WIR. Heimat - Land - Jugendkultur. Группа авторов

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WIR. Heimat - Land - Jugendkultur - Группа авторов

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Ein Festival für Freunde oder: Schöner leben ohne Nazis

       Heimat

      KLAUS FARIN

       Heimat.

       Identität im Wandel

      KRISTINA MILZ

       „Wem g’herst na du?“

       Nachdenken über vergessene Spielregeln

      KRISTINA MILZ

       „Es geht darum, wer die schwersten Glocken hat.“

       Der Tag, an dem die Kramperl kommen

      GANGWAY

       ZwischenWelten

       Herkunft – Ankunft – Hinter Gittern – Zukunft

      EDDA GEHRMANN

       „Davon werden sie mindestens die nächsten zehn Jahre noch erzählen.“

       Ein Gespräch mit dem Bürgermeister Andreas Brohm

      KLAUS FARIN

       Abspann

       Die Autor*innen

      KLAUS FARIN UND GÜNTER MEY

WIR. Heimat – Land – Jugendkultur

       „Heimat“ ist wieder angesagt – vor allem in ländlichen Regionen hat der Wunsch nach Entschleunigung und Wiederüberschaubarkeit der Lebensumwelt Konjunktur: das Dorf als Hort der Sicherheit und Ruhepol inmitten einer sich global immer schneller und unbeeinflussbarer verändernden Welt: „Hier ist die Welt noch in Ordnung.“ Doch die Prozesse der Individualisierung und Enttraditionalisierung prägen längst auch die Lebenswirklichkeiten auf dem Lande. Insofern werden sich Gemeinden für die Vorstellungen und Bedürfnisse der Jugendlichen öffnen müssen sowie deren Orientierungsmuster und lebensweltliche Praktiken berücksichtigen, wollen sie nicht zur jugendfreien Zone werden.

       Die Stiftung Respekt!, 2010 aus dem Berliner Archiv der Jugendkulturen heraus gegründet, wollte diese beiden Themen – die ambivalente Renaissance der „Heimatliebe“ und die Lage von Jugendlichen in ländlichen Regionen – genauer untersuchen und verband beide in ihrem Projekt „WIR. Heimat – Land – Jugendkultur“. Gemeinsam mit mehr als 30 Partner*innen realisierte Respekt! ab 2018 einen bunten Strauß aus quantitativen und qualitativen Befragungen, Workshops, Fachtagungen und journalistischen Erkundungen. Dabei wurden die Jugendlichen nicht nur befragt, sondern konnten auch in verschiedenen partizipativen Kreativworkshops eigene Ideen, Wünsche und Positionen entwickeln und dabei erkennen, dass die Erwachsenenwelt sich für ihre Perspektive interessiert. Denn nachhaltige Veränderungen lassen sich heute nur noch erzielen, wenn die Menschen bei der Entwicklung und Implementierung neuer Maßnahmen selbst aktiv mitwirken. Das gilt nicht nur für Großbauprojekte, sondern auch für die kleinteilige Beziehungsarbeit mit Jugendlichen vor Ort. Identifikation – mit der Schule, dem Jugendhaus, der Gemeinde – entsteht letztlich durch Teilhabe und die Erfahrung von Respekt.

      Ausgangsüberlegungen1

      Spätestens seit Ulrich Becks Zeitdiagnosen in den 1980er Jahren gilt es in den deutschen Sozialwissenschaften (und darüber hinaus) als sicher, dass Menschen im Zeitalter einer „zweiten Moderne“ unter veränderten Bedingungen leben: Aufgrund einer weitreichenden ökonomischen Aufwärtsbewegung in der BRD („Fahrstuhleffekt“) nach dem Zweiten Weltkrieg sind zwar die Unterschiede zwischen Arm und Reich nicht grundsätzlich reduziert, haben alle Milieus jedoch mehr Geld und Freizeit zur Verfügung. Traditionelle Verbindlichkeiten, die aus Klassen- und damit verbundenen Kulturzugehörigkeiten resultieren, erodieren zunehmend. Die Kehrseite dieser Entwicklung ist ein „Wegbrechen“ vormals selbstverständlicher, traditioneller Orientierungsmuster, Strukturen und Verhaltenssicherheiten. Betroffen davon ist auch ein grundsätzlicher menschlicher Modus des Sich-in-Bezug-Setzens zur Welt: das Gefühl, eine „Heimat“ zu haben.

      Wenn Menschen heute einerseits pluraler und individueller als zuvor leben, weil sie vom Wohlstandswachstum, einem gewandelten Arbeitsmarkt mit immer mehr Gewicht auf dem Dienstleistungssektor, flexiblen Arbeitszeiten sowie der Bildungsexpansion profitieren, so führt dies andererseits auch dazu, dass Forderungen nach steigender Flexibilität und Mobilität an sie herangetragen werden. Dementsprechend steht jede*r Einzelne immer wieder vor der Aufgabe, sich in andere geografische und soziale Kontexte oder Räume einzuordnen. Was gestern noch als Heimat unhinterfragt vertraut und mit bestimmten Zuschreibungen des Typischen und Überschaubaren verknüpft war, wird durch einen Ortswechsel fragwürdig. Umgekehrt verändern sich Orte und soziale Zusammenhänge durch immer wieder neu Hinzukommende, diese „stören die Ordnung“ mitunter oder finden Niederschlag in Konstruktionen von Etablierten und Außenseitern: „wir und die Anderen“. Und auch den weniger mobilen Menschen kann mit Vorurteilen begegnet werden, die wiederum mit Abgrenzung beantwortet und als Ausgrenzung erlebt werden. So entsteht in ländlichen Regionen mit Rekurs auf Heimat ein neuer Definitionsraum – und eine Arena für Aushandlungen.

      Eine Folge davon scheint die derzeit in Europa beobachtbare Renaissance des Regionalpatriotismus zu sein. „Heimatliebe“ zu zeigen und auszuleben, ist auch für viele Jugendliche heute nicht mehr peinlich, nicht mehr per sé „rechts“ und „nationalistisch“, sondern Teil ihrer Alltagskultur und Identitätssuche. Dies führt – gerade angesichts der aktuellen Zuwanderungen Geflüchteter auch in die ländlichen Regionen Deutschlands – zu einer weiteren Frage: Wer gehört zu dieser Welt, zu dieser Ordnung? Wer definiert das neue deutsche „Wir“ (und wie)?

      Jugend(kultur) und ländliche Heimat

      Um die Frage nach Heimatkonstruktionen zu beantworten, schien uns die Fokussierung auf Jugendliche und ihre Szenen besonders vielversprechend. Denn diese stellen posttraditionale Vergemeinschaftungsformen dar, die eine eigene Kultur entwickeln und dadurch gesellschaftlichen Tendenzen zur Individualisierung mit Zugehörigkeits- und Identifikationsangeboten begegnen – mit anderen Worten: Jugendlichen eine (kollektive) Heimat geben oder zumindest temporär ein Ort sein können, der Heimat ganz bestimmend mitprägt. Szenen sind in der Lage, besondere Bindeoder Absetzungskräfte zu entwickeln (vgl. z.B. Hitzler/Niederbacher 2010). Sie werden häufig entweder als Anlass genommen, in der Provinz zu bleiben, weil sie etwas bieten, das in der Stadt oder anderswo nicht einholbar zu sein scheint, oder aber als etwas identifiziert, das gerade nicht in der Provinz, dafür aber in der Stadt vorzufinden ist, weswegen die alte Heimat verlassen werden

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