkennen, daß die beiden, ein älterer Mann und ein junges Mädchen, niemand anderes sein konnten, als polnische Bauern. Sie waren thatsächlich vereinsamt, denn sie verstanden kein Wort Deutsch.
Der Mann hieß Lorenz Toporek; das Mädchen, Maryscha mit Namen, war seine Tochter. Sie reisten nach