James Bond 16: Kernschmelze. John Gardner
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»Das ist mal was anderes«, erwiderte er amüsiert. »Ich halte mich immer noch an die Briefmarkensammlung.«
Sie hatte die Beifahrertür geöffnet. »Oh, aber ich habe wirklich Apparate«, sagte sie und lachte wieder. »Ich bin eine leitende Angestellte der Q-Abteilung, erinnern Sie sich? Ich nehme meine Arbeit gern mit nach Hause.«
Bond schloss den Wagen ab, folgte ihr die Stufen hinauf und in den kleinen Aufzug, der im Zuge einer – wie Immobilienmakler es bezeichnen würden – »ausgiebigen Modernisierung« eingebaut worden war.
Vom kleinen Eingangsbereich in Q’uties Wohnung aus konnte Bond die Küche und das Bad sehen. Sie öffnete die Haupttür, und sie betraten den restlichen Teil der Wohnung – einen riesigen Raum. An den Wänden hingen zwei große zueinander passende Spiegel mit Goldrahmen, ein echter Hockney und ein ebenso echter Bratby, das Porträt eines Komponisten, dessen Musicals vor fünfzehn oder zwanzig Jahren ihre besten Zeiten gefeiert hatten. Die Ausstattung bestand hauptsächlich aus Designermöbeln der späten 1960er, und die Beleuchtung war passend dazu ausgewählt – schwedisches Design und auf erhöhten Leisten angebracht, die sich in ausgeklügelten Winkeln in den Zimmerecken befanden.
»Ah, Retrodekor«, kommentierte Bond mit einem Grinsen.
Ann Reilly erwiderte das Lächeln. »Es ist nicht alles so, wie es scheint«, sagte sie schmunzelnd, und für einen Augenblick fragte sich Bond, ob sie nicht daran gewöhnt war, Alkohol zu trinken. Vielleicht war ihr der Wein zu Kopf gestiegen. Dann sah er, wie sich ihre Hand auf eine kleine Konsole mit Tasten in der Nähe der Lichtschalter zubewegte. Ihre Finger tippten auf die Tasten, und innerhalb der nächsten paar Sekunden konnte Bond nur noch an die Verwandlungsszenen aus den Zirkusattraktionen seiner Kindheit denken.
Das Licht wurde gedimmt, und der Raum wurde in ein sanftes rotes Glühen getaucht, das von den Fußleisten ausging. Der große runde Milchglastisch, der den Mittelpunkt des Zimmers bildete, schien im Teppich zu versinken. Plötzlich ertönte das Plätschern von Wasser, und der Tisch glühte auf, um zu einem kleinen Teich mit sprudelndem Springbrunnen in der Mitte zu werden. Der Hockney, der Bratby und beide Spiegel schienen zu beschlagen, wurden dann wieder klar und verwandelten sich in Bilder, die Bond in ihrer Deutlichkeit beinahe schockierten.
Er nahm einen Geruch wahr: Ein moschusartiger Duft war um ihn herum aufgestiegen, während die Klänge von Klaviermusik sanft an Lautstärke zunahmen – ein langsames, sinnliches Saxophonsolo, so nah und natürlich, dass Bond umherstarrte, da er dachte, die junge Frau säße tatsächlich irgendwo an einem Instrument. Der Duft und die Musik begannen, seine Sinne zu verwirren. Dann trat er einen Schritt zurück und ließ den Blick zu einer Wand zu seiner Rechten wandern. Die Wand hatte angefangen sich zu öffnen, und von dahinter glitt ein großes hohes Wasserbett lautlos in den Raum herein – darüber hing ein verspiegelter Baldachin an scharlachroten Seidenkordeln.
Ann Reilly war verschwunden. Für eine Sekunde war Bond desorientiert, stand mit dem Rücken zur Wand und ließ die Augen über den außergewöhnlichen Anblick wandern. Dann entdeckte er sie hinter dem Springbrunnen. Ein kleines dämmriges Licht wurde stärker, um sie zu beleuchten, während sie nackt bis auf ein dünnes durchsichtiges Nachthemd dastand. Ihr Haar war offen und fiel bis zu ihrer Taille – das Haar und der dünne Stoff wehten und tanzten, als würde sie ein unsichtbarer Zephyr umspielen.
Dann veränderte sich der Raum plötzlich genauso schnell, wie die erste Verwandlung begonnen hatte. Das Licht kehrte zu seiner normalen Stärke zurück, der Tisch erhob sich aus dem Brunnen, der Hockney, der Bratby und die Spiegel waren wieder da, und Q’uties Abbild verblasste. Nur das Bett blieb, wo es war.
Hinter ihm ertönte ein Kichern, und Bond drehte sich herum, um Q’utie zu sehen, die immer noch ihre Kleidung aus braunem Samt trug und deren Haar nach wie vor ordentlich und streng frisiert war. Sie lehnte sich gegen die Wand und lachte. »Gefällt es Ihnen?«, fragte sie.
Bond runzelte die Stirn. »Aber …?«
»Oh, ich bitte Sie, James. Die Verwandlung ist leicht: Mikrotechnik und Elektronik, son et lumière. Ich habe das alles selbst gebaut.«
»Aber Sie …?«
»Ja.« Sie zog die Brauen zusammen. »Das ist das kostspieligste Element, aber ich habe auch das zum größten Teil selbst zusammengebastelt. Und das Modell bin ich. Ein Hologramm. Sehr effektiv, nicht? Alles 3D. Kommen Sie, ich zeige Ihnen die Einzelheiten …«
Sie wollte sich gerade in Bewegung setzen, als Bond sie packte, nah zu sich heranzog und stürmisch küsste. Sie ließ ihre Hände auf seine Schultern gleiten und schob ihn sanft von sich weg. »Mal sehen.« Sie sah ihn mit hochgezogener Augenbraue an. »Ich dachte, Sie hätten verstanden, worum es geht. Sie sagten, das hier sei Retrodekor – 1960er. Alles, was ich getan habe – und ich habe viele glückliche Stunden damit verbracht, es richtig hinzubekommen –, war das Zusammenstellen einer Fantasie aus den Sechzigern: Musik, Beleuchtung, das Wasserbett, der Duft und eine willige, sehr leicht bekleidete Dame. Ich dachte, dass gerade Sie, James Bond, die Botschaft verstehen würden. Fantasien sollten sich mit der Zeit ändern. Zweifellos sind wir heutzutage alle realistischer. Besonders was Beziehungen angeht. Das Wort, das darauf zutrifft, ist, glaube ich, Reife.«
Ja, dachte Bond, während sie umherhuschte, und ihm die ganzen elektronischen Spielereien ihres Fantasiezimmers zeigte, Q’utie war ein guter Name für Ann Reilly. »Es mag eine Illusion sein«, sagte er, »aber es hat trotzdem eine tödliche Wirkung.«
Sie drehte sich zu ihm um. »Tja, James, das Bett ist noch da. Das ist es für gewöhnlich immer. Wir sollten Kaffee trinken und einander ein wenig besser kennenlernen.«
Bond wachte am nächsten Morgen vor halb sieben in seiner eigenen Wohnung auf. Ich wurde mit meinen eigenen Waffen geschlagen, dachte er mit einem ironischen Lächeln. Wenn jemals jemand den Bluff eines Mannes durchschaut hatte, dann war es die geniale Q’utie. Er machte sich gut gelaunt an seine Fitnessübungen, nahm ein heißes Bad und eine kalte Dusche, rasierte sich, zog sich an und war in seinem Esszimmer, als die treue May mit der Morgenausgabe der Times und seinem üblichen Frühstück hereinkam. Es war seine Lieblingsmahlzeit: zwei große Tassen schwarzer Kaffee von De Bry ohne Zucker, ein einzelnes »perfekt gekochtes« Ei (Bond beharrte immer noch darauf, ausschließlich braune Eier zu mögen, und hielt an seiner Meinung fest, dass die ideale Kochzeit dreieindrittel Minuten betrug), dann zwei Scheiben Vollkornweizentoast mit Jersey-Butter und »Little Scarlet«-Erdbeermarmelade von Tiptree, »Cooper’s Vintage Oxford«-Konfitüre oder norwegischem Heidehonig.
Regierungen konnten kommen und gehen, Krisen konnten ausbrechen, die Inflation mochte durch die Decke schießen, aber wenn er in London war, änderte sich Bonds Frühstücksroutine selten. In diesem Punkt verkörperte er das Schlimmste, was ein Mann in seiner Branche sein konnte: ein Mann der Gewohnheit, der den Tag gern auf eine ganz bestimmte Weise begann, aus dem dunkelblauen Eierbecher mit dem goldenen Ring um den Rand aß, der zum Rest seines Minton-Geschirrs passte, und sich freute, die silberne Kaffeekanne im Queen-Anne-Stil und die dazugehörigen Utensilien auf dem Tisch zu sehen. Diese Eigenart wirkte sicher sehr wählerisch, aber Bond wäre empört gewesen, wenn ihn deswegen irgendjemand als snobistisch bezeichnet hätte. In James Bonds Augen war Snobismus etwas für andere in allen Gesellschaftsschichten. Ein Mann hatte ein Recht auf gewisse angenehme Eigenarten – mehr als nur ein Recht, wenn sie seinen Geist und seinen Magen beruhigten und ihn auf den vor ihm liegenden Tag vorbereiteten.
Der Q’utie-Zwischenfall hinderte Bond keineswegs in seinen Vorbereitung auf das, was er im Geiste inzwischen als Verabredung mit Anton Murik am Tag des Gold Cups bezeichnete.
In letzter Zeit