Adams Letzte. Will Berthold
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»Könntest du dich vielleicht gewählter ausdrücken?« entgegnete Milena gereizt.
Einen Moment lang flambierte der Zorn über die Zurechtweisung das blasse Gesicht ihres Mannes, aber dann würgte er ihn wie immer hinunter. »Warum eigentlich diese Eile?« fragte er. »Unsere Tochter kommt doch erst nächste Woche aus dem Internat in die Weihnachtsferien —«
»Ich sagte dir doch schon, daß ich mit Vater sprechen muß, und zwar sofort.«
»Ich möchte wenigstens wissen, ob es privat oder geschäftlich ist.« Hans-Georg Deutler hatte seine Frau bereits bei ihrer Ankunft aus Faro mit Fragen insistiert, die von ihr nur ausweichend beaniwortet worden waren.
»Da gibt es kaum einen Unterschied«, erklärte sie.
»Ist es wegen mir?« fragte er und wich ihrem Blick aus.
»Da überschätzt du dich aber einigermaßen, mein Lieber«, versetzte Milena süffisant Sie betrachtete ihn aufmerksam. »Wieso fragst du?Hast du Schwierigkeiten in der Firma?«
»Natürlich nicht«, behauptete ihr Mann. »Aber gestern ist dieser schreckliche Nadler aus New York eingetroffen. Unangemeldet Überraschend und eigentlich auch völlig unnötig. Er stößt unsere Leute herum, als hätte er die Nachfolge deines Vaters bereits angetreten.«
»Dich auch?« fragte Milena, mehr belustigt als besorgt.
»Genau wie alle anderen«, erwiderte Hans-Georg Deutler. »Als wäre ich nicht der Schwiegersohn des Hauses.«
»Vielleicht ist Mike tüchtiger als du«, gab seine Frau gnadenlos zurück.
»Er ist nicht tüchtiger«, konterte der Direktor für repräsentative Aufgaben. »Mike Nadler versteht es nur besser, deinem Vater um den Bart zu gehen. Und wenn dieser Angeber aus New York hier weiter hantiert wie die Axt im Walde, dann werden diese Gerüchte nur immer lauter.«
»Welche Gerüchte?« fragte ihn Milena scharf.
»Daß dein Vater gesundheitlich nicht mehr auf dem Damm ist«, antwortete er und zündete sich eine Zigarette an.
»Da kann ich dich beruhigen«, entgegnete sie. »Ganzdas Gegenteil ist der Fall.«
»Für heute abend hat Nadler eine Besprechung angesetzt-. Ich kann dich deshalb leider nicht nach Lohausen fahren.«
»Grüß Mike von mir«, versetzte Milena. »Sag ihm aber auf keinen Fall, daß ich nach Bangkok unterwegs bin. Ich kann mich doch darauf verlassen?«
Sie hielt ihrem Mann die rechte Wange hin. »Du kannst dich gleich jetzt verabschieden, Hans-Georg«, sagte sie geschäftsmäßig. »Unser Fahrer bringt mich dann zum Flugplatz.«
»Ich weiß nicht recht«, meinte er zögernd, »Ich hab’ kein so gutes Gefühl bei deiner Reise —«
»Ich auch nicht«, schnitt Milena weitere Erörterungen ab.
Sie brauchte nur einen kleinen Koffer zu packen, aber es fiel ihr schwer. Seitdem sie völlig unerwartet von den Problemen um ihren Vater erfahren hatte, war Milena Deutler aus dem Gleichgewicht. Das Gespräch mit dem kleinen, nervösen Bankier Keil, kurz vor dem Abflug von der Algarve, hatte sie dann gänzlich verwirrt. Nach vielen Entschuldigungen war der Mann zu dem Fazit gekommen:»Im harmlosesten Fall droht Ihrem Vater ein gesellschaftlicher Skandal, den er allerdings spielend überstehen würde. Schlimmer wäre schon, daß Ihre Tochter und Sie in eine Art schleichende Enterbung geraten könnten und —«
»Entschuldigung — aber das kann ich einfach nicht glauben«, war Milena dem Bankier ins Wort gefallen. »Mein Vater ist viel zu korrekt, um mich als Erbinzu übergehen.«
»Ganz könnte er es auch gar nicht«, hatte Keil erwidert, »Ich muß Ihnen das einmal genau auseinandersetzen: Leider hat Herr Laimer bisher unsere Vorschläge über eine Änderung der Gesellschaftsform seines Konzerns abgelehnt. Er ist also nach wie vor der Alleinbesitzer. Meines Wissens existiert auch keine testamentarische Verfügung. Bei seinem Ableben würde automatisch die gesetzliche Erbfolge eintreten. Beim Stand von heute wären dadurch Sie und Ihre Tochter die Alleinbegünstigten. Aber wenn Ihr Herr Vater wieder heiraten sollte, würde sich die Situation grundsätzlich ändern. Im Falle seines Todes müßte dann die Witwe die Hinterlassenschaft mit Ihnen teilen. Ihr Herr Vater wäre durchaus in der Lage, noch Kinder zu zeugen, das würde eine weitere und äußerst einschneidende Schmälerung Ihrer Erbansprüche bedeuten.« Keil hatte die Zeichen ihrer Ungeduld übersehen und die Besucherin gezwungen, sich den Everitual-Konsequenzen zu stellen. »Die Witwe erhielte die eine Hälfte, und alle Kinder zusammen — Sie eingeschlossen, Frau Milena — die anderen fünfzig Prozent. Nehmen wir einmal an, aus einer zweiten Laimer-Ehe gingen zwei Kinder hervor, dann fiele Ihnen ein Drittel des halbierten Gesamtvermögens zu —«
»Und das wäre ja wohl noch immer genug, um meine Tochter und mich ausreichend zu versorgen«, hatte die Besucherin verärgert eingeworfen.
»Mein Gott, so kann man es doch nicht sehen Es geht um den Fortbestand eines blühenden Unternehmens, um das Lebenswerk Ihres Herrn Vaters.«
»Lassen wir einmal finanzielle Gesichtspunkte beiseite.« Milena hatte versucht, zum Ende des Gesprächs zu kommen.
»— dann sehen wir uns dem schlimmsten Fall gegenüber, der eintreten könnte«, war die Antwort des Bankiers gewesen. »Ihr Herr Vater ist zur Zeit in arger Bedrängnis, um nicht zu sagen — in großer Gefahr. Vielleicht sogar in Lebensgefahr.« Laimers Hausbankier war als ziemlicher Hypochonder bekannt, aber in allem, was mit Geld und Vermögensanlagen zusammenhing, sagte man Keil Gehör und Schläue eines Revierfuchses nach. »Wissen Sie, Frau Milena, ich möchte diese Dinge nicht dramatisieren. Ich gebe auch zu, daß der New Yorker Informant, Philip Palance jr., nicht unbedingt ein sympathischer Mensch ist. Auch erscheint mir der Verdacht, den er äußert und von dem er die US-Polizei jetzt überzeugen will, reichlich abenteuerlich, aber das müssen die US-Behörden entscheiden. Dieser Palance jr. spricht auch noch von weiteren Enthüllungen über das Vorleben der bewußten Dame. Wie dem auch sei, Sie müssen das Ihrem Herrn Vater sagen, so unangenehm es auch ist. Was er mit der Information dann anfängt, ist seine Sache, aber warnen müssen wir ihn in jedem Fall.«
Am Flugplatz stellte Milena jetzt fest, daß der Manager des Reisebüros nicht zuviel versprochen hatte. Sie brauchte sich nicht schon eineinhalb Stunden vor Abflug am Schalter zu melden. Ihr Koffer wurde eingecheckt, ohne daß sie Schlangestehen mußte. Milena erhielt einen Fensterplatz in der ersten Reihe. Die beiden Sitze neben ihr würden, durch Reservierungsschilder gesperrt, unbesetzt bleiben, so daß die Reisende sie während des Dreizehn-Stunden-Flugs als Schlafgelegenheit nutzen könnte. Die Stewardessen ließen erkennen, daß sie dieser Passagierin jeden Wunsch von den Augen ablesen würden, und die Mitreisenden hielten sich zunächst auch noch mit Schilderungen ihrer Love-Exkursionen in Bangkok-Babylon zurück.
Die Passagiere, in der Überzahl Männer, waren gemischt wie ihr Reisegepäck:Modische Schalenkoffer neben verschnürten Pappkartons, Akademiker neben Proleten, junges Gemüse neben unternehmungslustigen Frührentnern. Der entsetzliche Vietnam-Krieg hatte Thailand, Muang-Thai, das Land der Freien, auch in ein Land der Freier verwandelt, in den Reiseprospekten charmanter als die »Region des Lächelns und der Liebe« bezeichnet.
Das südostasiatische Königreich war zur Etappe der US-Army in Indochina geworden. In Sündenparadiesen wie zum Beispiel Pattaya, zwei Autostunden