James Bond 16: Kernschmelze. John Gardner
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Zuerst erklärte er das Offensichtliche. Da er ein Schloss und ein riesiges Anwesen besaß, hatte der Laird von Murcaldy jede Menge Angestellte, auf die er jederzeit zurückgreifen konnte. »Er hat dort oben Wildhüter, Aufseher und jede nur vorstellbare Art von Bediensteten, von Fahrern bis hin zu Wachen. Was also den Laird angeht, hat er kein wirkliches Sicherheitsproblem. Es gibt allerdings noch einen zentralen Familienkern. Zuallererst ist da der Doktor selbst.«
Das Foto zeigte ein kampflustiges Gesicht, das dem des verstorbenen Lord Beaverbrook ähnelte, nur dass es keine Lachfalten um den Mund herum hatte. Eine Bulldogge von einem Mann mit kalten Augen, die auf jemanden oder etwas – mit Sicherheit nicht auf die Kamera – leicht rechts von ihm gerichtet waren. Der Mund war eine harte, unnachgiebige Linie, und die Ohren, die sehr flach an seinem Kopf anlagen, verliehen ihm eine seltsame, symmetrische Kontur. Fotos konnten trügerisch sein – Bond wusste das nur zu gut –, aber dieser Mann, der von einem schnellen Klicken und dem Schließen einer Blende auf das Papier gebannt worden war, hätte der Sohn eines Pfarrers sein können. Er hatte dieses leicht puritanische Aussehen – ein Verfechter von Disziplin, einer, der wusste, was er wollte, und seinen Willen durchsetzen würde, egal was ihm im Weg stand. Bond fühlte sich ein wenig unwohl. Er würde nicht offen zugeben, dass er beim Anblick eines Fotos etwas so Heftiges wie Angst empfand, aber das Bild machte deutlich, dass der Laird von Murcaldy eine Gewalt war: eine Macht.
Der nächste Abzug zeigte eine Frau, die vermutlich Anfang vierzig war, sehr gut aussah und scharfe, klassische Züge sowie dunkles, hochtoupiertes Haar hatte. Ihre Augen waren groß, aber nicht unschuldig – fand Bond. Selbst auf diesem Bild schienen sie eine Fülle an weltlichem Wissen zu enthalten, und der Mund war zwar groß, wirkte aber nicht unproportional. Die Mundwinkel waren leicht nach oben gezogen, wodurch die Gesichtszüge ein wenig milder schienen.
»Miss Mary-Jane Mashkin«, sagte M, als würde das alles erklären.
Bond warf seinem Vorgesetzten einen fragenden Blick zu. Das Komma aus Haaren hing über seine rechte Augenbraue, als wollte es ein Fragezeichen bilden.
»Seine graue Eminenz, wie manche behaupten.« M paffte an seiner Pfeife, als wäre er ein wenig peinlich berührt. »Zweifellos Muriks Geliebte. Sie war zehn Jahre lang seine Sekretärin. Sie ist Muriks starker rechter Arm und seine persönliche Beraterin. Sie ist ausgebildete Physikerin. Universität von Cambridge, genau wie der Laird, allerdings nicht sein Maßstab, wie es scheint. Sie fungiert für ihn als Gastgeberin und lebt in Murik Castle. Sie reist mit ihm, isst mit ihm … und macht auch sonst alles mit ihm.«
Bond überlegte, dass er mit seiner Einschätzung bezüglich des Puritanismus falschgelegen haben könnte, revidierte den Gedanken dann aber. Es war durchaus möglich, dass Anton Murik ein starkes Moralempfinden im Hinblick auf die Handlungen anderer Personen hatte, während er sich selbst von derartigen Einschränkungen ausschloss. So etwas kam ständig vor. Zum Beispiel bei den Leuten, die gegen Fernsehsendungen und Filme protestierten und sich dabei einbildeten, dass sie selbst gegenüber moralischen Gefahren immun waren.
»Ich vermute, dass er sich in vielen Angelegenheiten von ihr beraten lässt, aber ich bezweifle, dass sie ihn bei sehr wichtigen Entscheidungen beeinflussen kann.« M schob ein drittes Foto in Bonds Richtung.
Es zeigte eine weitere Frau. Sie war sehr viel jünger und, sofern das Bild die Realität widerspiegelte, absolut umwerfend. Dichtes blondes glattes Haar rahmte ihr Gesicht ein, das an die junge Lauren Bacall erinnerte. Es wies die gleichen hohen Wangenknochen und verführerischen dunklen Augen auf, und der Mund war aufgrund der Sinnlichkeit der Unterlippe bemerkenswert. Die Brauen über den Augen waren natürlich geformt und sahen wie eine Art verlängerter Zirkumflex aus. Bond gestattete sich ein fast unhörbares leises Pfeifen.
M unterband diese reflexartige Reaktion sofort: »Anton Muriks Mündel. Miss Lavender Peacock. Die Art ihrer Beziehung ist nicht bekannt. Sie wurde 1970 sein Mündel, vollkommen legal – im Gerichtsbeschluss heißt es, sie sei die Tochter eines Cousins zweiten Grades. Ihr Vater und ihre Mutter kamen bei einem Flugzeugunglück ums Leben. Es gibt ein wenig Geld – ein paar Tausend –, das Miss Peacock erhält, sobald sie ihr siebenundzwanzigstes Lebensjahr erreicht. Das wird nächstes Jahr der Fall sein.«
Bond stellte laut fest, dass Lavender Peacock eine beeindruckende Frau sei, er aber auch glaube, sie von irgendwoher zu kennen – und das liege nicht nur an ihrer Ähnlichkeit mit der jungen Bacall.
»Schon möglich, 007. Dieses Mädchen wird allerdings an einer kurzen Leine gehalten. In manchen Angelegenheiten ist der Laird sehr altmodisch. Lavender Peacock wird wie ein zerbrechliches Porzellanpüppchen behandelt. Sie hatte als Kind Privatlehrer und durfte nur ins Ausland reisen, wenn Murik und ein paar zuverlässige Wachhunde sie begleiteten. Diese Mashkin hat sie ein wenig herumgeschleppt, und Sie könnten ihr Bild in Verbindung mit dieser Kleiderfirma gesehen haben. Von Zeit zu Zeit erlaubt der Laird ihr, als Modell zu arbeiten – aber nur zu ganz besonderen Anlässen und immer in Begleitung der Wachhunde.«
»Wachhunde?« Der Ausdruck machte Bond stutzig.
M stand auf und ging zum Fenster. Er schaute auf den Park hinaus, der nur noch undeutlich zu erkennen war, während die Sonne langsam unterging und die Lichter der Stadt nach und nach angingen.
»Wachhunde?«, wiederholte M. »Oh ja, hauptsächlich Frauen aus dem Umfeld der Mashkin und der Kleiderfirma.« Er drehte sich nicht zu Bond um. »Murik hat immer ein paar junge schottische Schlägertypen in der Nähe. Eine Art Leibwächter. Sie wissen ja, wie diese Leute sind. Sie sollen nicht nur sein Mündel, sondern die ganze Familie bewachen. Es gibt einen, der eine besondere Stellung innehat. Er ist so etwas wie der Leiter der Truppe. Wir haben kein Foto von ihm, aber ich habe eine Beschreibung erhalten. Er heißt Caber.«
Eine lange Stille entstand. Schließlich holte Bond tief Luft. Er hatte sich das Triptychon aus Fotos vor sich auf dem Tisch angesehen. »Ich soll mich also bei dieser kleinen Gruppe einschmeicheln, herausfinden, warum Franco ihnen so viel Aufmerksamkeit widmet, und mich im Großen und Ganzen unentbehrlich machen?«
»Ich denke, das wäre die geeignete Vorgehensweise.« M wandte sich vom Fenster ab. »Wir müssen das Spiel eine ganze Weile lang mitspielen, 007. Tatsächlich sogar sehr lange. Ich habe große Vorbehalte gegen Dr. Anton Murik. Er würde ohne zu zögern töten, wenn es für das Gelingen irgendeines Plans nötig wäre, von dem er besessen ist. Und wir wissen alle, dass er derzeit von dem Geschäft seines Ultrasicher-Kernreaktors besessen ist. Vielleicht steckt irgendein hirnrissiger Plan dahinter, bei dem er in eins von Francos Unternehmen investiert und damit großen Profit einstreicht – eine schnelle Nummer: genug Geld, um der Kommission für Atomenergie zu beweisen, dass sie falschliegt. Wer weiß? Es wird Ihre Aufgabe sein, das herauszufinden, James. Ihre Aufgabe und meine Verantwortung.«
»Vorschläge, wie ich das anstellen soll, wären mir willkommen«, begann Bond, doch als M gerade etwas erwidern wollte, klingelte das rote Telefon auf seinem Schreibtisch.
Für ein paar Minuten saß Bond schweigend da und lauschte Ms Seite der Unterhaltung mit Sir Richard Duggan. Als das Telefonat beendet war, lehnte sich M mit einem dünnen Lächeln zurück. »Damit wäre das also erledigt. Ich habe den MI5 darüber