Ausgewählte Dramen, Dichtung, Erzählungen, Romane & Beiträge. Rainer Maria Rilke

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Ausgewählte Dramen, Dichtung, Erzählungen, Romane & Beiträge - Rainer Maria Rilke

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Heimat verließ. Der Kranke dachte nach und sagte dann: »Ich glaube jetzt bin ich dir noch viel weiter und fremder als er.«

      Frau Sophie drückte das dünne Batisttuch an die Augen, und ein ganz leiser Duft von feinem Lavendel wehte durch das Zimmer. Sie fragte mit trockener Stimme: »Wer?«

      »Der Vater!« antwortete Gerhard brutal.

      Die alte Frau blickte ihn erschrocken mit zuckenden Augen an, und ihre Lippen bebten krampfhaft und suchten zu widersprechen. Allein sie fand kein Wort. Sie fühlte plötzlich, daß sie etwas verteidigen mußte, was von ihrem Kinde bedroht war, etwas, was tief in ihr lebte, sie stärkte und segnete und was ältere Rechte besaß als ihr Kind. In diesem Augenblicke wäre sie am liebsten geflohen. Scheu blickte sie auf. Sie sah jetzt die matten, geschlossenen Augen des Kranken und seinen Mund, der müde war von den vielen Worten. Seine arme, rührende Hilflosigkeit fesselte sie. Unwillkürlich stellte sie die beiden im Geiste nebeneinander: den Gott in ihr, den Gerhard bedroht hatte, und ihren schwachen, unglücklichen Sohn. So blieb sie.

      Die nächsten Wochen waren ein leiser, heimlicher Kampf, den Frau Sophie dadurch zu mildern suchte, daß sie ihren Gott immer tiefer in sich versenkte und vermied, daß er jemals ihrem Sohne begegne. Dadurch erhielt ihr ganzes Wesen eine ängstliche Hast, eine gewisse scheue Heimlichkeit, welche jeder ihrer Bewegungen die Sicherheit raubte. Sie versperrte ihre Türe, wenn sie ihr Nachtgebet sagte, und wenn das Aveläuten begann, so ging sie in irgend ein dunkles Zimmer und machte dort zitternd das gewohnte Kreuz. Vor dem Mittagmahl beschränkte sie das von Kindheit an geübte Flehen auf einen ganz flüchtigen Gedanken an Gott, und sie bangte jedesmal, Gerhard könnte ihn in ihren Augen finden. Die stete Furcht legte sich wie etwas Fremdes über sie, und den lauernden Blicken des Kranken war die seltsame Veränderung keineswegs entgangen. Fast unbewußt forschte er nach den Gründen desselben und ermattete in Vermutungen. Dabei wurde er reizbar und bitter, und er sprach oft von dem ›Rückweg‹, aber nicht mehr im Tone einer sanften, wehmütigen Entsagung wie jenes erste Mal. Dann fürchtete Frau Sophie für ihren Gott in gleichem Maße wie für den Kranken. Denn sie liebte beide und wußte, daß der Entscheidungskampf einen von ihnen töten müsse. In diesen bangen Wochen war aus dem machtreichen und großen Gott, der sie seit ihren Kindheitstagen geleitet und beschirmt hatte, ein ganz kleiner, furchtsamer Gott geworden, der ihr Eigentum war und den sie beschützen mußte und hüten, wie ein aus seinem Nest gestürztes Vögelchen. Sie erschrak, als sie dies bemerkte. Sie fühlte mit einemmale, wie ihr Gott in diesem tiefen Verborgensein immer ärmer und ratloser und kleiner wurde, und bebte vor dem Tag, da er ganz zusammensinken würde, ohne Widerstand und lautlos, wie eine Lampe verlischt, wenn es am Öl fehlt. Sie empfand zugleich, daß sie ohne diesen Gott sein werde wie ein totes Blatt und daß sie ihn, ehe es zu spät sei, herausholen müsse aus seinem Begrabensein in das helle Licht.

      Darum sagte sie einmal, als Gerhard ihr wieder gegenüber saß in der Dämmerung:

      »Ich glaube an Gott. Er wird dich gesund machen.«

      Ihre Stimme klang zaghaft, und sie wiederholte mutiger: »Ich glaube an Gott.«

      Da erhob sich der Kranke mühsam und ging auf sie zu. Er kam wie einer, der etwas nehmen will, und Frau Sophie zitterte unter seinem Blick. Sie zitterte vor seinen kranken Händen und sah, wie er seine kalten, harten Finger ihrem Gott an die Kehle legte, um ihn zu würgen. Und sie flehte vor ihrem Sohn für ihn:

      »Mitleid.«

      Gerhard blieb vor ihr stehen.

      Sie stöhnte in fortwährender Abwehr wie gegen einen Fluch: »Ich glaube an Gott.«

      Er stand vor ihr und hielt ihre zitternden Hände.

      Er nickte: »Ja«, und sagte dann, als ob er jemandem nachspräche: » … aber dein Gott kann mir nicht die Krankheit nehmen. Ich habe sie nicht von ihm; die hat mir mein Vater gegeben.«

      Entsetzt sah ihn die Mutter an.

      Er ertrug ihr Auge. Da wurde es immer ohnmächtiger und müder. Er ließ ihre feinen Hände fallen, schob einen Stuhl näher und setzte sich. So trafen sich ihre Blicke, und sie dachten: Wir sind so fern von einander.

      Sie waren einander sehr ähnlich, aber es war schon spät, und sie konnten ihre Züge nicht erkennen. So saßen sie, und der Kranke fühlte: Also ich werde ganz allein sein die kurze Weile. Unsere Lippen können sich nichts mehr schenken, denn lächeln wird sie nicht mehr, ihre Küsse gehören ihrem Gott, und ihre Worte sind aus einer fremden Sprache. Ich werde also ganz allein sein. Sie aber hat ihren Gott.

      Sie schwiegen.

      Dann sagte sie, und es war, als schickte sie ihre Worte über einen breiten, rauschenden Fluß von Ufer zu Ufer:

      »Seine Briefe waren so furchtbar. Er hungert. Ich hab deinem Vater Geld geschickt verzeih.«

      Er jubelte auf: »Ich habs auch getan.«

      Erfüllt von demselben, dankbaren Leuchten fanden sich ihre Augen.

      Alle Fernen schmolzen.

      Und ihre Hände schlossen sich innig zusammen wie die zweier Menschen, die einander helfen wollen.

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