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Doch Bond verbrachte nicht nur viel Zeit mit M und Q’utie, sondern auch einige Stunden mit Major Boothroyd, dem Waffenmeister des Secret Service, um mit ihm über seine Bewaffnung zu sprechen. Ms Anweisungen zufolge sollte 007 bewaffnet losziehen – etwas, das zu dieser Zeit kein leichtes Unterfangen darstellte.
Im Laufe der Jahre, in denen er sich einen besonderen Ruf in der alten Doppelnullabteilung gemacht hatte, hatte Bond viele Handfeuerwaffen benutzt: angefangen bei der .25 Beretta – die der Waffenmeister sarkastisch als »eine Damenwaffe« abgetan hatte –, über den .38 Colt Police Positive, den .45 Colt Automatik und den .38 Smith & Wesson Centennial Airweight, bis hin zu seiner Lieblingswaffe, der 7,65mm Walther PPK, die er in dem berühmten Berns-Martin-Holster bei sich trug.
Mittlerweile war die PPK allerdings nicht mehr in Gebrauch, da sie in entscheidenden Momenten zu Ladehemmungen neigte. Die Waffe hatte das einmal zu oft gemacht, in der Nacht des 20. März 1974, als ein geisteskranker Möchtegernentführer versucht hatte, Prinzessin Anne und ihren Mann, Captain Mark Phillips, zu entführen. Der Leibwächter des königlichen Paars, Inspector James Beaton, war dabei verletzt worden, und als er versucht hatte, das Feuer zu erwidern, hatte seine Walther Ladehemmungen gehabt. Das war das Ende dieser speziellen Waffe gewesen, soweit es die britische Polizei und die Sicherheitsdienste betraf.
Seitdem hatte Bond den Großteil seiner Schießübungen entweder mit dem .45 Colt absolviert – der für einen verdeckten Einsatz viel zu schwer und unhandlich war – oder mit dem alten .38 Cobra, dem seit Langem beliebten kurzläufigen Revolver von Colt, den man für verdeckte Operationen benutzte. Bond verkündete natürlich nicht öffentlich, dass er einen nicht genehmigten .44 Magnum Ruger Super Blackhawk in einem geheimen Fach seines Saabs versteckt hatte.
Nun mussten sie sich einig werden und eine Entscheidung bezüglich Bonds Bewaffnung für den Einsatz treffen. Dadurch brach ein langwieriger, zeitraubender und manchmal recht heftiger Kampf zwischen Bond und dem Waffenmeister aus, bei dem es um die jeweiligen Vorzüge der Waffen ging.
Sie hatten die grundlegende Auseinandersetzung bereits tausend Mal geführt: Ein Revolver war immer verlässlicher als eine Automatikpistole, und zwar aus dem einfachen Grund, dass bei der Benutzung weniger schiefgehen konnte. Der Revolver hatte allerdings den doppelten Nachteil, dass man länger zum Nachladen brauchte und normalerweise nur sechs Patronen Munition in der Trommel hatte. Außerdem war seine Mündungsgeschwindigkeit und damit seine Mannstoppwirkung geringer – es sei denn, man entschied sich für ein größeres, unhandlicheres Modell.
Die Automatikpistole bot andererseits sehr viel einfachere Lademöglichkeiten (die schnelle Entfernung und Ersetzung eines Magazins im Griff), eine größere Patronenanzahl pro Magazin und sie hatte im Allgemeinen eine effektivere Mannstoppwirkung. Allerdings konnte aufgrund der vielen Einzelteile eben auch mehr schiefgehen.
Schließlich war Bond derjenige, der das letzte Wort hatte. Unter ein paar murrenden Bemerkungen von Major Boothroyd entschied er sich für eine alte, aber gut erprobte und treue Freundin: die frühe Browning 9mm, die ursprünglich von Fabrique Nationale-De Guerre in Belgien unter Anwendung der Browning-Patente hergestellt worden war. Trotz ihres Alters besaß diese Browning eine zielgenaue Mannstoppwirkung. Für Bond lag der Vorteil in ihrer Verlässlichkeit. Sie war insgesamt etwa zwanzig Zentimeter lang und hatte einen gut zwölf Zentimeter langen Lauf. Die frühe Browning war eine flache, tödliche Waffe, die von ihrer Bauweise her dem .32 Colt ähnelte, etwa neunhundert Gramm wog und in ihrem Magazin Platz für sieben 9mm-Patronen bot. Sie wurde mit Browning-Long-Patronen geladen, und es gab die Möglichkeit, eine zusätzliche Kugel in der Kammer aufzubewahren.
Bond war mit der Waffe zufrieden, kannte ihre Grenzen und hatte jegliche Gedanken an exotischere Handfeuerwaffen von modernerer Bauweise schnell beiseitegeschoben.
In dem erstaunlichen schatzkammerartigen Lagerraum des Waffenmeisters befanden sich unbenutzte Waffen aller Bauweisen, Sorten und Größen, und er holte eine der alten Brownings heraus, die noch immer in ihrer Originalverpackung lag. Sie war voller Schmierfett und in gelbes Wachspapier eingewickelt. Das war eine beachtliche Leistung, wenn man bedachte, dass diese spezielle Waffe schon seit Langem nicht mehr hergestellt wurde.
Der Waffenmeister kannte 007 gut genug, um dafür zu sorgen, dass kein Mitglied seiner Belegschaft die Waffe berührte. Er rief Bond zu sich nach unten in den Büchsenmacherraum, damit der Mann, der sie letztendlich benutzen würde, die Waffe reinigen, auseinanderbauen, überprüfen und ausgiebig ausprobieren konnte. Wenn Bond einen Fallschirmsprung hätte absolvieren müssen, hätten sowohl der Waffenmeister als auch die Q-Abteilung dafür gesorgt, dass 007 seinen Fallschirm selbst zusammenpackte. Und auch für Bond war das die einzig mögliche Vorgehensweise. Das Gleiche galt für die Vorbereitung der Schusswaffen.
An einem späten Nachmittag fand sich Bond im leeren Büchsenmacherraum ein. Er hatte den Bereich und den unterirdischen Schießstand ganz für sich allein, während er der anspruchsvollen Aufgabe nachging, von der sein Leben abhängen mochte.
Daher war er überrascht, als sich genau in dem Moment, als er sich daranmachte, das Schmierfett von der Browning zu wischen, die Tür öffnete und Q’utie eintrat. Sie trug braunen Samt und sah darin besonders begehrenswert aus. Major Boothroyd, teilte sie Bond mit, habe vorgeschlagen, dass sie herkommen solle, um die Reinigung und Vorbereitung der Waffe zu beaufsichtigen.
»Warum sollte er das tun?« Bond schaute kaum zu der jungen Frau auf, ihm war zum ersten Mal bewusst, dass ihre kühle Art eine direkte Herausforderung darstellte. Er hatte im Verlauf der vergangenen Tage hart gearbeitet und nun regte sich eine sinnliche Schlange in einer verborgenen Ecke seines Geistes. Q’utie würde eine entspannende Gesellschaft für den Abend darstellen. Q’utie schwang sich auf die hölzerne Werkbank, nachdem sie sich davon überzeugt hatte, dass die von ihr ausgewählte Stelle sauber war. »Der Waffenmeister gibt mir einen Schusswaffenkurs, wenn ich nicht im Dienst bin«, erklärte sie ihm. Zum ersten Mal bemerkte Bond, dass Q’uties Stimme ein wenig rau klang. »Ich bin nicht sehr gut im Umgang mit Handfeuerwaffen, und er meinte, Sie wären es. Er erwähnte, dass die Waffe außerdem ein altes Modell sei. Ich dachte nur, es wäre eine gute Idee, wenn Sie nichts dagegen haben.«
Bonds starke, sichere Hände bewegten sich gekonnt, fast schon liebevoll über die Pistole, während er sie in stummer Routine auseinandernahm.
»Also, haben Sie?«, fragte Q’utie.
»Habe ich was?«
»Etwas dagegen, dass ich zusehe?«
»Keineswegs.« Er schaute zu der jungen Frau hoch, deren hübsches Gesicht hinter der großen Brille ungerührt blieb. »Es ist immer am besten, Waffen sorgfältig und sanft zu behandeln«, fuhr er lächelnd fort, während die Bewegungen seiner Hände an den Mechanismen zunehmend erotisch wurden.
»Sorgfältig, natürlich.« In Q’uties Stimme schlich sich ein Hauch Sarkasmus. Dann wiederholte sie wie ein Papagei eine Stelle aus dem Ausbildungshandbuch des Secret Service: »›Waffen jeglicher Beschreibung sollten mit großer Sorgfalt und Respekt behandelt werden.‹ Treiben Sie es damit nicht ein wenig zu weit, Commander Bond?«